Steigern Sie Ihre Sichtbarkeit und gewinnen Sie mehr Mandate. Jetzt 1 Monat kostenlos testen!Pfeil rechtsPremiumeintrag jetzt kostenlos testenPfeil rechts

Grabpflegekosten mindern den Pflichtteil nicht

SternSternSternSternStern
(1 Bewertung)13.08.2024 Erbrecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 26. Mai 2021 (Az. IV ZR 174/20) eine für das Erbrecht bedeutende Entscheidung getroffen und eine lange streitige Frage geklärt. Dabei wurden zwei wesentliche Fragen zu den Kosten der Grabpflege geklärt, die insbesondere für Erbrechtspraktiker von großer Relevanz sind. Der BGH stellte klar, dass Grabpflegekosten keine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1968 BGB darstellen und somit den Pflichtteilsanspruch nicht mindern, selbst wenn der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung eine entsprechende Auflage zur Grabpflege an die Erben gerichtet hat.

Amtliche Leitsätze des Urteils:

  1. Grabpflegekosten sind keine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1968 BGB.
    Die Kosten für die Pflege und Instandhaltung einer Grabstätte sind nach Auffassung des BGH nicht mit den Beerdigungskosten gleichzusetzen, die gemäß § 1968 BGB zu den Nachlassverbindlichkeiten zählen. Beerdigungskosten umfassen lediglich die Kosten für den Bestattungsakt selbst, einschließlich der Errichtung einer dauerhaften Grabstätte. Die nachfolgende Pflege und Instandhaltung des Grabmals hingegen fallen nicht darunter, da sie keine rechtliche, sondern höchstens eine sittliche Verpflichtung des Erben darstellen.
  2. Eine in einer letztwilligen Verfügung enthaltene Auflage des Erblassers an die Erben zur Grabpflege führt nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteilsanspruchs.
    Auch wenn der Erblasser in seinem Testament festlegt, dass die Erben für die Grabpflege sorgen sollen, mindert dies den Pflichtteil eines Pflichtteilsberechtigten nicht. Der BGH betonte, dass der Pflichtteilsanspruch gegenüber Vermächtnissen und Auflagen vorrangig ist, wie es auch in § 1991 Abs. 4 BGB und § 327 Abs. 1 InsO verankert ist.

Die wesentlichen Entscheidungsgründe:

Der BGH stellte zunächst fest, dass die Grabpflegekosten nicht als Beerdigungskosten im Sinne von § 1968 BGB anzusehen sind. Laut dem Gericht umfassen die Beerdigungskosten nur die Ausgaben für den Bestattungsakt und die Errichtung einer dauerhaften Grabstätte. Die nachfolgende Pflege und Instandhaltung der Grabstätte und des Grabmals fallen jedoch nicht unter diese Definition. Diese Kosten entstehen nicht aus einer rechtlichen Verpflichtung, sondern allenfalls aus einer sittlichen Pflicht des Erben. Auch eine möglicherweise bestehende öffentlich-rechtliche Pflicht zur Grabpflege, wie sie in Friedhofssatzungen geregelt sein könnte, führt nicht zur Anerkennung dieser Kosten als Nachlassverbindlichkeiten. Solche Pflichten betreffen den Nutzungsberechtigten der Grabstätte, der nicht zwingend mit dem Erben identisch sein muss.

Wenn der Erblasser in seinem Testament Anordnungen zur Art und Umfang der Grabpflege trifft, könnte dies als Auflage gemäß §§ 1940, 2192 BGB oder als Zweckvermächtnis gemäß §§ 1939, 2156 BGB gewertet werden. Doch selbst wenn die Grabpflegekosten als Nachlassverbindlichkeiten in Form von Erbfallschulden anerkannt würden, könnten sie nicht gegen den Pflichtteilsanspruch geltend gemacht werden. Der Pflichtteilsanspruch bleibt gegenüber Vermächtnissen und Auflagen vorrangig. Dies ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung und ist in den entsprechenden Paragrafen des Bürgerlichen Gesetzbuches verankert.

Anmerkung von Fachanwalt für Erbrecht Mathias Nittel:

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht, dass Grabpflegekosten den Pflichtteil nicht mindern. Diese Kosten sind keine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1968 BGB und dürfen daher im Nachlassverzeichnis nicht als Nachlassverbindlichkeiten aufgenommen werden.  

Falls der Erblasser die Grabpflege in seiner Verfügung angeordnet hat, bleibt der Pflichtteilsanspruch dennoch unberührt, da dieser gegenüber Vermächtnissen und Auflagen stets Vorrang hat.

