Kein gesetzlicher Anspruch auf „Hitzefrei“
Anders als in der Schule gibt es im Arbeitsleben kein allgemeines „Hitzefrei“. Arbeitnehmer dürfen nicht einfach wegen hoher Temperaturen der Arbeit fernbleiben – ein gesetzlich verbrieftes Recht darauf existiert nicht. Selbst eine offizielle Hitzewarnung berechtigt nicht dazu, ohne Absprache zu Hause zu bleiben. Wichtig: Ohne Zustimmung des Arbeitgebers eigenmächtig früher zu gehen oder nicht zur Arbeit zu erscheinen, kann arbeitsrechtliche Konsequenzen haben (von Abmahnung bis Kündigung).
Trotz fehlendem Hitzefrei-Anspruch sind Arbeitgeber nicht aus der Verantwortung entlassen. Sie haben eine Fürsorgepflicht: Arbeitsbedingungen müssen so gestaltet sein, dass die Gesundheit der Beschäftigten geschützt ist. § 618 BGB verpflichtet Arbeitgeber, Arbeitsräume so bereitzustellen und zu unterhalten, dass keine Gesundheitsgefahren für Mitarbeiter entstehen. Diese allgemeine Pflicht wird konkretisiert durch das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) samt zugehöriger technischer Regeln. So verlangt die ArbStättV im Anhang eine „gesundheitlich zuträgliche“ Raumtemperatur und wirksamen Sonnenschutz in Arbeitsräumen. Das bedeutet: Der Arbeitgeber muss Vorkehrungen treffen, damit Büroräume nicht zur Sauna werden – komplette Hitzefrei gibt es zwar nicht, aber es gelten Schutzregeln.
Temperaturgrenzen nach ASR A3.5 – ab 26 °C Maßnahmen, ab 30 °C Pflicht
Was genau „zuträgliche Temperatur“ heißt, regeln die Technischen Regeln für Arbeitsstätten, speziell die ASR A3.5 „Raumtemperatur“. Diese gibt Orientierungswerte vor, an denen sich Arbeitgeber halten müssen:
Bis 26 °C: Die Lufttemperatur in Arbeitsräumen soll maximal 26 °C betragen. Steigt draußen die Temperatur über 26 °C, soll der Arbeitgeber vorbeugende Maßnahmen ergreifen (z. B. früh lüften, Jalousien nutzen), um die Raumtemperatur in Schach zu halten.
Ab 30 °C: Überschreitet die Raumtemperatur 30 °C, muss der Arbeitgeber wirksame Gegenmaßnahmen zum Hitzeschutz treffen. Spätestens jetzt sind aktive Schritte verpflichtend, etwa Bereitstellung von Ventilatoren, Lockerung der Kleiderordnung oder flexible Arbeitszeiten.
Über 35 °C: Ab 35 °C Raumtemperatur gilt der Arbeitsraum ohne spezielle Schutzvorkehrungen als ungeeignet und darf so nicht mehr als Arbeitsplatz genutzt werden. Ohne Gegenmaßnahmen darf bei über 35 °C nicht weitergearbeitet werden. Der Arbeitgeber muss dann reagieren – zum Beispiel die Arbeit unterbrechen, in kühlere Bereiche verlegen oder technische/kühlende Maßnahmen einsetzen. Wichtig: Das heißt nicht automatisch bezahlte Freizeit für alle. Wenn möglich, wird die Arbeit fortgesetzt, sobald die Temperatur wieder unter die kritische Schwelle sinkt (etwa nach Lüften oder Abkühlung am Abend). Ein dauerhafter Arbeitsausfall soll vermieden werden.
Kein starres Gesetz, aber anerkannte Richtlinie: Die genannten Temperaturwerte 26/30/35 °C stehen so nicht wortwörtlich im Gesetz, sie stammen aus technischen Regelwerken. Rechtlich sind es anerkannte Richtlinien, die den „angemessenen“ Hitzeschutz konkretisieren. Ein festes Gesetz „ab 30 °C ist Arbeit verboten“ gibt es nicht – entscheidend ist immer, dass der Arbeitgeber zumutbaren Gesundheitsschutz gewährleistet. Die Behörden (z. B. Gewerbeaufsicht) können einschreiten, wenn gegen die ArbStättV verstoßen wird, etwa wenn Büros dauerhaft überhitzt sind und nichts unternommen wird.
Pflichten des Arbeitgebers bei Hitze
Steigen die Temperaturen, ist der Arbeitgeber in der Pflicht, aktiv für erträgliche Bedingungen zu sorgen. Konkret bedeutet das:
Gefährdungsbeurteilung: Arbeitgeber müssen bereits im Rahmen der Arbeitsschutzorganisation prüfen (§ 5 ArbSchG), ob Hitze ein Risiko darstellt, und Vorsorge treffen. In Betrieben, in denen es regelmäßig im Sommer sehr warm wird, sollte es einen Hitze-Notfallplan geben.
Ab 26 °C gegensteuern: Spätestens wenn es über 26 °C warm wird, muss der Arbeitgeber zum Schutz der Mitarbeiter gegensteuern. Einfaches Beispiel: Jalousien schließen, in den kühlen Morgenstunden lüften, Getränke bereitstellen.
Ab 30 °C handeln: Ab 30 °C Raumtemperatur darf der Arbeitgeber die Situation nicht einfach laufen lassen – jetzt sind verpflichtend Maßnahmen zu ergreifen. Was im Einzelfall geeignet ist, hängt von der Arbeit ab, aber irgendetwas muss getan werden, um die Belastung zu verringern.
Über 35 °C stoppen: Wird die kritische Marke von 35 °C (ohne Schutzmaßnahmen) erreicht, darf in diesem Raum nicht weitergearbeitet werden. Der Arbeitgeber muss dann eingreifen – z. B. die Arbeit dort vorübergehend einstellen, Beschäftigte in kühlere Bereiche versetzen oder spezielle Schutzmaßnahmen einsetzen. Weiterarbeiten lassen, als wäre nichts, wäre ein Verstoß gegen die ArbStättV.
Besondere Schutzgruppen: Für besonders gefährdete Beschäftigte muss der Arbeitgeber bei Hitze extra Sorge tragen. Schwangere oder stillende Mütter etwa haben Anspruch auf einen zumutbaren, gegebenenfalls kühleren Arbeitsplatz – notfalls ist bezahlte Freistellung geboten, wenn Arzt und Mutterschutzgesetz dies verlangen. Ähnliches gilt für Jugendliche, ältere Arbeitnehmer sowie für Beschäftigte mit schweren körperlichen Tätigkeiten oder Vorerkrankungen: Hier ist besondere Rücksicht Pflicht.
Typische Hitzeschutz-Maßnahmen: Es gibt eine Reihe von bewährten Schritten, die Arbeitgeber ergreifen können, um die Temperatur am Arbeitsplatz erträglicher zu machen. Zum Beispiel:
Sonnenschutz an Fenstern: Jalousien, Rollos oder Sonnenschutzfolien anbringen, um direkte Sonneneinstrahlung abzuhalten. Vorhandene Rollläden sollten effektiv genutzt werden (rechtzeitig schließen, eventuell über Nacht geschlossen lassen, damit die Morgenhitze gar nicht erst herein kommt).
Nachts/Morgens kühlen: In den kühlen Nacht- und Morgenstunden durchlüften, damit sich Büros und Hallen herunterkühlen, bevor die Arbeit beginnt. Falls möglich, kann eine automatische Lüftung frühmorgens die Räume auskühlen.
Ventilatoren oder Klimageräte: Technische Kühlung einsetzen, wo machbar – etwa Ventilatoren aufstellen oder mobile Klimageräte nutzen. Nicht jeder Arbeitsplatz hat eine fest installierte Klimaanlage, aber selbst mobile Ventilatoren können helfen (Vorsicht Zugluft – aber Verdunstungskühlung bringt Erleichterung).
Wärmequellen reduzieren: Unnötige Hitze im Büro vermeiden. Elektrische Geräte (Drucker, Kopierer, Beleuchtung) produzieren Wärme – diese sollte man ausschalten oder in kühlere Nebenräume verlagern, sofern nicht gebraucht.
Arbeitszeit anpassen: Arbeitszeiten flexibel gestalten, um der größten Hitze auszuweichen. Zum Beispiel früher anfangen und dafür am heißen Nachmittag früher Feierabend geben, oder eine längere Mittagspause („Siesta“) einlegen und abends länger arbeiten. Solche Änderungen müssen aber mit dem Betriebsrat abgestimmt werden (Mitbestimmung nach § 87 BetrVG).
Kleiderordnung lockern: Dresscode anpassen, soweit möglich. An sehr heißen Tagen sollte der Arbeitgeber z.B. Krawatten- oder Anzugpflicht aussetzen – Gerichte haben bestätigt, dass z.B. das Weglassen der Krawatte bei über 30 °C aus Gesundheitsgründen erlaubt sein muss. Natürlich dürfen aus Sicherheitsgründen vorgeschriebene Schutzkleidungen (Helm, Sicherheitsschuhe etc.) nicht abgelegt werden, aber wo es geht, ist leichtere, luftige Kleidung sinnvoll.
Getränke bereitstellen: Ab höheren Temperaturen muss der Arbeitgeber ausreichend Trinkwasser oder Erfrischungsgetränke gratis zur Verfügung stellen. Die Arbeitsstättenregel empfiehlt dies ab 26 °C und schreibt es ab 30 °C vor. Genug zu trinken hilft, Kreislaufprobleme zu vermeiden.
Zusätzliche Pausen: Bei großer Hitze sollten mehr Erholungspausen gewährt werden. Vor allem wer körperlich arbeitet oder im Freien tätig ist, braucht öfter kurze Unterbrechungen in kühlerer Umgebung. In extremer Hitze (>35 °C) können sogar spezielle „Hitzepausen“ nötig sein – in manchen Branchen (Gießerei, Stahlwerk) ist es üblich, regelmäßig für ein paar Minuten den heißen Arbeitsbereich zu verlassen, um sich abzukühlen.
Diese Liste ist nicht abschließend – jeder Betrieb muss je nach Umständen entscheiden, welche Kombination von Maßnahmen sinnvoll ist. Nichtstun ist keine Option: Spätestens ab deutlich über 30 °C Raumtemperatur muss der Arbeitgeber etwas unternehmen. Im Zweifel lieber früh und pragmatisch reagieren, bevor die Situation eskaliert.
Rechte der Arbeitnehmer bei Hitze
Auch Arbeitnehmer haben Rechte, wenn es im Büro oder Betrieb unerträglich heiß wird. Aber Vorsicht: Es besteht weiterhin Arbeitspflicht, solange der Arbeitgeber seine Schutzpflicht ernst nimmt. Eigenmächtige Arbeitsniederlegung wegen Hitze ist riskant und nur in absoluten Extremfällen gerechtfertigt. Folgende Rechte und Schritte stehen Beschäftigten zur Verfügung:
Beschwerderecht: Arbeitnehmer dürfen sich bei Vorgesetzten oder dem Betriebsrat über unzumutbare Hitze am Arbeitsplatz beschweren. Laut § 17 ArbSchG muss der Arbeitgeber solche Beschwerden prüfen und – falls berechtigt – Abhilfe schaffen. Wegen einer Hitze-Beschwerde darf niemand benachteiligt werden. Tipp: Meldet frühzeitig, wenn die Temperaturen kritisch werden, statt zu warten, bis es gar nicht mehr geht.
Betriebsrat einschalten: Gibt es einen Betriebsrat, kann dieser bei Hitzeschutz-Maßnahmen mitbestimmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Der Betriebsrat kann also Druck machen, dass z.B. Ventilatoren angeschafft oder Arbeitszeiten angepasst werden. Auch ein vorzeitiger Feierabend wegen Hitze unterliegt der Mitbestimmung (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG). Im Idealfall einigen sich Betriebsrat und Arbeitgeber in einer Betriebsvereinbarung auf konkrete Regeln für Hitzetage.
Arbeitsverweigerung als letztes Mittel: Nur in extremen Ausnahmefällen dürfen Arbeitnehmer die Arbeit vorübergehend verweigern, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Juristisch beruft man sich dann auf § 273 BGB (Zurückbehaltungsrecht). Voraussetzungen: Der Arbeitgeber hat seine Schutzpflicht schwer verletzt, die Temperaturen sind objektiv gesundheitsgefährdend (deutlich über 35 °C ohne Gegenmaßnahmen), und der Arbeitnehmer hat zuvor auf die unhaltbaren Zustände hingewiesen, ohne dass sich etwas getan hat. Nur dann darf man als ultima ratio sagen: „Ich arbeite erst weiter, wenn es hier wieder zumutbar ist.“ Sobald die Gefahr vorbei ist oder der Arbeitgeber Gegenmaßnahmen ergreift, muss die Arbeit fortgesetzt werden. Eine solche Selbstbeurlaubung aus Hitzegründen sollte gut überlegt, dokumentiert und angekündigt sein. Bei kurzfristigen Problemen (z.B. Klimaanlage fällt eine Stunde aus) wäre Arbeitsverweigerung überzogen und vertragswidrig. Experten raten: Dieses Mittel wirklich nur im echten Notfall nutzen – meist fährt man besser, erst das Gespräch zu suchen.
Eigeninitiative und Zusammenarbeit: Arbeitnehmer können auch selbst zur Linderung beitragen, soweit erlaubt. Zum Beispiel einen eigenen Ventilator oder Kühlschrank ans Arbeitszimmer stellen, für Trinkwasser sorgen oder Homeoffice vorschlagen. Viele Chefs zeigen sich kooperativ, denn wenn das Büro zur Sauna wird, leidet auch die Produktivität des Unternehmens. Ein offenes Gespräch mit dem Vorgesetzten führt oft zu pragmatischen Lösungen (etwa früher Feierabend oder temporär von zu Hause arbeiten, solange die Hitzewelle anhält).
Gesundheit geht vor: Sollte die Hitze bei einem Mitarbeiter akute gesundheitliche Probleme verursachen (Kreislaufkollaps, Kopfschmerzen, Übelkeit usw.), muss das ernst genommen werden. Man kann zum Betriebsarzt oder Hausarzt gehen. Stellt der Arzt fest, dass Arbeiten bei der Hitze unzumutbar ist, wird er einen krank schreiben – dann greift der normale Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall. Für Schwangere gilt: Attestiert der Arzt, dass die extreme Wärme Mutter oder Kind gefährdet, muss der Arbeitgeber sofort Schutz bieten (kühlerer Arbeitsplatz oder Freistellung).
Keine Selbstjustiz: Generell sollten Beschäftigte nicht einfach dem Arbeitsplatz fernbleiben, ohne etwas abzuklären. „Ohne Rücksprache einfach heimgehen, weil es so heiß ist, kann ein Eigentor sein“ – im schlimmsten Fall drohen Abmahnung oder Lohnverlust. Besser erst intern Druck machen (Beschwerde, Betriebsrat) und nur im äußersten Notfall die Arbeit niederlegen, wenn die Gesundheit ernsthaft auf dem Spiel steht.
