In einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln vom 20.06.2024 wurde klargestellt, dass der Begriff „erste Führungserfahrung“ in Stellenausschreibungen kein Indiz für eine Altersdiskriminierung darstellt. Der Fall verdeutlicht, wie juristisch aufgeladene Begriffe bei Bewerbungen rechtlich interpretiert werden und bietet Orientierung für Arbeitgeber, Personalabteilungen und Bewerber.
Hintergrund: Der Fall vor dem LAG Köln
Im vorliegenden Fall hatte sich ein 56-jähriger Bewerber, der über umfangreiche Berufserfahrung in Führungspositionen verfügt, auf eine Stelle als Managementtrainer beworben. Die Ausschreibung verlangte „erste Erfahrung in Führungspositionen“, woraufhin der Bewerber eine Absage erhielt und die Stelle erneut ausgeschrieben wurde. Der Kläger vermutete, dass sein Alter der Grund für die Ablehnung war und klagte auf Schadensersatz wegen Altersdiskriminierung.
Gerichtliche Bewertung: Altersneutralität der Formulierung
Das LAG Köln sah jedoch keine Grundlage für eine Altersdiskriminierung. Das Gericht argumentierte, dass die Formulierung „erste Führungserfahrung“ altersneutral sei. Sie könne prinzipiell in jedem Alter erworben werden und deute daher nicht auf eine spezifische Altersgruppe hin. Diese Formulierung sei somit kein Indiz, das den Verdacht einer Altersbenachteiligung begründet.
Ein zentrales Argument des Gerichts war, dass die berufliche „erste Erfahrung“ im Führungsbereich individuell und unabhängig vom Lebensalter erreicht wird. Dies unterscheidet sich stark von Begriffen wie „junger Bewerber“ oder „junges Team“, die in der Rechtsprechung klar als Altersdiskriminierung eingestuft wurden.
Rechtliche Rahmenbedingungen: Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht
Laut § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) dürfen Beschäftigte aufgrund des Alters nicht benachteiligt werden. Im Bewerbungsverfahren bedeutet dies, dass alle Formulierungen in Stellenanzeigen und der Auswahlprozess altersneutral gestaltet sein müssen. Ein Verstoß könnte andernfalls Ansprüche auf Schadensersatz gemäß § 15 AGG begründen, was jedoch voraussetzt, dass Diskriminierungsmerkmale eindeutig nachweisbar sind.
Der § 22 AGG sieht hierbei eine Beweislastumkehr vor, wenn eine Diskriminierung plausibel gemacht werden kann. Im vorliegenden Fall reichte die Formulierung „erste Führungserfahrung“ jedoch nicht aus, um eine Altersdiskriminierung zu vermuten.
Wichtige Punkte für die Praxis
- Die Begriffe „erste Erfahrung“ sind altersneutral und rechtlich zulässig.
- Altersdiskriminierung erfordert eindeutige Hinweise oder Formulierungen, die explizit das Alter betreffen.
- Stellenausschreibungen sollten allgemein gehalten werden, um Diskriminierungsvorwürfen vorzubeugen.
Das Urteil des LAG Köln gibt Arbeitgebern und Personalverantwortlichen Sicherheit, Begriffe wie „erste Führungserfahrung“ ohne Risiko einer Altersdiskriminierung zu verwenden, solange keine Altersmerkmale angedeutet werden. Bewerber sollten wissen, dass diese Formulierungen nicht als Altersdiskriminierung gelten.
Der Betriebsrat spielt eine wichtige Rolle im Bewerbungsprozess, indem er bei Einstellungen gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG auf Diskriminierung achtet – besonders wichtig in einer alternden Gesellschaft, um faire Chancen für alle Altersgruppen sicherzustellen.
Praktische Empfehlungen für Unternehmen
Um rechtliche Risiken zu vermeiden und ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld zu fördern, sollten Unternehmen bei der Formulierung von Stellenausschreibungen auf altersneutrale Begriffe setzen und Diskriminierung in Bewerbungsverfahren konsequent vermeiden. Der Einsatz von Begriffen wie „erste Führungserfahrung“ sollte bewusst und in klarem Kontext verwendet werden, um Missverständnisse auszuschließen. Sensibilisierungsmaßnahmen für Personalabteilungen und Führungskräfte sind zudem ratsam.
Fazit
Das Urteil des LAG Köln schafft Klarheit darüber, dass Formulierungen wie „erste Führungserfahrung“ in Stellenanzeigen nicht als Altersdiskriminierung gewertet werden. Für Unternehmen und Personalabteilungen ist dies eine wichtige Entscheidung, um die Stellenausschreibungen rechtlich sicher und altersneutral zu gestalten. Bewerber wiederum können sicher sein, dass solche Begriffe nicht zwangsläufig auf Alterspräferenzen hinweisen. Die Verantwortung für diskriminierungsfreie Prozesse liegt jedoch weiterhin bei den Unternehmen und wird durch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats unterstützt.
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