Die gerichtliche Zuständigkeit für Klagen gegen inländische Reiseveranstalter wird durch verschiedene Regelungen bestimmt, die sowohl nationale als auch europäische Rechtsvorschriften umfassen. Zum Tragen kommt vor allem die EU-Verordnung Nr. 1215/2012, die die gerichtliche Zuständigkeit in grenzüberscheitenden Fällen behandelt.
Ausgangslage: Frage der gerichtlichen Zuständigkeit bei Auslandsreisen
In einem aktuellen Fall wurde die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit bei Auslandsreisen geklärt. Es ging darum, ob ein Verbraucher einen Reiseveranstalter vor dem Gericht seines Wohnsitzes verklagen kann, auch wenn beide Parteien im selben EU-Mitgliedstaat ansässig sind.
Der Anlass war eine Klage eines in Nürnberg wohnhaften Verbrauchers gegen ein Reiseunternehmen mit Sitz in München. Der Kläger hatte eine Auslandsreise gebucht und fühlte sich unzureichend über Einreisebestimmungen und Visaanforderungen informiert. Er reichte daraufhin eine Schadensersatzklage beim Amtsgericht Nürnberg ein.
Der Reiseveranstalter bestritt die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Nürnberg und argumentierte, dass die Brüsseler-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in diesem Fall nicht anwendbar sei, da beide Parteien im selben Mitgliedstaat ansässig seien.Das Amtsgericht Nürnberg legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) diese Frage zur Klärung vor (Rechtssache C-774/22).
Ergangenes Urteil
Nach dem Urteil in der Rechtssache C-774/22 (Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 29. Juli 2024) haben Verbraucher das Recht, den Reiseveranstalter vor dem zuständigen Gericht ihres Wohnsitzes zu verklagen, wenn Mängel während einer Auslandsreise aufgetreten sind. Dies gilt auch in Fällen, in denen sowohl der Verbraucher als auch der Reiseveranstalter im selben Mitgliedstaat ansässig sind.
Grundsatzfrage: Wie ist die Verordnung auszulegen?
Bei Verträgen zwischen Verbrauchern und Unternehmen sollen spezielle Zuständigkeitsregeln die schwächere Partei schützen. Die EU-Verordnung Nr. 1215/2012 regelt die gerichtliche Zuständigkeit in grenzüberschreitenden Fällen. Dabei ist der Ort der Vertragserfüllung oft entscheidend. Ein wichtiger Punkt betrifft Reiseverträge: Auch wenn Verbraucher und Reiseveranstalter im selben EU-Land wohnen, gilt die Verordnung, sofern das Reiseziel im Ausland liegt. In solchen Fällen kann der Verbraucher den Reiseveranstalter vor einem Gericht in seinem Wohnortbezirk verklagen.
Fachanwalt.de-Tipp: Diese Regelung soll es der schwächeren Partei erleichtern, ihre Rechte durchzusetzen, indem sie ein leicht erreichbares Gericht wählen kann. Die Verordnung ist somit anwendbar, sobald ein Auslandsbezug besteht - sei es durch den Wohnsitz einer Partei oder den Ort des strittigen Sachverhalts. Deshalb ist bei Pauschalreisen ins Ausland das Gericht am Wohnsitz des Verbrauchers sowohl international als auch örtlich zuständig, selbst wenn beide Parteien im selben EU-Land ansässig sind.
Urteilsbegründung
- Der Fall betrifft die gerichtliche Zuständigkeit bei Verbraucherverträgen, insbesondere bei Pauschalreiseverträgen.
- Die Brüsseler Verordnung (Nr. 1215/2012) ist anwendbar, auch wenn beide Parteien im selben EU-Mitgliedstaat ansässig sind, solange das Reiseziel im Ausland liegt. In gegenständlichen Fall ist der erforderliche Auslandsbezug durch das ausländische Reiseziel gegeben.
- Die Verordnung bestimmt sowohl die internationale als auch die örtliche Zuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz des Verbrauchers.
- Ein Verbraucher kann den Reiseveranstalter vor dem Gericht seines Wohnsitzes verklagen, unabhängig vom Sitz des Unternehmens.
- Diese Auslegung dient dem Verbraucherschutz und der Rechtssicherheit, da sie es dem Gericht ermöglicht, seine Zuständigkeit leicht festzustellen.
- Die Definition eines "grenzüberschreitenden Rechtsstreits" aus anderen EU-Verordnungen ist für die Auslegung der Verordnung nicht maßgeblich.
Conclusio
Bei Pauschalreisen ins Ausland ist das Gericht am Wohnsitz des Verbrauchers sowohl international als auch örtlich zuständig, selbst wenn beide Parteien im selben EU-Land ansässig sind. Dies stärkt den Verbraucherschutz und erleichtert den Zugang zur Justiz für Verbraucher.
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