Lohnfortzahlung bei Hitzefrei: Stellt sich die Frage nach der Bezahlung, falls wegen Hitze nicht gearbeitet wird. Grundsätzlich gilt im Arbeitsrecht „Ohne Arbeit kein Lohn“. Wenn der Arbeitnehmer eigenmächtig geht oder nicht arbeitet, hat er in der Regel keinen Anspruch auf Vergütung für die Ausfallzeit. Anders sieht es aus, wenn der Arbeitgeber die Arbeit stoppt (z.B. weil es zu heiß ist und er die Leute nach Hause schickt): Dann darf der Arbeitnehmer finanziell nicht der Leidtragende sein. Man spricht vom Betriebsrisiko des Arbeitgebers (§ 615 BGB) – muss der Betrieb wegen Hitze schließen oder erlässt der Chef Hitzefrei, bleibt der Lohnanspruch der Arbeitnehmer bestehen. Der Arbeitgeber kann dann nicht verlangen, dass die ausgefallene Zeit nachgearbeitet wird. Faustregel: Veranlasst der Chef das Hitzefrei, gibt’s Gehalt; geht der Arbeitnehmer auf eigene Faust, riskiert er Gehaltseinbußen. Auch wenn Kinder Hitzefrei in der Schule haben, begründet das keinen bezahlten Freistellungsanspruch der Eltern – zur Not müssen Urlaub oder eine unbezahlte Freistellung vereinbart werden.
Praktische Handlungsempfehlungen für beide Seiten
Zum Schluss einige Tipps, damit Arbeitgeber und Arbeitnehmer gut durch heiße Tage kommen:
Für Arbeitgeber:
Vorbeugend planen: Bereits vor dem Sommer einen Hitzeschutz-Plan entwickeln. Dazu gehören technische Maßnahmen (Ventilatoren oder Klimageräte beschaffen, Jalousien warten) und organisatorische Vorkehrungen (vielleicht Sommer-Gleitzeitregelungen vereinbaren). In der vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung sollte das Thema Hitze bedacht werden.
Offen kommunizieren: Bei Hitzewellen frühzeitig mit den Mitarbeitern reden. Zum Beispiel ankündigen: „Bitte trinken Sie genug – wir stellen Wasser bereit“ oder „Ab morgen dürft ihr ohne Krawatte kommen“. Die Belegschaft sollte auch wissen, an wen sie sich bei Problemen wenden kann. Transparenz zeigt, dass der Arbeitgeber die Situation ernst nimmt.
Proaktiv handeln: Arbeitgeber sollten nicht erst auf Beschwerden warten, sondern selbständig Maßnahmen umsetzen, sobald die Temperaturen steigen. Einfach morgens lüften, Wasser anbieten, Büros früher schließen oder ähnliches – viele kleine Schritte können viel ausmachen. Wichtig ist, die Schwellen (26/30/35 °C) im Blick zu behalten und spätestens ab 30 °C aktiv zu werden.
Betriebsrat einbeziehen: Gibt es einen Betriebsrat, diesen früh ins Boot holen. Gemeinsam kann man vielleicht eine Betriebsvereinbarung „Umgang mit Sommerhitze“ abschließen, die festlegt, ab welchen Temperaturen welche Maßnahmen greifen (z.B. Kleiderordnung lockern, Extra-Pausen, Schichtverschiebungen). Das sorgt für klare Verhältnisse und verhindert Streit.
Flexibel sein: Zeigen Sie Kulanz und Flexibilität. Kein Mitarbeiter „schwänzt“ ohne Grund – wenn jemand bei 35 – 38 °C im Büro vorschlägt, lieber im Homeoffice zu arbeiten oder früher Schluss zu machen, prüfen Sie das wohlwollend. Etwas Entgegenkommen steigert die Motivation und Produktivität: Wer fast kollabiert, arbeitet ohnehin nicht effizient weiter. Vertrauensarbeitszeit, kurzfristiges Homeoffice oder das Abbummeln von Überstunden können Win-Win-Lösungen sein.
Für Arbeitnehmer:
Auf den Körper achten: Trinken Sie ausreichend Wasser und legen Sie regelmäßige kleine Pausen ein. Auch wenn der Chef Getränke bereitstellen sollte – bringen Sie notfalls selbst etwas mit. Gehen Sie bei Pausen an kühlere Orte (z.B. Schatten, Fenster). Achten Sie auf Kollegen, denen es schlecht wird.
Kleidung anpassen: Nutzen Sie den Spielraum bei der Kleidung. Wenn kein Kundenkontakt besteht, tragen Sie leichte, atmungsaktive Sachen. Fragen Sie im Zweifel, ob zum Beispiel kurzärmelige Hemden statt Anzug in Ordnung sind. Bei vorgeschriebener Uniform oder Schutzausrüstung helfen vielleicht Funktionsshirts unter der Kleidung, um Schweiß besser aufzusaugen. Achtung: Sicherheitsvorschriften (Helm, Sicherheitsschuhe etc.) haben immer Vorrang, auch bei Hitze.
Frühzeitig Probleme melden: Warten Sie nicht, bis Sie fast ohnmächtig am Schreibtisch sitzen. Informieren Sie Ihren Vorgesetzten rechtzeitig, dass die Temperatur kritisch wird. Oft lassen sich kleine Dinge sofort ändern (Fenster auf, Ventilator holen). Dokumentieren Sie ggf. für sich, wie heiß es war und wann Maßnahmen (nicht) ergriffen wurden – so haben Sie Anhaltspunkte, falls Sie das Thema später nochmal ansprechen müssen.
Betriebsrat einschalten: Wenn der Arbeitgeber auf Ihre Beschwerden nicht reagiert, ziehen Sie den Betriebsrat hinzu (sofern vorhanden). Dieser hat ein Mitbestimmungsrecht beim Gesundheitsschutz und kann Ihrem Anliegen mehr Gewicht verleihen. Gemeinsam lässt sich meist Druck machen, damit etwas geschieht.
Keine Alleingänge ohne Not: Verlassen Sie nicht einfach heimlich den Arbeitsplatz, nur weil es zu heiß ist. Wenn Sie die Situation gesundheitlich gar nicht mehr tolerieren, melden Sie sich sofort bei Vorgesetzten oder der Personalabteilung und schildern die Symptome. Im Ernstfall können Sie sich krankmelden – aber „ins Blaue hinein“ eigenmächtig die Arbeit abzubrechen, kann böse enden. Bedenken Sie, dass Sie im Zweifel nachweisen müssen, dass die Hitze unzumutbar war. Nutzen Sie dieses Mittel nur, wenn akute Gesundheitsgefahr besteht – und am besten erst, nachdem Sie alle anderen Schritte (Beschwerde, Betriebsrat, Arzt) ausgeschöpft haben.
FAQ: Häufige Fragen zum „Hitzefrei“ im Arbeitsrecht
Dürfen Beschäftigte ab 30 °C im Büro einfach früher gehen? – Nein. Es gibt kein automatisches Recht, bei 30 °C den Feierabend vorzuverlegen. Zwar müssen ab rund 30 °C vom Arbeitgeber Schutzmaßnahmen ergriffen werden, aber ohne Absprache oder Regelung kann man nicht einfach um 14 Uhr den Stift fallen lassen. Ein vorzeitiges Gehen ist allenfalls möglich, wenn der Arbeitgeber zustimmt (z. B. durch Gleitzeitregelungen oder individuelle Absprachen).
Ist Arbeiten bei über 35 °C verboten? – Im Grunde ja, aber nicht pauschal. Über 35 °C Raumtemperatur darf ohne spezielle Schutzmaßnahmen nicht mehr gearbeitet werden. Der Arbeitgeber muss dann Maßnahmen treffen oder die Mitarbeiter in einen kühleren Bereich versetzen. Das heißt jedoch nicht, dass automatisch alle frei haben: Gibt es alternative Tätigkeiten oder Abkühlmöglichkeiten, muss nicht der ganze Betrieb schließen. Ein allgemeines Gesetz „Über 35 °C muss der Betrieb dichtmachen“ gibt es nicht – aber praktisch ist normales Arbeiten jenseits dieser Grenze nur mit Hilfsmitteln zulässig.
Muss der Arbeitgeber Ventilatoren oder eine Klimaanlage bereitstellen? – Nicht zwingend im Einzelfall. Der Arbeitgeber muss geeignete Maßnahmen ergreifen, aber er entscheidet, welche – notfalls in Abstimmung mit dem Betriebsrat. Beschäftigte haben keinen Anspruch auf eine konkrete Maßnahme wie „Ich will einen eigenen Ventilator“, solange der Arbeitgeber andere wirksame Schritte unternimmt (z. B. nächtliches Lüften, Lockerung der Kleiderordnung). Wichtig ist, dass überhaupt etwas getan wird. Versäumt der Arbeitgeber jegliche Abhilfe und das Klima ist gesundheitsgefährdend, können Mitarbeiter natürlich weitere Schritte einleiten (Beschwerde, Aufsicht informieren etc.).
Wenn Schüler Hitzefrei haben, dürfen berufstätige Eltern dann auch zu Hause bleiben? – Nein, nicht automatisch. Hitzefrei in Schulen ist eine schulinterne Regel, aber kein persönlicher Verhinderungsgrund im arbeitsrechtlichen Sinne. Das Wetterproblem des Kindes überträgt sich nicht als Anspruch auf bezahlte Freistellung für die Eltern. Viele Arbeitgeber zeigen zwar Verständnis und ermöglichen spontan Urlaub oder das Abfeiern von Überstunden – ein rechtlicher Anspruch darauf besteht jedoch nicht. Eltern sollten für solche Fälle vorsorgen (z. B. Gleitzeitguthaben nutzen oder Homeoffice-Möglichkeiten absprechen).
Gibt es Lohn, wenn wegen Hitze nicht gearbeitet wird? – Ja, wenn der Arbeitgeber den Ausfall zu vertreten hat. Fällt die Arbeit wegen großer Hitze aus und schickt der Arbeitgeber die Mitarbeiter nach Hause, behalten Arbeitnehmer in der Regel ihren Lohnanspruch (Betriebsrisiko des Arbeitgebers nach § 615 BGB). Geht ein Arbeitnehmer dagegen eigenmächtig aufgrund der Hitze, fällt der Lohn für diese Zeit normalerweise weg. Hitze am Arbeitsplatz zählt nicht als „höhere Gewalt“, sondern als Risiko, das der Arbeitgeber durch vorausschauenden Schutz beherrschen muss. Daher darf der Chef bei Hitzefrei nicht einfach den Lohn kürzen – umgekehrt riskiert ein Arbeitnehmer ohne Absprache seinen Vergütungsanspruch.
Ein schulisches Hitzefrei gibt es im Arbeitsrecht nicht – stattdessen greifen abgestufte Schutzpflichten. Arbeitgeber sind angehalten, alles Zumutbare zu tun, um die Gesundheit der Beschäftigten bei Sommerhitze zu schützen. Arbeitnehmer müssen grundsätzlich weiterarbeiten, dürfen und sollen aber natürlich auf ihr Wohl achten. Im Idealfall begegnen sich beide Seiten mit Verständnis und Flexibilität: Wenn Arbeitgeber präventiv handeln und entgegenkommend reagieren und Arbeitnehmer offen kommunizieren und umsichtig bleiben, kommt man auch durch die heißesten Tage, ohne dass die Stimmung – oder jemand – im Büro kippt.
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. jur. Jens Usebach LL.M. von der Kanzlei JURA.CC ist auf das Kündigungsschutzrecht im Arbeitsrecht spezialisiert.
Er berät und vertritt sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber bei der Gestaltung und Verhandlung von Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen.
Kommt es zu einer Kündigung, übernimmt er – falls erforderlich – auch die gerichtliche Vertretung im Rahmen einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht. Ziel ist dabei stets eine interessengerechte Lösung: Für Arbeitnehmer kann dies etwa die Durchsetzung einer angemessenen Abfindung, ein wohlwollendes Arbeitszeugnis oder die Rücknahme der Kündigung und Weiterbeschäftigung sein; Arbeitgeber unterstützt er bei rechtssicheren Kündigungen, der Vermeidung langwieriger Prozesse und der Gestaltung von fairen Einigungen.
Mehr Informationen unter www.JURA.CC oder telefonisch unter 0221-95814321