Saarbrücken (jur). Auch beim Verdacht besonders schwerer Straftaten dürfen saarländische Polizeibehörden nur eingeschränkt Telefon und Internet unbeteiligter Dritter mit überwachen. Nur wenn eine „spezifische individuelle Nähe des unbeteiligten Dritten zu der aufzuklärenden Gefahr“ und „ein deutlicher Bezug des Kontaktes zum Ermittlungsziel“ vorliegt, ist solch eine Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation nach der Saarländischen Verfassung zulässig, entschied der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes in einem am Montag, 2. Mai 2022, in Saarbrücken bekanntgegebenen Beschluss (Az.: Lv 1/21).
Vor Gericht waren ein Gebietsverband der „Jungen Liberalen Saar“ und drei seiner Mitglieder gezogen. Sie hielten das Saarländische Gesetz über die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Polizei für verfassungswidrig. Dieses erlaubt den saarländischen Polizeibehörden zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten auch die heimliche Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation von unbeteiligten Dritten, sogenannten Nichtstörern. Die Beschwerdeführer sahen darin einen Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis. Sie verlangten, die entsprechende Bestimmung für nichtig zu erklären.
Dem folgten die Verfassungsrichter zwar nicht. Das Gericht schränkte in seinem Beschluss vom 22. April 2022 die Überwachungsmöglichkeit unbeteiligter Dritter jedoch ein. Werde ein unbeteiligter Dritter mit überwacht, sei dies nur zulässig, wenn dieser eine individuelle Nähe zu der aufzuklärenden Gefahr aufweist. Es müsse ein deutlicher Bezug des Kontaktes zum Ermittlungsziel vorliegen. Zudem müsse die Überwachungsmaßnahme der Aufklärung einer Gefahr „dienlich“ sein.
Der Landesgesetzgeber habe zudem fehlerhaft auf die bundesweit geltende Strafprozessordnung verwiesen, die zur vorbeugenden Bekämpfung besonders schwerer Straftaten eine Überwachung von Personen erlaubt. So könne das Landesgesetz so verstanden werden, dass dieses auch dann gilt, wenn das Bundesgesetz sich möglicherweise geändert hat. Solch eine „dynamische“ Verweisung sei aber unzulässig. Vielmehr müsse die Landesbestimmung so ausgelegt werden, dass die Strafprozessordnung nur in der Fassung vom 6. Dezember 2020 in Bezug genommen werden kann. Bei einer Änderung des Bundesgesetzes müsse dann der Landesgesetzgeber ebenfalls seine Gesetze entsprechend anpassen.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Symbolgrafik:© photobyphotoboy - stock.adobe.com
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock