Gelsenkirchen. Verbeamtete Lehrer müssen nicht darauf hingewiesen werden, dass ihr Urlaubsanspruch verfällt. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat in seinem am Freitag, 10. Juni, verkündeten Urteil entschieden, dass die vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Grundsätze nach denen Arbeitgeber Arbeitnehmer über ihre noch freien Tage und die Verfallsfristen hinweisen müssen, auf verbeamtete Lehrer nicht übertragen werden kann (Az.: 1 K 4290/20).
Eine verbeamtete Lehrerin, die Ende Juli 2019 in den Ruhestand versetzt wurde, hatte im zu verhandelnden Fall Klage eingelegt. Sie konnte 2017 krankheitsbedingt keinen Urlaub nehmen und wollte diesen jetzt finanziell abgegolten haben. Von der zuständigen Bezirksregierung wurde dies mit dem Hinweis abgelehnt, dass der geltend gemachte Urlaubsanspruch zum 31. März 2019 verfallen sei.
Die Lehrerin hielt dies für nicht rechtmäßig. Der Dienstherr hätte sie vorher über den Verfall des Urlaubsanspruchs informieren müssen. Sie verwies auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 6. November 2018 (Az. C-684/16). Die luxemburgischen Richter entschieden, dass der Urlaub nicht automatisch wegen Nichtbeantragung verfallen dürfe. Arbeitgeber müssten auf die noch freien Tage und die Verfallsfrist hinweisen und auch den Arbeitnehmer auffordern, den Urlaub zu nehmen.
Mit Urteil vom 19. Februar 2019 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt daraufhin seine Rechtsprechung angepasst (Az.: 9 AZR 541/15). Der Arbeitgeber dürfe danach zwar „die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festlegen“. Er sollte jedoch auch dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, den bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Der Arbeitgeber müsse deshalb den Arbeitnehmer – notfalls förmlich – dazu auffordern, den Urlaub zu nehmen. Der Arbeitgeber müsse klar und rechtzeitig mitteilen, wann der Urlaub verfällt, sofern er nicht genommen wird.
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat jedoch am 25. Mai 2022 entschieden, dass diese Rechtsprechung zum Verfall des Urlaubsanspruchs auf Lehrkräfte nicht anwendbar ist. Der Zweck des Hinweises bestehe darin, den Mitarbeitern zu ermöglichen, „rechtzeitig ihren Urlaub in Anspruch zu nehmen und ihn vor dem Verfall zu bewahren“. Aber für Lehrer werde laut nordrhein-westfälischen Regelungen der Urlaub sowieso automatisch mit den Schulferien abgegolten. Außerhalb der Ferien gebe es keinen Erholungsurlaub.
Daher würde der Hinweis zum Verfall von Urlaubsansprüchen bei Lehrkräften automatisch ins Leere laufen und somit sei er auch nicht erforderlich. Daher seien im Streitfall die Ansprüche auf Urlaub verfallen.
Wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung hat das Verwaltungsgericht die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster zugelassen.
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