Praxistipp:

Wenn Sie sicherstellen möchten, dass die Grabpflege kostenmäßig berücksichtigt wird und gleichzeitig den Pflichtteil mindert, empfiehlt es sich, einen lebzeitigen (Treuhand-) Grabpflegevertrag abzuschließen. Durch einen solchen Vertrag kann eine Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erbfallschuld geschaffen werden, die dann tatsächlich auf den Pflichtteil angerechnet werden kann.

Diese Entscheidung des BGH verdeutlicht die Bedeutung einer klaren und durchdachten Nachlassplanung, insbesondere wenn es darum geht, Vermögenswerte und Verpflichtungen auf die Erben zu übertragen. Wer sicherstellen möchte, dass bestimmte Kosten, wie die der Grabpflege, im Rahmen der Nachlassverbindlichkeiten anerkannt werden, sollte frühzeitig juristischen Rat eines Fachanwalts für Erbrecht einholen und entsprechende vertragliche Vorkehrungen treffen.

Suchen Sie nach fachlich qualifizierter Unterstützung bei Ihrer Nachlassplanung? Als Fachanwalt für Erbrecht stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie mich für ein unverbindliches Erstgespräch.

Diesen Artikel bewerten:
Diesen Artikel teilen: Linkedin Xing X
Whatsapp
Facebook
Vereinbaren Sie hier eine Rechtsberatung zum Artikel-Thema

Kontaktieren Sie hier Fachanwalt Mathias Nittel

*Pflichtfelder
Weitere Artikel des Autors
LG Koblenz: Gericht bestätigt wirksame Schenkung von Sparguthaben
SternSternSternSternStern
(7 Bewertungen)09.08.2024Mathias NittelErbrecht
Herr  Mathias Nittel

Das Landgericht (LG) Koblenz hat am 4. Juni 2024 eine wichtige Entscheidung getroffen, die Klarheit für Verbraucher schafft, die Sparbücher als Schenkung erhalten haben. In einem aktuellen Fall ging es um die Schenkung von zwei Sparbüchern im Wert von über 92.000 Euro, die eine Frau von ihrem verstorbenen Bruder erhalten hatte. Der Kläger, ein Testamentsvollstrecker, verlangte die Herausgabe der Sparbücher und argumentierte, dass die Schenkung aufgrund fehlender Abtretungserklärungen und notarieller Beurkundung unwirksam sei. Das LG Koblenz hat die Klage jedoch abgewiesen und die Schenkung als wirksam bestätigt. Hintergrund des Falls Die Beklagte besaß zwei Sparbücher, die auf ihren verstorbenen Bruder lauteten. Der Testamentsvollstrecker forderte die Herausgabe der...

weiter lesen weiter lesen
Erbschaft und der letzte gewöhnliche Aufenthalt – deutsches oder polnisches Recht?
09.08.2024Mathias NittelErbrecht
Herr  Mathias Nittel

Wenn es um grenzüberschreitende Erbfälle geht, kann der gewöhnliche Aufenthaltsort des Erblassers eine entscheidende Rolle spielen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat jetzt klargestellt, welche Kriterien für die Bestimmung dieses Aufenthaltsortes maßgeblich sind, insbesondere bei Pflegebedürftigen, die ins Ausland gebracht wurden. Hier erfahren Sie, worauf Sie in solchen Fällen achten sollten. Was ist der „gewöhnliche Aufenthaltsort“ und warum ist er wichtig? Der gewöhnliche Aufenthaltsort einer Person ist in Erbsachen von zentraler Bedeutung, da er darüber entscheidet, welches Land und welches Rechtssystem für die Abwicklung des Nachlasses zuständig ist . Die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) regelt, dass die Gerichte des Landes...

weiter lesen weiter lesen

Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
OLG Celle: Falsche Angaben im Erbscheinverfahren haben finanzielle und strafrechtliche Folgen
06.03.2025Redaktion fachanwalt.deErbrecht
OLG Celle: Falsche Angaben im Erbscheinverfahren haben finanzielle und strafrechtliche Folgen

Das Oberlandesgericht Celle (Az.: 6 W 156/24 ) entschied am 09.01.2025, dass falsche eidesstattliche Angaben im Erbscheinverfahren nicht nur finanzielle, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Streit um Erbschein und falsche Angaben Nach dem Tod ihrer Mutter beantragte eine Frau einen Erbschein, um als Alleinerbin anerkannt zu werden. Zur Begründung legte sie ein Testament vor und versicherte eidesstattlich, dieses sei vollständig von der Mutter eigenhändig verfasst worden. Tatsächlich jedoch hatte die Tochter das Testament geschrieben, während die Mutter es lediglich unterschrieb.  Da ein wirksames eigenhändiges Testament vollständig vom Erblasser handschriftlich verfasst sein muss, war das Dokument unwirksam. Folglich trat die gesetzliche Erbfolge in Kraft, sodass die...

weiter lesen weiter lesen

OLG Zweibrücken: Anfechtung der Erbausschlagung nicht erfolgreich
23.12.2024Redaktion fachanwalt.deErbrecht
OLG Zweibrücken: Anfechtung der Erbausschlagung nicht erfolgreich

Das OLG Zweibrücken (Az. 8 W 102/23 ) entschied, dass eine Erbausschlagung nicht wegen Irrtums angefochten werden kann, wenn nur der Wert des Nachlasses falsch eingeschätzt wurde. Erblasserin hinterlässt Haus mit Grundschuld Die Erblasserin verstarb im Alter von 106 Jahren und hinterließ kein Testament. Sie lebte zuvor in einem Seniorenheim, dessen Kosten durch ein Darlehen der Kriegsopferfürsorge gedeckt wurden. Dieses Darlehen war durch eine Grundschuld auf ihr Haus abgesichert. Als gesetzliche Erben traten ihre Enkel und Urenkel in die Erbfolge ein. Eine Enkelin schlug die Erbschaft aus und begründete dies mit einer vermuteten Überschuldung des Nachlasses. Nach dem Verkauf des Hauses durch eine Nachlasspflegerin erfuhr die Enkelin von einem Bankguthaben und focht die Ausschlagung an, um sich als Miterbin...

weiter lesen weiter lesen
Erbschaftsausschlagung und Anfechtung bei Irrtum
SternSternSternSternStern
(1 Bewertung)02.09.2024Redaktion fachanwalt.deErbrecht
Erbschaftsausschlagung und Anfechtung bei Irrtum

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit einem aktuellen Beschluss entschieden, dass eine Erbschaftsausschlagung angefochten werden kann, selbst wenn der Erbe nicht alle möglichen Informationsquellen über die Zusammensetzung des Nachlasses genutzt hat. Dies gilt insbesondere, wenn der Erbe aufgrund einer Fehlvorstellung von einer Überschuldung ausgegangen ist. ( Az. 21 W 146/23 ) Erbschaftsausschlagung und die Rolle des Irrtums Eine Erbschaftsausschlagung kann unter bestimmten Umständen angefochten werden. Gemäß dem Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juli 2024 ist dies möglich, wenn ein Erbe seine Ausschlagungserklärung aufgrund eines Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses abgegeben hat (§ 119 BGB). Dies setzt jedoch voraus, dass der Irrtum für die...

weiter lesen weiter lesen

OLG Oldenburg bestätigt: Testament auf Kneipenblock rechtsgültig
SternSternSternSternStern
(2 Bewertungen)15.03.2024Redaktion fachanwalt.deErbrecht
OLG Oldenburg bestätigt: Testament auf Kneipenblock rechtsgültig

Ein ungewöhnlicher Testamentfall, verhandelt vom 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg unter dem Aktenzeichen 3 W 96/23 , hat für Aufsehen gesorgt: Ein Gastwirt aus dem Ammerland verfasste sein Testament auf einem Kneipenblock, welches von seiner Partnerin, die sich als Alleinerbin sah, beim Nachlassgericht zur Erteilung eines Erbscheins eingereicht wurde. Kneipenblock-Testament: Gericht zweifelt letzten Willen an Ein Gastwirt hinterließ nach seinem Ableben ein Testament, das auf einem im Gastraum gefundenen Kneipenblock notiert war. Darauf stand unter Datum und Unterschrift der Spitzname einer Person – „X“ – mit dem Vermerk „X bekommt alles“. Seine Lebensgefährtin, überzeugt, dass sie mit „X“ gemeint sei, strebte nach dem Erbschein. Das Amtsgericht Westerstede erkannte in dem...

weiter lesen weiter lesen

Icon Über den Autor

Mathias Nittel Premium
5,0 SternSternSternSternStern (4) Info Icon
Mathias Nittel
Rechtsanwalt Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Adresse Icon
Maximilianstraße 2
80539 München



Zum ProfilPfeil Icon Nachricht
Veröffentlicht von:
SternSternSternSternStern (4 Bewertungen)