Arbeitsrecht

Geschäftsführer muss nicht für Mindestlohnzahlung persönlich haften

Zuletzt bearbeitet am: 28.12.2023

Erfurt (jur). Geschäftsführer einer GmbH müssen für einen zu spät oder gar nicht gezahlten gesetzlichen Mindestlohn keinen Schadenersatz leisten. Für die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns ist vielmehr die GmbH verantwortlich, mit der der Arbeitnehmer eine vertragliche Beziehung eingegangen ist, entschied das Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG) in Erfurt in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 9. Februar 2022 (Az.: 4 Sa 223/19).

Im konkreten Fall ging es um eine GmbH mit Zahlungsschwierigkeiten. Im Juni 2017 zahlte sie dem klagenden Arbeitnehmer keinen Lohn. Das Amtsgericht Gera eröffnete am 1. November 2017 für das Unternehmen das Insolvenzverfahren.

Um doch noch zumindest teilweise zu seinem Geld zu kommen, verlangte der Kläger von dem Geschäftsführer der GmbH Schadenersatz für den nicht gezahlten gesetzlichen Mindestlohn. Die zu späte oder unterbliebene Zahlung des Mindestlohns stelle nach dem Mindestlohngesetz eine Ordnungswidrigkeit dar. Täter der Ordnungswidrigkeit seien die Organe der Gesellschaft, hier der Geschäftsführer, die hierfür direkt in Anspruch genommen werden könnten. Für im Juni 2017 angefallene 176 Arbeitsstunden hätte ihm ein Mindestlohn von insgesamt 1.555 Euro zugestanden. Dies müsse nun der Geschäftsführer als Schadenersatz leisten.

Doch die Voraussetzungen für einen solchen Schadenersatz sind nicht erfüllt, urteilte das LAG. Die Haftung eines Geschäftsführers erstrecke sich nur gegenüber der GmbH im „Innenverhältnis“. Dazu gehöre etwa „für die Rechtmäßigkeit des Handelns der Gesellschaft Sorge zu tragen“.

Gegenüber dem Arbeitnehmer sei dagegen die GmbH verpflichtet, den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen. „Weder sind Umstände erkennbar, weshalb Geschäftsführer*innen persönliche Verantwortung für die Zahlung des Mindestlohns an Arbeitnehmer*innen haben sollen, noch weshalb diese für die Gewährleistung des Mindestlohns gegenüber den Arbeitnehmer*innen eine Art Garantenstellung haben sollen“, heißt es weiter in dem Urteil.

Auch wenn die zu späte oder unterbliebene Zahlung des Mindestlohns eine Ordnungswidrigkeit darstellt, führe dies noch nicht zu einer individuellen Haftung des Geschäftsführers gegenüber dem Arbeitnehmer. Das Mindestlohngesetz wolle vor unangemessenen Arbeitsbedingungen schützen und nicht vor einem Lohnausfall wie im konkreten Rechtsstreit.

Gegen das Urteil wurde mittlerweile Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegt. Dort ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen 5 AZR 120/22 anhängig.

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Symbolgrafik:© Wolfilser - stock.adobe.com

Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Arbeitsrecht Ergonomischer Büroarbeitsplatz mit Merkblatt

Der Begriff "Büroarbeitsplatz" bezieht sich auf die Gesamtheit aller Elemente und Bedingungen, die in einem Büroumfeld zur Durchführung von Arbeitsaufgaben erforderlich sind. Hierzu zählen insbesondere Arbeitsmittel wie Schreibtisch und Bürostuhl, die gemäß den Anforderungen des Arbeitsschutzes ergonomisch gestaltet sein müssen, um gesundheitliche Schäden zu vermeiden und die Arbeitsleistung zu steigern. Rechtliche Grundlagen für Büroarbeitsplätze Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und die Bildschirmarbeitsverordnung bilden die rechtliche Basis für die Gestaltung von Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen in ... weiter lesen

Arbeitsrecht Arbeitsgericht Siegburg urteilt: Keine Diskriminierung bei Nichteinstellung aus gesundheitlichen Gründen

Das Arbeitsgericht Siegburg hat in einem Fall, in dem es um die Rücknahme einer Einstellungszusage für einen schwerbehinderten Bewerber ging, entschieden. Im Mittelpunkt der Verhandlung stand die Frage, ob die Nichteinstellung aufgrund eines ärztlichen Gutachtens eine Diskriminierung darstellt (Az.: 3 Ca 1654/23 ). Stadt zieht Jobzusage an diabetischen Bewerber zurück – Klage wegen Diskriminierung Ein schwerbehinderter Bewerber, der an Diabetes leidet, bewarb sich Anfang 2023 bei einer Stadtverwaltung für eine Ausbildung zum Straßenwärter. Seine Schwerbehinderung gab er dabei offen an. Er erhielt eine vorläufige Zusage, die jedoch von den Ergebnissen einer ... weiter lesen

Arbeitsrecht Nebenbeschäftigung durch Detektei aufgedeckt – was Arbeitgeber jetzt beachten müssen

Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und -geber ist wichtig, Vertrauen allein reicht aber oft nicht aus. Zu den häufigsten Zwischenfällen gehört die Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit durch den Arbeitnehmer. Grundsätzlich ist der Hauptarbeitgeber verpflichtet, einen Nebenjob zu gewähren, sofern die eigenen Interessen davon nicht betroffen sind. So muss der Arbeitnehmer weiterhin mit seiner vollen Arbeitskraft verfügbar sein und darf nicht in konkurrierenden Betrieben arbeiten. Heimlich ausgeführt ist eine Nebentätigkeit nicht erlaubt. Die Aufdeckung erfolgt regelmäßig durch erfahrene Wirtschaftsdetektive, aber was passiert dann?  ... weiter lesen

Arbeitsrecht Verwaltungsgericht Hannover bestätigt Entlassung von Polizeikommissar-Anwärterin

Ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover (Az. 2 B 512/24; 2 A 5953/23 ) bekräftigt die Entlassung einer Polizeikommissar-Anwärterin aufgrund ihrer polizeikritischen Äußerungen in sozialen Netzwerken. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Neutralität und des Mäßigungsgebots im Beamtenverhältnis. Polizeianwärterin wegen kritischer Äußerungen in sozialen Medien entlassen Im Zentrum des Rechtsstreits stand eine angehende Polizeikommissarin, gegen die die Niedersächsische Polizeiakademie eine Entlassungsverfügung erließ. Ausschlaggebend waren diverse Äußerungen in sozialen Medien, die als kritisch gegenüber der Polizei ... weiter lesen

Ihre Spezialisten