Sozialrecht

Hartz IV: Muss Jobcenter für PC oder iPad eines Schülers aufkommen?

11.03.2019
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Zuletzt bearbeitet am: 07.09.2024

Nicht alle Eltern können ihrem Kind einen Computer oder Tablet zur Verfügung stellen. Das gilt besonders für Hartz IV-Empfänger. Unter Umständen muss das Jobcenter die Kosten hierfür übernehmen.

Da viele deutsche Schulen über keine hinreichende digitale Ausstattung mit Laptop, PC und Tablet verfügen, haben es insbesondere Kinder von Hartz IV Beziehern schwer. Denn ihren Eltern fällt es schwer, die hohen Kosten für ein neues Gerät in dreistelliger Höhe aufzubringen. Inwieweit der noch nicht endgültig umgesetzte Digitalpakt Schule eine Verbesserung bringt, bleibt abzuwarten. Umso interessanter ist die Frage, ob nicht das Jobcenter die Kosten hierfür übernehmen muss.

Jobcenter muss Kosten für Laptop einer Schülerin übernehmen

In einem aktuellen Fall hatte die Mutter einer Schülerin, die die 8. Klasse bei einer weiterführenden Schule besucht hatte, beim Jobcenter die Übernahme für den Kauf eines internetfähigen Laptops nebst Zubehör in Höhe von 600 Euro beantragt. Dabei hatte sie den Kostenvoranschlag eines Discounters vorgelegt. Doch das Jobcenter weigerte sich. Daraufhin legte die Hartz IV Empfängerin Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid ein. Doch dieser wurde zurückgewiesen.

Das Jobcenter berief sich darauf, dass es für die Übernahme der Computerkosten keine Anspruchsgrundlage gebe. Darüber hinaus habe die Mutter nicht hinreichend erläutert, weshalb sie wegen dem Unterricht unbedingt ihrem Kind einen eigenen Rechner kaufen muss. Schließlich argumentierte das Jobcenter damit, dass es eigentlich Aufgabe des Schulträgers sei, den Computer zu bezahlen. Hiergegen wehrte sich die Mutter erfolgreich durch eine Klage beim Sozialgericht.

Das Sozialgericht Gotha stellte mit Urteil vom 17.08.2018 – Az. S 26 AS 3971/17 klar, dass das Jobcenter die Kosten für den Kauf des Laptops in Höhe von 600 Euro vollständig übernehmen muss. Der Anspruch der Mutter ergibt sich nach Auffassung des Gerichtes aus § 21 Abs. 6 SGB II. Hiernach wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

Dass die Anschaffung des Laptops hier „unabweisbar“ ist, ergibt sich daraus, dass heutzutage der Besuch der „Mittelstufe“ einer weiterführenden Schule quasi nicht mehr möglich ist. Es wird selbstverständlich erwartet, dass Schüler ihre Referate und Seminararbeiten mit ihrem Computer anfertigen. Der Rechner wird auch für organisatorische Dinge wie das Bestellen des Mittagessens sowie die Kenntnis der täglichen aktualisierten Vertretungspläne benötigt. So etwas bedarf keiner näheren Erläuterung durch die Hartz-IV Empfängerin.

Ferner ist die Ansicht des Jobcenters, dass die Schule den Computer zur Verfügung stellen muss, nach Auffassung der Richter als „weltfremd“ anzusehen. Denn dies ist bei Schulen normalerweise nicht üblich. Darüber hinaus hätte das Jobcenter die Mutter konsequenterweise bei der Durchsetzung ihrer angeblichen Rechte gegenüber der Schule unterstützen müssen. Schließlich handelt es sich hierbei auch um einen laufenden Bedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II. Denn hier ist nicht maßgeblich, dass der Rechner nur einmal bezahlt werden muss. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, dass der Laptop für einen längeren Zeitraum von mehreren Jahren benötigt wird, um in der Schule mithalten zu können.

Diese ausführlich begründete Entscheidung des Sozialgerichtes Gotha ist mittlerweile rechtskräftig, weil das Jobcenter gegen das Urteil keine Berufung eingelegt hat.

Jobcenter muss Kosten für Computer einer Abiturientin übernehmen

In einem ähnlichen Sachverhalt besuchte eine Schülerin ein Gymnasium und wollte in zwei Jahren Abitur machen. Die Mutter beantragte beim Jobcenter die Übernahme der Kosten für ihre Tochter in Höhe von 350 Euro. Sie berief sich darauf, dass die Schule die Hausaufgaben ins Internet stellt. Die Schüler müssen sie dort herunterladen und nach Erledigung wieder hochladen. Darüber hinaus werden Lehrgänge komplett online angeboten. Doch das Jobcenter interessierte das wenig. Es lehnte den Antrag der Mutter ab und wies ihren Widerspruchsbescheid zurück. Angeblich gebe es für die Bewilligung keine Rechtsgrundlage.

Das Sozialgericht Cottbus sah das jedoch anders und gab ihrer Klage mit Urteil vom 13.10.2016 – Az. S 42 AS 1914/13 statt. Der Anspruch auf Bezahlung des Computers ergibt sich § 21 Abs. 6 SGB II. Die Richter begründeten dies damit, dass die Mutter den unabweisbaren Bedarf ausreichend dargelegt hatte. Nur durch einen eigenen ständig verfügbaren Computer ist sichergestellt, dass die Tochter erfolgreich am Unterricht teilnehmen kann. Ansonsten würde sie erheblich in ihren Bildungsmöglichkeiten beschnitten. Auf Grundlage der Zielsetzung kann diese Vorschrift nicht so verstanden werden, dass ein lang andauernder Bedarf nur vorliegt, wenn über einen bestimmten Zeitraum immer wieder Kosten anfallen. Vielmehr muss es bei einer längeren Nutzung auch ausreichen, wenn nur einmal Kosten anfallen. Dies ergibt sich aus einer verfassungskonformen Auslegung dieser Vorschrift.

Diese Entscheidung des Sozialgerichtes Cottbus ist ebenfalls rechtskräftig.

Jobcenter muss Kosten für iPad übernehmen

In einem weiteren Sachverhalt besuchte eine Schülerin die 6. Klasse einer weiterführenden Schule. Ihre Mutter, die Hartz IV bezog, beantragte beim Jobcenter die Übernahme der Kosten für den Kauf eines iPad in Höhe von 369,90 Euro. Sie begründete das damit, dass ihre Tochter den iPad für den Unterricht und das Anfertigen von Hausaufgaben benötigt. Die Mutter wies ferner darauf hin, dass die Schule keine iPods zur Verfügung stellt. Diese müssen vielmehr von den Schülern angeschafft werden. Nachdem das Jobcenter den Antrag abgelehnt und ein Widerspruch ebenfalls keinen Erfolg hatte, ging die Mutter hiergegen wegen der Eilbedürftigkeit im vorläufigen Rechtsschutz vor.

Das Sozialgericht Hannover verpflichtete das Jobcenter im Wege der einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 06.02.2018 - Az. S 68 AS 344/18 ER zur Übernahme der Kosten für den Kauf des iPad in vollständiger Höhe. Dieser Anspruch ergibt sich auch nach Ansicht des Sozialgerichtes Hannover aus § 21 Abs. 6 SGB II. Die Richter verwiesen darauf, dass die Anschaffung des iPads dringend erforderlich ist. Entscheidend ist, dass die Schule vorgegeben hat, dass dieses Gerät von den Schülern benutzt werden muss. Diese Anschaffung ist auch nicht mehr vom Regelbedarf umfasst. In diesem Zusammenhang kann die Mutter nicht auf die Möglichkeit von Ratenzahlungen verwiesen werden.

Fazit:

Aufgrund dieser Entscheidungen ist Hartz IV Beziehern anzuraten, dass sie beim Jobcenter Kostenübernahme beantragen, wenn etwa oder iPads im Schulunterricht benötigt werden. Bei Ablehnung sollte gegen den Bescheid ein Widerspruch eingelegt und auf diese Entscheidungen verwiesen werden. Bei Ablehnung ist eine Klage vor dem Sozialgericht zu erwägen. Dabei ist eine Rechtsberatung durch einen Fachanwalt für Sozialrecht im jeweiligen Einzelfall empfehlenswert, weil es hierzu noch keine höchstrichterliche Entscheidung gibt. Unter Umständen gibt es auch Hilfe durch gemeinnützige Organisationen bzw. Sozialverbände.

 

Autor: Harald Büring, Ass. jur. (Fachanwalt.de-Redaktion)

Foto: © superstars-for-you - Fotolia.com

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