Sozialrecht

Hartz-IV-Sätze reichen für Familien mit Kindern aus

Zuletzt bearbeitet am: 06.03.2024

Kassel (jur). Die Hartz-IV-Sätze für Familien mit Kindern sind nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) ausreichend. Die 2011 neu berechneten und leicht erhöhten Hilfeleistungen gewährleisten das menschenwürdige Existenzminimum und sind damit nicht verfassungswidrig, urteilte am Donnerstag, 28. März 2013, der 4. Senat des BSG in Kassel (Az.: B 4 AS 12/12 R). Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht lehnte der Senat ab.

Bereits am 12. Juli 2012 hatte der 14. BSG-Senat entschieden, dass die Hartz-IV-Sätze für Alleinstehende und deren Berechnung nicht zu beanstanden sind (Az.: B 14 AS 153/11 R; JurAgentur-Meldung vom 12. Juli 2012). Eine Überprüfung der von der schwarz-gelben Bundesregierung 2011 eingeführten Hartz-IV-Reform durch das Bundesverfassungsgericht sei nicht nötig. Dem schloss sich der 4. Senat nun an und entschied ergänzend, auch die Leistungen für Kinder und Jugendliche reichten aus.

Im jetzt entschiedenen Fall hatten Eltern und ihr zweijähriger Sohn geklagt. Die in Delmenhorst lebenden Hartz-IV-Bezieher hatten gerügt, dass die Hartz-IV-Leistungen auch nach der seit 2011 geltenden Hartz-IV-Reform immer noch nicht das menschenwürdige Existenzminimum decken und die einzelnen Bedarfe nicht korrekt ermittelt wurden. Damit habe der Gesetzgeber gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts verstoßen.

Die Karlsruher Richter hatten am 9. Februar 2010 die damalige Berechnung der Hartz-IV-Regelleistung als intransparent und verfassungswidrig eingestuft (Az.: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09). Der Gesetzgeber müsse nachbessern und insbesondere den Hilfebedarf für Kinder genau feststellen. Es dürfe nicht „ins Blaue hinein“ geschätzt werden, was Hilfebedürftige zum Leben benötigen.

Der Gesetzgeber hatte daraufhin den Bedarf von Hartz-IV-Beziehern neu bestimmt. Danach erhielten die erwachsenen Kläger als Eheleute 2011 monatlich 328 Euro (2013: 345 Euro). Dem zweijährigen Kind wurde ein Regelsatz von 215 Euro (2013: 224 Euro) bewilligt, abzüglich 184 Euro Kindergeld. Alleinstehende erhalten derzeit 384 Euro monatlich.

Schulpflichtige Kinder können zusätzlich zu ihrem Regelbedarf noch 100 Euro pro Jahr für Schulbedarf beanspruchen. Außerdem sind seit 2011 auch Leistungen für „Bildung und Teilhabe“ per Antrag möglich. Dabei können Kinder und Jugendliche monatlich weitere zehn Euro in Form eines Gutscheins erhalten. Damit soll dann beispielsweise ein Musikunterricht oder auch Vereinsbeiträge bezahlt werden.

Die klagende Familie rügte, dass die Hilfeleistungen dennoch nicht ausreichend seien. So seien zahlreiche Bedarfe aus dem pauschalierten Regelsatz gestrichen worden, beispielsweise Alkohol, Haustiere und Blumen. Damit werde es aber immer schwieriger, bei einzelnen, nicht in Anspruch genommenen Bedarfen zu sparen, um so mehr Geld für andere Dinge ausgeben zu können. Dabei werde dieser interne Ausgleich vom Bundesverfassungsgericht gefordert.

Auch der Bedarf für unter Sechsjährige sei nicht richtig bestimmt worden. So wurden in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe lediglich 237 Haushalte befragt. Statistisch sei dies aber nicht aussagekräftig. Dennoch habe der Gesetzgeber den Bedarf auf die rund 240.000 Haushalte mit unter sechsjährigen Kindern hochgerechnet.

Der 4. Senat des BSG ließ sich davon nicht überzeugen. Die Höhe der Hartz-IV-Sätze für Alleinstehende und für Familien sei nicht zu beanstanden. Diese seien „sachgerecht vertretbar“ ermittelt worden. Der Bedarf für den knapp zweijährigen Kläger sei nicht zu niedrig bemessen. Denn auch dieser könne Leistungen aus dem Teilhabepaket beanspruchen. Zusammen mit dem Regelbedarf werde das Existenzminimum gedeckt.

Auch wenn das BSG die Hartz-IV-Sätze für verfassungsgemäß hält, wird sich dennoch erneut das Bundesverfassungsgericht damit beschäftigen müssen. Denn das Sozialgericht Berlin hatte am 25. April 2012 in einer sogenannten Richtervorlage Karlsruhe um Prüfung der neuen Hartz-IV-Sätze gebeten (Az.: S 55 AS 9238/12; JurAgentur-Meldung vom 25. April 2012). Nach Überzeugung des Sozialgerichts ist die Regelleistung für einen Alleinstehenden um 36 Euro zu niedrig. Der Regelbedarf sei „auf Kante genäht“, also viel zu knapp bestimmt worden. Das Bundesverfassungsgericht will noch 2013 über die Richtervorlage entscheiden. Der Anwalt der Kläger aus Delmenhorst will eine Verfassungsbeschwerde prüfen.

Quelle:© www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Sozialrecht Widerspruch gegen die Krankenkasse – Ihre Rechte, wenn der Antrag auf Kostenübernahme abgelehnt wurde (inkl. Musterbrief als Vorlage)

Es gibt Leistungen, welche die Krankenkasse nur auf Antrag gewährt – beispielsweise Reha-Maßnahmen und Kuren. Wird ein entsprechender Antrag abgelehnt, besteht die Möglichkeit, Widerspruch gegen die Entscheidung der Krankenkasse einzulegen. Damit der Widerspruch erfolgreich ist, müssen ein paar Details beachtet werden.  Widerspruch gegen Krankenkasse einlegen – so gehen Sie vor Die Kostenübernahme der Reha-Maßnahme wird nicht bewilligt oder das Krankengeld wird eingestellt – Gründe für einen Widerspruch gegen die Krankenkasse gibt es zahlreiche. Grundsätzlich muss die Krankenkasse auf einen Antrag innerhalb von drei Wochen reagieren – wird ein ... weiter lesen

Sozialrecht Bundessozialgericht: Heizungsexplosion im Homeoffice gilt als Arbeitsunfall

Das Bundessozialgericht hat in einem aktuellen Urteil (Az.: B 2 U 14/21 R ) festgestellt, dass ein Busunternehmer, der im Homeoffice durch eine Explosion im Heizkessel verletzt wurde, unter dem Schutz der Unfallversicherung steht. Dieser Fall verdeutlicht die Anerkennung von Unfällen im Homeoffice als Arbeitsunfälle unter bestimmten Umständen. Unglück im Heizkeller während der Heimarbeit Der selbstständig tätige Busunternehmer, der gegenüber der zuständigen Berufsgenossenschaft pflichtversichert war, nutzte sein Wohnzimmer als Büro für die Erledigung von Geschäftsarbeiten. Nachdem er seine Kinder von der Schule abgeholt und seine Arbeit am Schreibtisch ... weiter lesen

Sozialrecht Polnische Pflegekräfte – wie können sie legal in Deutschland eingesetzt werden?

Im Alter, trotz Pflegebedürftigkeit, in den eigenen vier Wänden zu wohnen, wünschen sich wohl die meisten. Auf der Suche nach praktikablen Lösungen stoßen Angehörige und die Senioren selbst immer wieder auch auf unseriöse Anbieter polnischer Pflegekräfte. Doch welche legalen Möglichkeiten gibt es tatsächlich, um eine polnische Pflegekraft im eigenen Haushalt einzusetzen? „Schwarzarbeit“ ist selbstverständlich keine Option – es besteht ein hohes Risiko, Steuern und Sozialabgaben nachzahlen zu müssen. Es können Bußgelder verhängt werden und wenn dann auch noch Kranken- und Unfallversicherungen fehlen, können unkalkulierbare Kosten entstehen. Varianten der ... weiter lesen

Sozialrecht Krankenkassen müssen bei Systemversagen zahlen

In einer Entscheidung (Az.: L 5 KR 377/22 ) hat das Bayerische Landessozialgericht festgestellt, dass gesetzliche Krankenkassen auch die Kosten für die Konservierung von Keimzellen übernehmen müssen, wenn die Konservierung durch einen nicht zugelassenen, aber qualifizierten Leistungserbringer erfolgt und die Kassenärztliche Vereinigung keinen zugelassenen Anbieter nennen kann. Krankenkasse lehnt Kosten für dringende Keimzellkonservierung ab Im Jahr 2021 wurde ein junger Mann unerwartet mit einer Hodenkrebsdiagnose konfrontiert, die seine Zeugungsfähigkeit bedrohte. Kurz nach der Diagnosestellung und unmittelbar vor der notwendigen Operation, die seine Fähigkeit ... weiter lesen

Ihre Spezialisten