Sigmaringen (jur). Über 60 Jahre alten Mieter können bei einem Wohngeldantrag auf ein höheres Schonvermögen pochen. Das Wohngeld darf nicht pauschal verweigert werden, wenn die betroffenen Personen noch über ein Vermögen von bis zu 86.920 Euro verfügen, entschied das Verwaltungsgericht Sigmaringen in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 23. November 2022 (Az.: 7 K 3042/21). Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließ das Verwaltungsgericht die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim zu.
Im konkreten Fall hatte der heute 69-jährige Kläger am 30. September 2020 einen Wohngeldantrag bei der Stadt Tübingen gestellt. Der Mann gab an, dass er über ein Vermögen von 82.442 Euro verfügt und monatliche Rentenzahlungen von insgesamt rund 550 Euro bezieht.
Die Stadt lehnte den Wohngeldantrag ab, da er ein Vermögen von mehr als 60.000 Euro habe. Das Wohngeldgesetz sehe eine Inanspruchnahme von Wohngeld bei hohem Vermögen als missbräuchlich an.
Den daraufhin eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Tübingen zurück. Zwar habe der Gesetzgeber davon abgesehen, einen konkreten Wert zu benennen, ab wann ein zu hohes Vermögen vorliegt. Erhebliches verwertbares Vermögen sei aber regelmäßig anzunehmen, wenn es die Summe von 60.000 Euro übersteigt.
Ohne Erfolg verwies der Rentner darauf, dass er nur insgesamt 550 Euro Rente erhalte, er bei sparsamer Lebensführung zur Sicherung seines Existenzminimums aber monatlich 950 Euro benötige. Ohne das Wohngeld sei er von einer jährlichen Vermögensminderung von insgesamt 5.000 Euro betroffen. Das Wohngeld könne den Zeitpunkt hinauszögern, zu dem er später voraussichtlich auf Altersgrundsicherung angewiesen sein wird.
Die Vermögensgrenze von 60.000 Euro gehe zudem auf frühere gesetzliche Bestimmungen im Vermögensteuergesetz zurück, so der Rentner. Wohngeld wurde versagt, wenn Vermögensteuer zu entrichten war. Für Menschen, die das 60. Lebensjahr überschritten haben, sei jedoch ein höheres Schonvermögen von 170.000 Mark (86.920 Euro) vorgesehen gewesen. Dies müsse auch heute noch als Orientierungswert beim Wohngeld gelten.
Das Verwaltungsgericht stimmte dem zu. Der Kläger habe Anspruch auf Wohngeld, da er „nicht über ein zu hohes schädliches Vermögen verfügt“. Nach den gesetzlichen Bestimmungen verbiete sich sogar eine pauschale und starre Vermögensgrenze. Maßgeblich seien die individuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Beurteilung, wann ein zu hohes Vermögen vorliegt.
Allerdings seien die früheren Regelungen, die bei über 60-Jährigen von einem erhöhten Schonvermögen bis umgerechnet 86.920 Euro ausgegangen waren, auch auf das aktuelle Wohngeldrecht als Orientierungswert übertragbar. Hier habe der Kläger diesen Orientierungswert unterschritten. Über erhebliches Vermögen habe er bei Antragstellung daher nicht verfügt.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock