Sozialrecht

Gesetzliche Krankenversicherung – Einstellung des Krankengeldes nach MDK-Gutachten

28.08.2020

Versicherte haben bei Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Krankengeld. Hat die Krankenkasse jedoch Zweifel, ob die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten weiterhin besteht, ist sie berechtigt, die gesundheitliche Situation des Versicherten zu prüfen. Zu diesem Zweck darf sie ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einholen (§ 275 SGB V). Die Stellungnahmen des MDK müssen jedoch fundiert und aussagekräftig sein. 

Einstellung des Krankengeldes

Wenn der MDK feststellt, dass der Versicherte wieder arbeitsfähig ist, darf die Krankenkasse die Zahlung des Krankengeldes einstellen. In der Praxis ist allerdings zu beobachten, dass der MDK mitunter nur oberflächlich arbeitet und lediglich kurze Vermerke oder Stellungnahmen nach Aktenlage erstellt, anstatt ein echtes Gutachten zu fertigen. Zum Teil erfolgen diese Stellungnahmen, ohne das der MDK den Patienten überhaupt gesehen, geschweige denn untersucht hat. Ein solches Vorgehen kann rechtswidrig sein. Jedenfalls ist ein kurzer Vermerk kein Gutachten im Sinne des Gesetzes und deshalb auch nicht geeignet, die Einstellung des Krankengeldes zu rechtfertigen. Ein Gutachten verlangt zumindest, dass der begutachtende Arzt sich mit den ihm bekannten Befunden und Diagnosen der behandelnden Ärzte auseinandersetzt, einen Bezug zum Leistungsvermögen des Versicherten herstellt und eine eigenständige Beurteilung abgibt. Die Richtigkeit der ärztlichen Äußerung muss überprüfbar sein. Eine Stellungnahme per Formular ist kein ärztliches Gutachten (Bundessozialgericht U. v. 07.08.1991 – 1/3 RK 26/90).

Widerspruch und Antrag auf einstweilige Anordnung

Liegen diese Voraussetzungen nicht vor und ist die Stellungnahme des MDK mangelhaft, kann gegen die Einstellung des Krankengeldes Widerspruch erhoben werden. Außerdem kann die Krankenkasse im Einzelfall durch eine einstweilige Verfügung des Sozialgerichts verpflichtet werden, die Zahlung des Krankengeldes vorläufig wieder aufzunehmen. Diese Option ist vor allem dann wichtig, wenn dem Versicherten keine anderen Einkünfte zur Verfügung stehen und er zur Sicherung des Lebensunterhalts auf Krankengeld angewiesen ist. 

Das Sozialgericht Hannover hat in einem von uns geführten Verfahren durch Beschluss vom 19.04.2017 entschieden, dass ein MDK-Gutachten, welches keine aktuellen Befunde und Diagnosen angibt, sondern auf frühere Erkrankungen abstellt, die nach Auswertung der Befundberichte der behandelnden Ärzte derzeit gar nicht mehr vorliegen, überhaupt keine Entscheidungsgrundlage darstellt. Die Krankenkasse wurde daher verpflichtet, das Krankengeld vorläufig weiterzuzahlen.

Das Sozialgericht entschied zudem, dass ein Krankengeldbezieher sich nicht auf Hartz-IV-Leistungen oder Sozialhilfe verweisen lassen muss. Denn das Krankengeld ist regelmäßig höher bemessen, als die Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII.

Sozialgericht Hannover – Beschluss vom 19.04.2017 – S 50 KR 216/17

Dieser Beitrag dient zur allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Eine individuelle Beratung wird dadurch nicht ersetzt. Jeder einzelne Fall erfordert fachbezogenen Rat unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände. Ohne detaillierte Beratung kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers.

Rechtsanwalt Peter Koch

Siegesstraße 2

30175 Hannover

Tel.: 0511/27 900 182

Fax: 0511/27 900 183

www.rkb-recht.de

koch@rkb-recht.de

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor

Gesamt:

Peter Koch
Rechtsanwalt • Fachanwalt für Sozialrecht
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Siegesstraße 2
30175 Hannover

Telefon: 0511/27 900 182


Honorar/Leistung: (0)
Erreichbarkeit: (0)
Verständlichkeit: (0)
Freundlichkeit: (0)
Diesen Rechtsanwalt bewerten
Vereinbaren Sie hier eine Rechtsberatung zum Artikel-Thema:
Kontaktieren Sie hier Fachanwalt Peter Koch:
* Pflichtfeld
Ja, ich willige ein, dass meine im „Kontaktformular“ eingetragenen personenbezogenen Daten zum Zwecke der Angebotsvermittlung per Fax und E-Mail an den zu kontaktierenden Anwalt übermittelt und gespeichert werden. Diese jederzeit widerrufliche Einwilligung sowie die Verarbeitung und Datenübermittlung durch Dritte erfolgen gem. unserer Datenschutzerklärung.
Kontaktieren
Weitere Artikel des Autors
Sozialrecht Rund ums Krankengeld: Nahtlose AU-Bescheinigungen bei Arbeitslosigkeit
09.09.2020

Der Anspruch auf Krankengeld entsteht gem. § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Um den Anspruch auf Krankengeld lückenlos zu sichern, müssen Versicherte daher spätestens am letzten Tag des laufenden Bezugszeitraums eine ärztliche Bescheinigung einholen, damit das Krankengeld nahtlos ab dem folgenden Tag weitergezahlt werden kann. Diese Rechtslage kann besonders schwerwiegende Folgen für Versicherte haben, die während einer Arbeitslosigkeit im Anschluss an eine Kündigung ihres Arbeitsvertrages Krankengeld erhalten. Denn grundsätzlich würde mit dem ... weiter lesen

Sozialrecht Krankengeld: Obliegenheiten bei befristeter Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit
09.09.2020

Der Anspruch auf Krankengeld entsteht von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Das gilt insbesondere dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit jeweils nur für befristete Zeiträume festgestellt wurde und in regelmäßigen Abständen neue AU-Bescheinigungen vorzulegen sind. Ohne rechtzeitige ärztliche Bescheinigung besteht kein Anspruch auf Krankengeld. Die Beibringung der AU-Bescheinigung ist eine Obliegenheit des Versicherten. Das Krankengeld wird für Kalendertage gezahlt. Ist es für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit dreißig Tagen ... weiter lesen

Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Sozialrecht Bundessozialgericht bestätigt: Keine Diskriminierung von Vätern bei Rentenpunkten

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass die automatische Zuordnung von Kindererziehungszeiten zu Müttern in der Rentenversicherung keine Diskriminierung von Männern darstellt (Az.: B 5 R 10/23 R ). Bundessozialgericht prüft Väter-Diskriminierung bei Kindererziehungszeiten Die standardmäßige Anerkennung von Kindererziehungszeiten bei der Mutter, wenn keine Einigung zwischen den Eltern erfolgt, wurde vom Bundessozialgericht überprüft. In diesem Fall befasste sich der 5. Senat mit der Frage, ob eine solche Regelung, wie sie in § 56 Absatz 2 Satz 9 SGB VI festgehalten ist, eine verfassungswidrige Benachteiligung von Vätern darstellt. Diese gesetzliche ... weiter lesen

Sozialrecht Verwaltungsgericht Aachen: Hautkrebs eines Polizisten keine Berufskrankheit

Das Verwaltungsgericht Aachen hat in seinem Urteil (Az.: 1 K 2399/23 ) die Hautkrebserkrankung eines ehemaligen Polizisten nicht als Berufskrankheit anerkannt. Polizist fordert Anerkennung von Hautkrebs als Berufskrankheit Ein langjähriger Polizeibeamter, der nahezu sein ganzes Berufsleben im Streifendienst verbrachte, forderte die Anerkennung seiner Hautkrebserkrankung als Berufskrankheit. Der Betroffene argumentierte, während seiner fast 46 Dienstjahre hauptsächlich im Freien tätig gewesen zu sein, ohne dass ihm Schutzmittel gegen UV-Strahlung zur Verfügung gestellt wurden oder auf die Wichtigkeit solcher Schutzmaßnahmen hingewiesen wurde. Aufgrund ... weiter lesen

Sozialrecht LSG-Urteil: Einzelfahrten von Fahrtrainern als Arbeitsunfall anerkannt

Im aktuellen Fall des Landessozialgerichts Baden-Württemberg wurde entschieden, dass die Erkundungsfahrt eines Fahrtrainers als Arbeitsunfall gilt (Az.: L 8 U 3350/22 ). Fahrtrainer-Unfall auf Erkundungsfahrt: Streit um Arbeitsunfall Ein selbständiger Motorrad-Fahrtrainer verletzte sich schwer, als er allein auf Erkundungsfahrt für ein bevorstehendes Training stürzte. Der Unfall ereignete sich 50 km entfernt von seinem Zuhause. Er argumentierte, dass die Fahrt zur Vorbereitung auf ein spezielles Training notwendig war, um die Straßenverhältnisse zu prüfen. Seine Unfallversicherung lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab, da sie die Fahrt als private ... weiter lesen

Sozialrecht Landessozialgericht entscheidet: Kein Unfallversicherungsschutz auf indirektem Arbeitsweg

Im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg wurde der Fall einer Klägerin behandelt, die auf einem Umweg zur Arbeit verunfallte und daher keinen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung hatte (Az.  L 10 U 3232/21 ). Mutter nach Umweg-Unfall ohne Versicherungsschutz Eine Frau begleitete ihre Tochter auf dem Schulweg zu einem Treffpunkt, der entgegengesetzt zu ihrer Arbeitsstelle lag. Nach diesem Umweg ereignete sich auf dem Weg zur Arbeit, jedoch noch vor dem Erreichen der direkten Route von ihrer Wohnung aus, ein Unfall, bei dem sie schwer verletzt wurde. Die gesetzliche Unfallversicherung lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ... weiter lesen

Ihre Spezialisten