Luxemburg (jur). EU-Mitgliedstaaten dürfen festlegen, dass Hochschulstudienprogramme nur in der geltenden Amtssprache unterrichtet werden. Ist solch eine Regelung zum Schutz der nationalen Identität begründet und verhältnismäßig, ist dies mit EU-Recht und insbesondere der Niederlassungsfreiheit vereinbar, urteilte am Mittwoch, 7. September 2022, die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg zu entsprechenden Vorschriften in Lettland (Az.: C-391/20).
In Lettland sind staatliche und private Hochschulen gesetzlich verpflichtet, Studienprogramme ausschließlich in lettischer Sprache zu unterrichten. Es gibt hiervon allerdings auch Ausnahmen, etwa für ausländische Studierende, für das Studium fremder Sprachen oder auch für gemeinsame Studienprogramme. Zwei private Hochschuleinrichtungen, die besonderen Gesetzen unterliegen, sind von der Pflicht, lettisch im Unterricht zu sprechen, ebenfalls ausgenommen.
Zwanzig Mitglieder des lettischen Parlaments hielten die Vorschriften des Hochschulgesetzes für verfassungswidrig.
Das lettische Verfassungsgericht legte das Verfahren dem EuGH vor und wollte wissen, ob die Sprachvorgabe mit EU-Recht und insbesondere der Niederlassungsfreiheit vereinbar sei. Das Erfordernis, die Amtssprache bei Hochschulstudienprogrammen sprechen zu müssen, könne für Bürger aus anderen EU-Staaten wenig attraktiv sein.
Der EuGH betonte, dass die Zuständigkeit für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems und der beruflichen Bildung in der Zuständigkeit der jeweiligen Mitgliedstaaten liege. Dennoch müssen dabei das EU-Recht und insbesondere die Bestimmungen der Niederlassungsfreiheit beachtet werden.
Dies sei hier der Fall. Zwar werde die Niederlassungsfreiheit beschränkt. Lettland verfolge mit dem Erfordernis, die Amtssprache in Hochschulstudienprogrammen sprechen zu müssen, aber ein „legitimes Ziel“. Es solle die nationale Identität geschützt werden. „Die Union achtet nämlich die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten, zu der auch der Schutz der Amtssprache des betreffenden Mitgliedstaats gehört“, erklärte der EuGH.
Die Verpflichtung zum Unterrichten in der Amtssprache müsse aber erforderlich und verhältnismäßig sein. Hierbei müssten auch Ausnahmen vom Gebrauch der Amtssprache festgelegt werden. Dies gelte zumindest „für Studiengänge im Rahmen einer europäischen oder internationalen Zusammenarbeit und für Studiengänge, die sich auf die Kultur und auf andere Sprachen als die lettische Sprache beziehen.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock