Kassel (jur). Die Hartz-IV-Sätze für Familien mit Kindern sind nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) ausreichend. Die 2011 neu berechneten und leicht erhöhten Hilfeleistungen gewährleisten das menschenwürdige Existenzminimum und sind damit nicht verfassungswidrig, urteilte am Donnerstag, 28. März 2013, der 4. Senat des BSG in Kassel (Az.: B 4 AS 12/12 R). Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht lehnte der Senat ab.
Bereits am 12. Juli 2012 hatte der 14. BSG-Senat entschieden, dass die Hartz-IV-Sätze für Alleinstehende und deren Berechnung nicht zu beanstanden sind (Az.: B 14 AS 153/11 R; JurAgentur-Meldung vom 12. Juli 2012). Eine Überprüfung der von der schwarz-gelben Bundesregierung 2011 eingeführten Hartz-IV-Reform durch das Bundesverfassungsgericht sei nicht nötig. Dem schloss sich der 4. Senat nun an und entschied ergänzend, auch die Leistungen für Kinder und Jugendliche reichten aus.
Im jetzt entschiedenen Fall hatten Eltern und ihr zweijähriger Sohn geklagt. Die in Delmenhorst lebenden Hartz-IV-Bezieher hatten gerügt, dass die Hartz-IV-Leistungen auch nach der seit 2011 geltenden Hartz-IV-Reform immer noch nicht das menschenwürdige Existenzminimum decken und die einzelnen Bedarfe nicht korrekt ermittelt wurden. Damit habe der Gesetzgeber gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts verstoßen.
Die Karlsruher Richter hatten am 9. Februar 2010 die damalige Berechnung der Hartz-IV-Regelleistung als intransparent und verfassungswidrig eingestuft (Az.: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09). Der Gesetzgeber müsse nachbessern und insbesondere den Hilfebedarf für Kinder genau feststellen. Es dürfe nicht „ins Blaue hinein“ geschätzt werden, was Hilfebedürftige zum Leben benötigen.
Der Gesetzgeber hatte daraufhin den Bedarf von Hartz-IV-Beziehern neu bestimmt. Danach erhielten die erwachsenen Kläger als Eheleute 2011 monatlich 328 Euro (2013: 345 Euro). Dem zweijährigen Kind wurde ein Regelsatz von 215 Euro (2013: 224 Euro) bewilligt, abzüglich 184 Euro Kindergeld. Alleinstehende erhalten derzeit 384 Euro monatlich.
Schulpflichtige Kinder können zusätzlich zu ihrem Regelbedarf noch 100 Euro pro Jahr für Schulbedarf beanspruchen. Außerdem sind seit 2011 auch Leistungen für „Bildung und Teilhabe“ per Antrag möglich. Dabei können Kinder und Jugendliche monatlich weitere zehn Euro in Form eines Gutscheins erhalten. Damit soll dann beispielsweise ein Musikunterricht oder auch Vereinsbeiträge bezahlt werden.
Die klagende Familie rügte, dass die Hilfeleistungen dennoch nicht ausreichend seien. So seien zahlreiche Bedarfe aus dem pauschalierten Regelsatz gestrichen worden, beispielsweise Alkohol, Haustiere und Blumen. Damit werde es aber immer schwieriger, bei einzelnen, nicht in Anspruch genommenen Bedarfen zu sparen, um so mehr Geld für andere Dinge ausgeben zu können. Dabei werde dieser interne Ausgleich vom Bundesverfassungsgericht gefordert.
Auch der Bedarf für unter Sechsjährige sei nicht richtig bestimmt worden. So wurden in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe lediglich 237 Haushalte befragt. Statistisch sei dies aber nicht aussagekräftig. Dennoch habe der Gesetzgeber den Bedarf auf die rund 240.000 Haushalte mit unter sechsjährigen Kindern hochgerechnet.
Der 4. Senat des BSG ließ sich davon nicht überzeugen. Die Höhe der Hartz-IV-Sätze für Alleinstehende und für Familien sei nicht zu beanstanden. Diese seien „sachgerecht vertretbar“ ermittelt worden. Der Bedarf für den knapp zweijährigen Kläger sei nicht zu niedrig bemessen. Denn auch dieser könne Leistungen aus dem Teilhabepaket beanspruchen. Zusammen mit dem Regelbedarf werde das Existenzminimum gedeckt.
Auch wenn das BSG die Hartz-IV-Sätze für verfassungsgemäß hält, wird sich dennoch erneut das Bundesverfassungsgericht damit beschäftigen müssen. Denn das Sozialgericht Berlin hatte am 25. April 2012 in einer sogenannten Richtervorlage Karlsruhe um Prüfung der neuen Hartz-IV-Sätze gebeten (Az.: S 55 AS 9238/12; JurAgentur-Meldung vom 25. April 2012). Nach Überzeugung des Sozialgerichts ist die Regelleistung für einen Alleinstehenden um 36 Euro zu niedrig. Der Regelbedarf sei „auf Kante genäht“, also viel zu knapp bestimmt worden. Das Bundesverfassungsgericht will noch 2013 über die Richtervorlage entscheiden. Der Anwalt der Kläger aus Delmenhorst will eine Verfassungsbeschwerde prüfen.
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