Leipzig (jur). Wird eine Gerichtsverhandlung auf der elektronischen Anzeigetafel am Eingang des Gerichtssaals versehentlich nicht angezeigt, ist die Öffentlichkeit in der Regel trotzdem gewahrt. Es reicht aus, „dass jedermann die Möglichkeit hat, sich ohne besondere Schwierigkeiten von einer mündlichen Verhandlung Kenntnis zu verschaffen, und dass der Zutritt im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten eröffnet ist“, wie das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einem am Montag, 6. November 2023, veröffentlichten Beschluss entschied (Az.: 9 B 14.23). Hier hätten Interessierte an der Pforte nach dem Saal fragen können.
In dem Streit ging es eigentlich um die Planfeststellung für den Neubau der Bundesstraße 49 zur Ortsumgehung der Ortslagen Reiskirchen und Reiskirchen-Lindenstruth in Mittelhessen. Über die Klage eines Umweltverbandes hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel am 20. September 2022 verhandelt und bereits im Vorfeld angekündigt, dass die Verhandlung bei Bedarf am Folgetag fortgesetzt wird.
Wie inzwischen bei vielen Gerichten üblich, wird auch beim VGH Kassel am Eingang des Gerichtssaals elektronisch auf einem Bildschirm angezeigt, welche Verhandlung in dem Saal wann stattfindet. Beim Auftakt am 20. September 2022 klappte dies auch problemlos. Bei der Fortsetzung am Folgetag fehlte die Anzeige aber, und auch auf der Anzeigetafel im Foyer des VGH war der Verhandlungstermin nicht mit aufgeführt.
Die Richterinnen und Richter hatten dies nicht bemerkt, weil sie einen anderen Eingang in den Verhandlungssaal nutzen. Die Fortsetzungsverhandlung fand statt, und der VGH wies die Klage des Umweltverbandes ab. Dabei ließen die Kasseler Richter die Revision nicht zu.
Erfolglos wollte der Umweltverband nun die Revision aus formalen Gründen erzwingen. Wegen der fehlenden Anzeige sei die Öffentlichkeit der Verhandlung nicht gewahrt gewesen.
Doch ein Verfahrensfehler sei „nicht erkennbar“, befand das Bundesverwaltungsgericht. „Das Merkmal der Öffentlichkeit setzt keine an jedermann gerichtete Bekanntgabe voraus, wann und wo eine Gerichtsverhandlung stattfindet“, heißt es in dem Leipziger Urteil. „Insbesondere muss die mündliche Verhandlung nicht in jedem Fall durch Aushang bekanntgemacht werden.“
Soweit das Bundesarbeitsgericht in Erfurt die Gegenmeinung vertreten und einen Hinweis am Eingang des Sitzungssaals für unentbehrlich gehalten habe (Beschluss vom 22. September 2016, Az.: 6 AZN 376/16), habe es dies ausdrücklich „mit der besonderen Strenge der Öffentlichkeitsvorschriften gerade im arbeitsgerichtlichen Verfahren“ begründet.
Hier habe auch der Umweltverband nicht in Zweifel gezogen, dass der Zutritt zum Verhandlungssaal grundsätzlich jeder interessierten Person möglich war. Auch habe der Umweltverband nicht bestritten, dass Interessierte sich an der Pforte nach dem genauen Saal erkundigen konnten.
Dass hier die Fortsetzungsverhandlung auch auf der Homepage des VGH nicht angekündigt war, sei unschädlich. Solche Aufstellungen der Sitzungstermine seien „nur ein zusätzlicher Service“, der keinen Vertrauensschutz begründe.
Zudem sei hier auch ein „Rügeverlust“ eingetreten. Denn die Vertreter des klagenden Umweltverbandes hätten die fehlende Anzeige mit hoher Wahrscheinlichkeit schon beim Eintritt in den Saal vor Verhandlungsbeginn oder nach einer Pause bemerkt. Dann hätten sie den vermeintlichen Mangel aber auch schon in der Verhandlung rügen müssen, forderte das Bundesverwaltungsgericht in seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 19. September 2023.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock