Erfurt (jur). Geschäftsführer einer GmbH müssen für einen zu spät oder gar nicht gezahlten gesetzlichen Mindestlohn keinen Schadenersatz leisten. Für die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns ist vielmehr die GmbH verantwortlich, mit der der Arbeitnehmer eine vertragliche Beziehung eingegangen ist, entschied das Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG) in Erfurt in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 9. Februar 2022 (Az.: 4 Sa 223/19).
Im konkreten Fall ging es um eine GmbH mit Zahlungsschwierigkeiten. Im Juni 2017 zahlte sie dem klagenden Arbeitnehmer keinen Lohn. Das Amtsgericht Gera eröffnete am 1. November 2017 für das Unternehmen das Insolvenzverfahren.
Um doch noch zumindest teilweise zu seinem Geld zu kommen, verlangte der Kläger von dem Geschäftsführer der GmbH Schadenersatz für den nicht gezahlten gesetzlichen Mindestlohn. Die zu späte oder unterbliebene Zahlung des Mindestlohns stelle nach dem Mindestlohngesetz eine Ordnungswidrigkeit dar. Täter der Ordnungswidrigkeit seien die Organe der Gesellschaft, hier der Geschäftsführer, die hierfür direkt in Anspruch genommen werden könnten. Für im Juni 2017 angefallene 176 Arbeitsstunden hätte ihm ein Mindestlohn von insgesamt 1.555 Euro zugestanden. Dies müsse nun der Geschäftsführer als Schadenersatz leisten.
Doch die Voraussetzungen für einen solchen Schadenersatz sind nicht erfüllt, urteilte das LAG. Die Haftung eines Geschäftsführers erstrecke sich nur gegenüber der GmbH im „Innenverhältnis“. Dazu gehöre etwa „für die Rechtmäßigkeit des Handelns der Gesellschaft Sorge zu tragen“.
Gegenüber dem Arbeitnehmer sei dagegen die GmbH verpflichtet, den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen. „Weder sind Umstände erkennbar, weshalb Geschäftsführer*innen persönliche Verantwortung für die Zahlung des Mindestlohns an Arbeitnehmer*innen haben sollen, noch weshalb diese für die Gewährleistung des Mindestlohns gegenüber den Arbeitnehmer*innen eine Art Garantenstellung haben sollen“, heißt es weiter in dem Urteil.
Auch wenn die zu späte oder unterbliebene Zahlung des Mindestlohns eine Ordnungswidrigkeit darstellt, führe dies noch nicht zu einer individuellen Haftung des Geschäftsführers gegenüber dem Arbeitnehmer. Das Mindestlohngesetz wolle vor unangemessenen Arbeitsbedingungen schützen und nicht vor einem Lohnausfall wie im konkreten Rechtsstreit.
Gegen das Urteil wurde mittlerweile Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegt. Dort ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen 5 AZR 120/22 anhängig.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock