Luxemburg (jur). Das erstinstanzliche Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg hat die Beihilferegelungen der EU konkretisiert und dabei die staatliche Unterstützung für Unternehmen erleichtert. Nach dem am Mittwoch, 4. Mai 2022, verkündeten Urteil müssen insbesondere negative Folgen für das jeweilige Land nicht „unweigerlich“ sein; es reicht aus, „dass sie eintreten könnten“ (Az.: T-718/20).
Konkret geht es um ein 2020 während der Corona-Pandemie gewährtes staatliches Liquiditätsdarlehen in Höhe von 36,66 Millionen Euro für die rumänische Fluggesellschaft TAROM. Die EU-Kommission hatte dies fünf Tage später ohne nähere Prüfung genehmigt. Dagegen klagte die ungarische Billigfluglinie Wizz Air.
Das EuG wies diese Klage nun ab. Danach gab es keinen Anlass für die EU-Kommission, in ein näheres Prüfverfahren für die Beihilfe einzusteigen.
Zunächst wiesen die Luxemburger Richter das Argument ab, Rumänien habe keine „Ziele von gemeinsamem Interesse“ nachgewiesen. Den diesbezüglichen Passus der EU-Beihilfeleitlinien legte das EuG so aus, dass „die Mitgliedstaaten aufzeigen müssen, dass der Ausfall des begünstigten Unternehmens wahrscheinlich zu schwerwiegenden sozialen Härten oder zu schwerem Marktversagen führen würde“.
Hier habe Rumänien auf die große Bedeutung der nationalen Fluglinie für die internationale Anbindung des Landes und die Anbindung seiner Regionen verwiesen. Anders als Wizz Air meine, müsse ein EU-Staat in solchen Fällen „nicht nachweisen, dass ohne Beihilfemaßnahme unweigerlich bestimmte negative Folgen einträten, sondern nur, dass sie eintreten könnten“. Hier habe die EU-Kommission von „sehr erheblichen Auswirkungen“ eines Ausfalls von TAROM für Rumänien ausgehen dürfen.
Erstmals konkretisierte das EuG zudem die Regelung, wonach Beihilfen nur genehmigungsfähig sind, wenn vorausgehende Beihilfen mindestens zehn Jahre zurückliegen. Maßgeblich ist danach der Zeitpunkt der Genehmigung der vergangenen Beihilfe. Hier habe es von 1997 bis 2003 Umstrukturierungsbeihilfen in Form eines Darlehens und mehrerer staatlicher Bürgschaften gegeben. Dass die Umstrukturierung der Fluglinie bis 2019 andauerte und TAROM daher noch bis 2019 von den Beihilfen profitierte, sei unschädlich, urteilte das EuG.
Nach dem Luxemburger Urteil reicht bei solchen langfristigen Umstrukturierungsbeihilfen ein Abstand von zehn Monaten vom Ende der Umstrukturierung bis zur Anmeldung der neuen Beihilfe aus. Dies sei hier offenbar erfüllt gewesen.
Auch den Vorwurf einer unzureichenden Begründung der Kommissionsentscheidung wies das EuG zurück. Die Klage von Wizz Air wies es daher „in vollem Umfang ab“. Hiergegen kann der Billigflieger aber noch Rechtsmittel zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) einlegen.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock