Arbeitsrecht

„Freiwilliges Weihnachtsgeld“ schützt nicht vor verpflichtender Zahlung

Zuletzt bearbeitet am: 05.05.2023

Erfurt (jur). Arbeitgeber können auch bei einem als „freiwillig“ bezeichneten aber fortlaufend bezahlten Weihnachtsgeld auch künftig zur Zahlung der Sonderzuwendung verpflichtet sein. Haben sie dann auch noch das Weihnachtsgeld fast immer in der gleichen Höhe gewährt, spricht dies ebenfalls für eine „betriebliche Übung“ und nicht für eine Honorierung der konkret erbrachten Arbeitsleistung, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Donnerstag, 4. Mai 2023, veröffentlichten Urteil (Az.: 10 AZR 116/22). 

Danach können Arbeitgeber nicht erst im Nachhinein geltend machen, die Zahlung sei als Zusatzvergütung nur für geleistete Arbeit gedacht gewesen, nicht aber bei fortdauernder Krankheit. 

Im Streitfall ging es um einen Beschäftigten, der seit 2003 in einem Unternehmen aus dem Raum Villingen-Schwenningen arbeitete. Laut Arbeitsvertrag hatte er keinen Anspruch auf Weihnachtsgeld. Doch ab 2010 machte der Arbeitgeber eine Kehrtwende. Er zahlte anfangs erst 400 Euro und dann in den Folgejahren 1.500 Euro Weihnachtsgeld. In den Lohnabrechnungen fand sich die Leistung teils mit dem Vermerk „freiw. Weihnachtsgeld“ wieder. 

Doch als der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankte, war ab 2018 Schluss mit dem weihnachtlichen Geldsegen. Der Arbeitgeber begründete dies damit, dass der Beschäftigte fortlaufend erkrankt war. 2020 habe zudem keiner der sieben Arbeitnehmer Weihnachtsgeld erhalten. Das Unternehmen sei „unauskömmlich“ gewesen. 

Der arbeitsunfähig erkrankte Mann klagte und meinte, dass ihm das Weihnachtsgeld auch für die Jahre 2018 bis 2020 zustehe. Wegen der fortlaufenden Zahlung sei eine „betriebliche Übung“ entstanden, so dass er auch künftig das Weihnachtsgeld beanspruchen könne. 

Das BAG urteilte mit Blick auf die bisher erhaltenen Weihnachtsgeldzahlungen am 25. Januar 2023, dass dem Kläger für die Jahre 2018 bis 2020 eine Nachzahlung in Höhe von insgesamt 2.850 Euro zusteht. Zwar beinhalte der Arbeitsvertrag keinen Weihnachtsgeldanspruch. Mit der mindestens dreimal hintereinander gewährten Zahlung sei aber eine „betriebliche Übung“ entstanden, die den Arbeitgeber auch künftig zur Zahlung der Sonderzuwendung verpflichtet. 

Der Arbeitnehmer könne wegen der fortlaufenden Zahlung nach den Geboten von Treu und Glauben damit rechnen, dass er diese nun immer erhält. Allein der Freiwilligkeitshinweis auf der Lohnabrechnung reiche nicht aus, um dem Arbeitnehmer die Einmaligkeit der Zahlung zu verdeutlichen. Denn der Zusatz „freiw.“ könne auch so verstanden werden, dass der Arbeitgeber diese „freiwillig“ aber regelmäßig zahlt, obwohl dies in Tarif- und Arbeitsverträgen oder Betriebsvereinbarungen nicht festgelegt wurde. Bei mehrdeutigen Auslegungen gelte die für den Arbeitnehmer günstigere Version, betonte das BAG. 

Der Arbeitgeber habe auch nicht belegen können, dass sich die „Weihnachtsgeld“-Höhe nach der erbrachten Arbeitsleistung richten soll. Dagegen spreche, dass die Höhe der Sonderzuwendungen jeweils über mehrere Jahre weitgehend gleich und geringer als ein Monatslohn war.

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Symbolgrafik:© blende11.photo - stock.adobe.com

Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Arbeitsrecht Ausgehängter Dienstplan ist „aufgestellt“

Erfurt (jur). Hängen Zuschläge beispielsweise zu Bereitschaftsdiensten davon ab, wann der entsprechende Dienstplan „aufgestellt“ wurde, meint dies die Bekanntgabe durch den Arbeitgeber. Auf die Rechtmäßigkeit des Dienstplans oder eine noch fehlende Zustimmung durch den Betriebs- oder Personalrat kommt es dabei in der Regel nicht an, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Samstag, 6. Mai 2023, veröffentlichten Urteil zum Tarifvertrag für Ärzte an kommunalen Kliniken entschied (Az.: 6 AZR 130/22).  Der Tarifvertrag bestimmt, dass der Dienstplan für Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften „spätestens einen Monat vor Beginn des jeweiligen ... weiter lesen

Arbeitsrecht Arbeitnehmer müssen ihre Erkrankungen gegebenenfalls offenlegen

Erfurt (jur). Wer mit mehreren Erkrankungen insgesamt mehr als sechs Wochen krank ist, muss nachweisen, dass es sich tatsächlich um verschiedene Erkrankungen handelt. „Dem steht nicht entgegen, dass der hiernach erforderliche Vortrag im Regelfall mit der Offenlegung der einzelnen zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankungen im maßgeblichen Zeitraum verbunden ist“, so der Leitsatz eines am Dienstag, 2. Mai 2023, veröffentlichten Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt (Az.: 5 AZR 93/22). Grundgesetz und EU-Recht seien dadurch nicht verletzt.  Der Kläger arbeitet in der Gepäckabfertigung am Frankfurter Flughafen und war in den Jahren 2019 und 2020 in ... weiter lesen

Arbeitsrecht Keine „Hauptstadtzulage“ für besser verdienende Landesbeschäftigte

Berlin (jur). Tarifbeschäftigte höherer Entgeltgruppen des Landes Berlin können anders als geringer entlohnte Angestellte keine „Hauptstadtzulage“ verlangen. Zwar gebiete der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, dass die von einem Arbeitgeber aufgestellten Regeln für alle vergleichbare Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gleich gelten müssen, so das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg in drei am Freitag, 28. April 2023, bekanntgegebenen Urteilen (Az.: 12 Sa 513/22, 11 Sa 1145/22 und 16 Sa 1672/21). Dies gelte aber nicht für die Hauptstadtzulage, da die dazu geschaffenen Regeln auf das Berliner Abgeordnetenhaus zurückgingen.  Das Land Berlin ... weiter lesen

Arbeitsrecht Für Arbeit im Yoga-Ashram gibt es zumindest Mindestlohn

Erfurt (jur). Ein spiritueller Yoga-Ashram muss für die Arbeit seiner Mitglieder in Küche, Garten oder bei der Leitung von Seminaren zumindest den gesetzlichen Mindestlohn zahlen. Konkret kann sich der gemeinnützige Verein Yoga Vidya nicht auf das Selbstbestimmungsrecht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft berufen, urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt am Dienstag, 25. April 2023 (Az.: 9 AZR 253/22). Die obersten Arbeitsrichter sprachen damit einem früheren Mitglied des in Horn-Bad Meinberg (Kreis Lippe) ansässigen Vereins Yoga Vidya für dessen Arbeit in einem Yoga-Ashram dem Grunde nach den gesetzlichen Mindestlohn zu.  Die Klägerin, eine ... weiter lesen

Ihre Spezialisten