Arbeitsrecht

Für Arbeit im Yoga-Ashram gibt es zumindest Mindestlohn

Zuletzt bearbeitet am: 26.04.2023

Erfurt (jur). Ein spiritueller Yoga-Ashram muss für die Arbeit seiner Mitglieder in Küche, Garten oder bei der Leitung von Seminaren zumindest den gesetzlichen Mindestlohn zahlen. Konkret kann sich der gemeinnützige Verein Yoga Vidya nicht auf das Selbstbestimmungsrecht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft berufen, urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt am Dienstag, 25. April 2023 (Az.: 9 AZR 253/22). Die obersten Arbeitsrichter sprachen damit einem früheren Mitglied des in Horn-Bad Meinberg (Kreis Lippe) ansässigen Vereins Yoga Vidya für dessen Arbeit in einem Yoga-Ashram dem Grunde nach den gesetzlichen Mindestlohn zu. 

Die Klägerin, eine Volljuristin, lebte von März 2012 bis zu ihrer Beendigung ihrer Mitgliedschaft am 30. Juni 2020 als Vereinsangehörige, in einem Yoga-Ashram von Yoga Vidya. Der satzungsmäßige Zweck des 1995 gegründeten gemeinnützigen Vereins ist „die Volksbildung durch die Verbreitung des Wissens, der Lehre, der Übungen und der Techniken des Yoga und verwandter Disziplinen sowie die Förderung der Religion“. 

Das Ziel sei, unter anderem nach der Tradition des 1963 verstorbenen indischen spirituellen Meisters Swami Sivananda Sarswati „Yoga zu leben und weiterzugeben“. Nach eigenen Angaben ist Yoga Vidya Deutschlands größtes Yoga-Seminarhaus und Europas größtes Ausbildungsinstitut für Yoga-Lehrer. Der Verein verfügt in Deutschland über mehrere Ashrams und Yoga-Ausbildungsstätten, in denen die „Sevakas“, die Vereinsangehörigen, leben und arbeiten. 

Nach Weisung ihrer Vorgesetzten müssen die Vereinsmitglieder etwa in Küche, Haushalt, Buchhaltung oder Boutique arbeiten. Auch die Durchführung von Yogaunterricht und die Leitung von Seminaren werden von ihnen verlangt. Als „Leistung zur Daseinsfürsorge“ erhalten die Vereinsmitglieder ein monatliches Taschengeld von bis zu 390 Euro, plus 180 Euro bei Führungsverantwortung. Kost und Logis sind frei. 

Die Klägerin hielt dies für ihre 42-stündige Wochenarbeitszeit für zu wenig und verlangte ab 2017 den gesetzlichen Mindestlohn. Ihr stehe für ihre geleistete Vereinsarbeit eine Mindestlohnnachzahlung in Höhe von 46.118 Euro zu. 

Der Verein berief sich darauf, dass er eine hinduistische Ashram-Gemeinschaft sei. Damit könne er sich auf das im Grundgesetz geschützte Selbstbestimmungsrecht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften berufen. Als geistliche Lebensgemeinschaft könnten die Mitglieder außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gemeinnützigen Dienst an der Gesellschaft leisten. 

Doch auf die Religions- und Weltanschauungsfreiheit kann sich Yoga Vidya nicht berufen, urteilte das BAG. Die Klägerin sei weisungsgebundene Arbeitnehmerin gewesen und habe Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Der Verein sei keine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft. Er beziehe sich nur auf ein breites Spektrum an Weisheitslehren, Philosophien und Praktiken aus östlichen und westlichen Kulturen, ohne dass dabei ein Gesamtgefüge religiöser Elemente hinreichend erkennbar sei. Die Arbeit der Mitglieder sei damit nicht von einem religiösen Bekenntnis geprägt. 

Die Klägerin sei als Mitglied auch verpflichtet gewesen, auf Weisung ihrer Vorgesetzten Arbeiten etwa in Küche, Garten, Buchhaltung zu leisten oder Seminare zu leiten. 

Zwar könne sich Yoga Vidya auf die grundgesetzlich geschützte Vereinsautonomie berufen. Dies könne es aber nicht begründen, dass „zwingende arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen“ wie der Mindestlohn umgangen werden. Die Klägerin habe daher dem Grunde nach Anspruch auf den Mindestlohn. Kost und Logis seien dabei nicht anzurechnen. Über die geleistete genaue Stundenzahl und damit die Höhe des nachzuzahlenden Mindestlohns muss nun das Landesarbeitsgericht Hamm noch einmal entscheiden. 

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

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