Arbeitsrecht

Gehaltsverzicht in der Corona-Krise: Ist das rechtlich zulässig?

Zuletzt bearbeitet am: 20.01.2024

Manche Arbeitgeber schlagen ihren Arbeitnehmern einen Gehaltsverzicht vor, weil sie wegen der Corona-Krise wirtschaftlich klamm sind. Doch ist dies überhaupt erlaubt?

 

Vor allem in einigen Branchen haben es Arbeitgeber schwer, wegen der Corona-Pandemie über die Runden zu kommen. Sie überlegen daher, ob sie statt Anordnung von Kurzarbeit ihren Mitarbeitern vorschlagen sollten, dass diese von sich aus auf einen Teil ihres Gehaltes verzichten. Ein solcher Gehaltsverzicht zeichnet sich dadurch aus, dass sie Arbeitnehmer dauerhaft auf einen Teil ihres Einkommens verzichten. Die Frage ist nur, inwieweit dies rechtmäßig ist.

 

Wichtig ist zunächst einmal, dass es sich bei einem Gehaltsverzicht um eine Vereinbarung in Form eines Erlassvertrages gem. § 397 BGB handelt. Das bedeutet: Der Arbeitgeber darf diesen nicht anordnen. Der Abschluss einer solchen Vereinbarung muss freiwillig erfolgen. Ansonsten kommt unter Umständen eine Anfechtung des Vertrages nach § 123 BGB wegen Drohung beziehungsweise arglistiger Täuschung in Betracht.

 

Gehaltsverzicht und Mindestlohn

 

Darüber hinaus darf sie weder gegen einen Tarifvertrag noch eine Betriebsvereinbarung oder ein Gesetz verstoßen. Gerade bei Arbeitnehmern aus dem Niedriglohnbereich ist ein Gehaltsverzicht häufig unwirksam. Denn Arbeitgeber sind verpflichtet, ihren Mitarbeitern zumindest den allgemeinen Mindestlohn zu zahlen. Eine anderslautende Vereinbarung ist unwirksam. Dies ergibt sich aus § 3 des Mindestlohngesetzes.

 

Gehaltsverzicht kann sittenwidrig sein

 

Ansonsten ist ein Gehaltsverzicht nicht verboten und kann daher zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden. Arbeitgeber gehen allerdings das Risiko ein, dass dieser Vertrag sittenwidrig ist gem. § 138 Abs. 1 BGB. 

 

Dass dies gar nicht so fernliegend ist, ergibt sich aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Berlin. In dem vorliegenden Sachverhalt geht es um einen Familienvater mit zwei Kindern, der vor dem Abschluss des Arbeitsvertrages eine Erklärung unterschrieben sollte. Nach dieser verzichtete er für den Fall, dass der Arbeitgeber ihm wegen Einstellung der Fördermaßnahmen durch die Arbeitsagentur das Arbeitsverhältnis beendet, gegen die Kündigung rechtlich vorzugehen. Darüber hinaus erklärte er, dass er in dieser Situation keine Gehaltsansprüche gegen den Arbeitgeber geltend macht und diese Erklärung „freiwillig und ohne Zwang“ abgegeben habe. Doch es kam, wie es kommen musste. Nachdem die Arbeitsagentur die Fördermaßnahmen beendet hatte, beendete der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Der Mitarbeiter klagte nunmehr ausstehende Gehaltszahlungen in Höhe von insgesamt etwa 47.000 Euro ein.

 

Das Landesarbeitsgericht Berlin stellte klar, dass ihm diese Gehaltszahlungen noch zustehen. Dies ergibt sich daraus, dass der von ihm im Voraus erklärte Gehaltsverzicht sittenwidrig gem. § 138 Abs. 1 BGB gewesen ist. Dies begründeten die Richter damit, dass der Arbeitgeber nicht das Geschäftsrisiko auf seine Mitarbeiter abwälzen darf. Er darf die Zahlung des Gehaltes nicht davon abhängig machen, dass er Drittmittel erhält. Da der Arbeitgeber hierdurch die Zwangssituation des unterhaltspflichtigen Arbeitnehmers ausgenutzt hatte, handelte er sittenwidrig. 

 

Dass Arbeitgeber ihr Geschäftsrisiko nicht auf die Mitarbeiter abwälzen dürfen, ergibt sich aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 10.10.1990 - 5 AZR 404/89, wonach der Arbeitgeber seine Mitarbeiter nicht an den Verlusten beteiligen darf.

 

Wie die rechtliche Situation bei einem Gehaltsverzicht wegen Corona aussieht, dazu gibt es keine einschlägige Gerichtsentscheidung. Aus der Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Berlin ergibt sich jedoch, dass Mitarbeiter nicht für das Geschäftsrisiko des Arbeitgebers geradestehen müssen. Hierzu gehört auch, wenn Arbeitgeber infolge der Corona-Pandemie weniger Umsätze erzielen. Ob der Arbeitgeber hier sittenwidrig gehandelt hat, ist allerdings davon abhängig, in welcher Situation sich der Arbeitnehmer befindet. 

 

Fazit:

 

Arbeitnehmer sollten sich in dieser Situation durch den Rechtssekretär einer Gewerkschaft oder einen Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten lassen. Sie sollten zumindest darauf bestehen, dass sie, wenn überhaupt - einen solchen Gehaltsverzicht nur für einen kurzen Zeitraum und einen kleinen Teil ihres Gehaltes erklären. Die Details sollten genau in einer schriftlichen Vereinbarung festgehalten werden. Arbeitnehmer sollten bedenken, dass trotz eines Gehaltsverzichtes denkbar ist, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren. Von daher sollte dieser gut überlegt sein. 

 

 

Autor: Harald Büring, Ass. jur. (Fachanwalt.de-Redaktion)

Foto: © Marco2811 - Fotolia.com

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Arbeitsrecht Ergonomischer Büroarbeitsplatz mit Merkblatt

Der Begriff "Büroarbeitsplatz" bezieht sich auf die Gesamtheit aller Elemente und Bedingungen, die in einem Büroumfeld zur Durchführung von Arbeitsaufgaben erforderlich sind. Hierzu zählen insbesondere Arbeitsmittel wie Schreibtisch und Bürostuhl, die gemäß den Anforderungen des Arbeitsschutzes ergonomisch gestaltet sein müssen, um gesundheitliche Schäden zu vermeiden und die Arbeitsleistung zu steigern. Rechtliche Grundlagen für Büroarbeitsplätze Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und die Bildschirmarbeitsverordnung bilden die rechtliche Basis für die Gestaltung von Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen in ... weiter lesen

Arbeitsrecht Arbeitsgericht Siegburg urteilt: Keine Diskriminierung bei Nichteinstellung aus gesundheitlichen Gründen

Das Arbeitsgericht Siegburg hat in einem Fall, in dem es um die Rücknahme einer Einstellungszusage für einen schwerbehinderten Bewerber ging, entschieden. Im Mittelpunkt der Verhandlung stand die Frage, ob die Nichteinstellung aufgrund eines ärztlichen Gutachtens eine Diskriminierung darstellt (Az.: 3 Ca 1654/23 ). Stadt zieht Jobzusage an diabetischen Bewerber zurück – Klage wegen Diskriminierung Ein schwerbehinderter Bewerber, der an Diabetes leidet, bewarb sich Anfang 2023 bei einer Stadtverwaltung für eine Ausbildung zum Straßenwärter. Seine Schwerbehinderung gab er dabei offen an. Er erhielt eine vorläufige Zusage, die jedoch von den Ergebnissen einer ... weiter lesen

Arbeitsrecht Nebenbeschäftigung durch Detektei aufgedeckt – was Arbeitgeber jetzt beachten müssen

Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und -geber ist wichtig, Vertrauen allein reicht aber oft nicht aus. Zu den häufigsten Zwischenfällen gehört die Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit durch den Arbeitnehmer. Grundsätzlich ist der Hauptarbeitgeber verpflichtet, einen Nebenjob zu gewähren, sofern die eigenen Interessen davon nicht betroffen sind. So muss der Arbeitnehmer weiterhin mit seiner vollen Arbeitskraft verfügbar sein und darf nicht in konkurrierenden Betrieben arbeiten. Heimlich ausgeführt ist eine Nebentätigkeit nicht erlaubt. Die Aufdeckung erfolgt regelmäßig durch erfahrene Wirtschaftsdetektive, aber was passiert dann?  ... weiter lesen

Arbeitsrecht Verwaltungsgericht Hannover bestätigt Entlassung von Polizeikommissar-Anwärterin

Ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover (Az. 2 B 512/24; 2 A 5953/23 ) bekräftigt die Entlassung einer Polizeikommissar-Anwärterin aufgrund ihrer polizeikritischen Äußerungen in sozialen Netzwerken. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Neutralität und des Mäßigungsgebots im Beamtenverhältnis. Polizeianwärterin wegen kritischer Äußerungen in sozialen Medien entlassen Im Zentrum des Rechtsstreits stand eine angehende Polizeikommissarin, gegen die die Niedersächsische Polizeiakademie eine Entlassungsverfügung erließ. Ausschlaggebend waren diverse Äußerungen in sozialen Medien, die als kritisch gegenüber der Polizei ... weiter lesen

Ihre Spezialisten