Sozialrecht

Hoher Säumniszuschlag in privater Pflichtkrankenversicherung bleibt

Zuletzt bearbeitet am: 06.01.2024

Karlsruhe (jur). Der hohe Säumniszuschlag in der privaten Pflichtkrankenversicherung bleibt weiter bestehen. Mit einem am Freitag, 20. Mai 2022, veröffentlichten Beschluss wies das Bundesverfassungsgericht eine Vorlage des Amtsgerichts Wiesbaden hierzu als unzulässig ab (Az.: 2 BvL 1/22). Das Amtsgericht habe seine verfassungsrechtlichen Bedenken nicht ausreichend begründet und sei insbesondere nicht auf Besonderheiten der privaten Krankenversicherung (PKV) eingegangen, die den hohen Zuschlag rechtfertigen könnten.

Für Zahlungsrückstände in der PKV wird ein Säumniszuschlag von 1 Prozent je angefangenem Monat fällig. Säumige Steuerzahler mussten früher einen Säumniszuschlag von 0,5 Prozent pro Monat zahlen. Vor dem Hintergrund anhaltend niedriger Zinsen hatte das Bundesverfassungsgericht dies als zu hoch verworfen (Beschluss vom 8. Juli 2021, Az.: 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17; JurAgentur-Meldung vom 18. August 2021).

Das Amtsgericht Wiesbaden meinte, dies müsse dann auch für Pflichtversicherte in der PKV gelten. Andernfalls bestehe eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gegenüber säumigen Steuerzahlern.

Das Bundesverfassungsgericht wies die Vorlage nun jedoch als unzulässig zurück. Das Amtsgericht habe nicht dargelegt, inwieweit die Situation von Steuerschuldnern und Beitragsschuldnern der PKV tatsächlich vergleichbar sind. 

In der PKV solle der Säumniszuschlag nicht nur die Zinsvorteile einer verspäteten Zahlung abschöpfen, sondern habe vorrangig auch eine strafende Funktion. Anders als das Finanzamt könnten daher private Krankenversicherer auf den Zuschlag verzichten, wenn der Schuldner keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.

Zudem müssten die privaten Versicherer faktische Nichtzahler in einem Notlagentarif weiterversichern. Daher bestehe ein hohes Interesse der Versicherer und letztlich der gesamten Versichertengemeinschaft, säumige Versicherte zur Erfüllung ihrer Beitragspflichten anzuhalten.

Der Notlagentarif wurde 2013 vor dem Hintergrund hoher Beitragsschulden in der PKV eingeführt. Er bietet einen verringerten Schutz für nur 100 bis 125 Euro pro Monat. Dies soll eine Rückzahlung bestehender Beitragsschulden ermöglichen.

Der jetzt schriftlich veröffentlichte Karlsruher Beschluss vom 4. Mai 2022 bedeutet nicht, dass das Bundesverfassungsgericht den hohen Säumniszuschlag für verfassungsgemäß hält. Die Karlsruher Richter sehen dafür offenbar durchaus mögliche Gründe, haben letztlich aber nicht darüber entschieden.

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Symbolgrafik:© M.Schuppich - stock.adobe.com

Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Sozialrecht Widerspruch gegen die Krankenkasse – Ihre Rechte, wenn der Antrag auf Kostenübernahme abgelehnt wurde (inkl. Musterbrief als Vorlage)

Es gibt Leistungen, welche die Krankenkasse nur auf Antrag gewährt – beispielsweise Reha-Maßnahmen und Kuren. Wird ein entsprechender Antrag abgelehnt, besteht die Möglichkeit, Widerspruch gegen die Entscheidung der Krankenkasse einzulegen. Damit der Widerspruch erfolgreich ist, müssen ein paar Details beachtet werden.  Widerspruch gegen Krankenkasse einlegen – so gehen Sie vor Die Kostenübernahme der Reha-Maßnahme wird nicht bewilligt oder das Krankengeld wird eingestellt – Gründe für einen Widerspruch gegen die Krankenkasse gibt es zahlreiche. Grundsätzlich muss die Krankenkasse auf einen Antrag innerhalb von drei Wochen reagieren – wird ein ... weiter lesen

Sozialrecht Bundessozialgericht: Heizungsexplosion im Homeoffice gilt als Arbeitsunfall

Das Bundessozialgericht hat in einem aktuellen Urteil (Az.: B 2 U 14/21 R ) festgestellt, dass ein Busunternehmer, der im Homeoffice durch eine Explosion im Heizkessel verletzt wurde, unter dem Schutz der Unfallversicherung steht. Dieser Fall verdeutlicht die Anerkennung von Unfällen im Homeoffice als Arbeitsunfälle unter bestimmten Umständen. Unglück im Heizkeller während der Heimarbeit Der selbstständig tätige Busunternehmer, der gegenüber der zuständigen Berufsgenossenschaft pflichtversichert war, nutzte sein Wohnzimmer als Büro für die Erledigung von Geschäftsarbeiten. Nachdem er seine Kinder von der Schule abgeholt und seine Arbeit am Schreibtisch ... weiter lesen

Sozialrecht Polnische Pflegekräfte – wie können sie legal in Deutschland eingesetzt werden?

Im Alter, trotz Pflegebedürftigkeit, in den eigenen vier Wänden zu wohnen, wünschen sich wohl die meisten. Auf der Suche nach praktikablen Lösungen stoßen Angehörige und die Senioren selbst immer wieder auch auf unseriöse Anbieter polnischer Pflegekräfte. Doch welche legalen Möglichkeiten gibt es tatsächlich, um eine polnische Pflegekraft im eigenen Haushalt einzusetzen? „Schwarzarbeit“ ist selbstverständlich keine Option – es besteht ein hohes Risiko, Steuern und Sozialabgaben nachzahlen zu müssen. Es können Bußgelder verhängt werden und wenn dann auch noch Kranken- und Unfallversicherungen fehlen, können unkalkulierbare Kosten entstehen. Varianten der ... weiter lesen

Sozialrecht Krankenkassen müssen bei Systemversagen zahlen

In einer Entscheidung (Az.: L 5 KR 377/22 ) hat das Bayerische Landessozialgericht festgestellt, dass gesetzliche Krankenkassen auch die Kosten für die Konservierung von Keimzellen übernehmen müssen, wenn die Konservierung durch einen nicht zugelassenen, aber qualifizierten Leistungserbringer erfolgt und die Kassenärztliche Vereinigung keinen zugelassenen Anbieter nennen kann. Krankenkasse lehnt Kosten für dringende Keimzellkonservierung ab Im Jahr 2021 wurde ein junger Mann unerwartet mit einer Hodenkrebsdiagnose konfrontiert, die seine Zeugungsfähigkeit bedrohte. Kurz nach der Diagnosestellung und unmittelbar vor der notwendigen Operation, die seine Fähigkeit ... weiter lesen

Ihre Spezialisten