Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in seinem Urteil vom 13. Februar 2025 klargestellt, dass die gesundheitliche Eignung eines Bewerbers für den Polizeidienst nur dann verneint werden kann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze eintreten wird.
Gesundheitliche Eignung im Polizeidienst und Vorerkrankungen: Hintergrund des Urteils
Der Fall betraf einen Bewerber für den Polizeidienst, der während seiner Ausbildung einen Schlaganfall erlitt, seine Ausbildung jedoch erfolgreich abschloss und alle sportlichen Anforderungen erfüllte. Das Land Rheinland-Pfalz verweigerte ihm dennoch die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe und berief sich auf das erhöhte Risiko eines erneuten Schlaganfalls. Das Hauptargument des Landes beruhte auf der Unvorhersehbarkeit gesundheitlicher Rückfälle und der damit verbundenen Gefahr, dass der Bewerber im aktiven Dienst ausfallen könnte.
Gerichtliche Auseinandersetzung
Während das Verwaltungsgericht Trier der Klage des Bewerbers stattgab, hob das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz diese Entscheidung auf. Es argumentierte, dass Polizeibeamte besonderen Anforderungen unterliegen und ein signifikant erhöhtes Gesundheitsrisiko eine Ablehnung rechtfertige. Trotzdem wurden keine konkreten Hinweise auf eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung des Bewerbers im täglichen Dienst festgestellt.
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
Das Bundesverwaltungsgericht (Az. 2 C 4.24) revidierte das Urteil des Oberverwaltungsgerichts und stellte klar, dass für die gesundheitliche Eignung derselbe Prognosemaßstab wie im allgemeinen Verwaltungsdienst gilt: Eine Dienstunfähigkeit muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (>50 %) eintreten. Da das festgestellte Risiko des Bewerbers bei rund 35 % lag, war eine Ablehnung nicht gerechtfertigt.
Das Urteil betonte, dass allein ein erhöhtes Risiko nicht automatisch zu einer Ablehnung führen dürfe. Entscheidend sei eine differenzierte Bewertung individueller Gesundheitsprognosen, um eine pauschale Benachteiligung von Bewerbern mit Vorerkrankungen zu vermeiden. Zudem wurde festgestellt, dass der Bewerber nachweislich gesundheitlich stabil war und keine akuten Einschränkungen vorlagen.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Einstellungspraxis in sicherheitsrelevanten Berufen. Dienstherren müssen individuelle Prüfungen durchführen und dürfen Bewerber nicht allein wegen eines erhöhten Gesundheitsrisikos ablehnen. Die Entscheidung stärkt damit die Chancengleichheit und verhindert Diskriminierung aufgrund von Vorerkrankungen.
Darüber hinaus verdeutlicht die Entscheidung des Gerichts, dass medizinische Bewertungen auf fundierten medizinischen Gutachten und nicht auf statistischen Wahrscheinlichkeiten beruhen müssen. Gerade in Berufen mit hohen Anforderungen an körperliche Leistungsfähigkeit stellt sich die Frage, inwieweit ein potenzielles Risiko eine Ablehnung rechtfertigen kann. Das BVerwG gibt mit diesem Urteil eine klare Linie vor: Solange die Dienstfähigkeit aktuell gegeben ist und keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Dienstunfähigkeit besteht, darf eine Ablehnung nicht erfolgen.
Ein weiterer Aspekt ist die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Vorerkrankungen. Das Urteil sendet ein Signal an öffentliche Arbeitgeber, verantwortungsvoll mit gesundheitlichen Risiken umzugehen und Bewerber mit Vorerkrankungen nicht voreilig auszuschließen. Vielmehr wird erwartet, dass individuelle Prüfungen durchgeführt und gegebenenfalls Kompensationsmöglichkeiten geprüft werden.
Tipp für Bewerber mit Vorerkrankungen
- Lassen Sie sich nicht von einer Vorerkrankung abschrecken.
- Bereiten Sie sich mit aktuellen medizinischen Gutachten auf das Auswahlverfahren vor.
- Kommunizieren Sie transparent Ihre gesundheitliche Leistungsfähigkeit.
- Ziehen Sie bei Bedarf rechtlichen Beistand hinzu, um Ihre Chancen auf eine faire Entscheidung zu erhöhen.
Zusammenfassung
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit dieser Entscheidung die Rechte von Bewerbern mit gesundheitlichen Vorerkrankungen gestärkt. Dienstherren müssen fundierte medizinische Prognosen zur Grundlage ihrer Entscheidungen machen und können nicht pauschal höhere Anforderungen an Polizeibewerber stellen. Gleichzeitig betont das Urteil die Notwendigkeit, transparente und faire Auswahlverfahren sicherzustellen.
Diese Entscheidung trägt dazu bei, ein gerechteres Auswahlverfahren für den Polizeidienst zu etablieren. Gerade in Zeiten, in denen Fachkräftemangel auch im öffentlichen Dienst eine Herausforderung darstellt, ist es von Bedeutung, dass Bewerber mit gesundheitlichen Einschränkungen nicht pauschal benachteiligt werden. Stattdessen sollte es Ziel sein, eine realistische und faire Einschätzung der individuellen Leistungsfähigkeit vorzunehmen.
Symbolgrafik:© EdNurg - stock.adobe.com