Mannheim (jur). Werden bei einem Autofahrer gut eine halbe Stunde nach einer Trunkenheitsfahrt noch 1,6 Promille Alkohol im Blut festgestellt, spricht dies für Alkoholmissbrauch und einer überdurchschnittlichen Alkoholgewöhnung. Die Führerscheinbehörde kann daher die Rückgabe der eingezogenen Fahrerlaubnis von einem medizinisch-psychologischen Gutachten (MPU) abhängig machen, entschied der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in einem am Donnerstag, 30. August 2012, bekanntgegebenen Urteil (Az.: 10 S 452/10).
Im entschiedenen Rechtsstreit wurde ein Autofahrer unter Alkoholeinfluss im Dezember 2005 mit seinem Pkw von der Polizei gestoppt. Eine 35 Minuten später entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille. Alkoholbedingte Ausfallerscheinungen wurden trotzdem fast gar nicht festgestellt. Daraufhin wurde eine Geldstrafe verhängt, der Führerschein eingezogen und die Neuerteilung erst nach elf Monaten gestattet.
Das Landratsamt Ortenaukreis verlangte von dem Kläger für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis eine medizinisch-psychologische Untersuchung, im Volksmund auch „Idiotentest“ genannt. Der Kläger hielt dies für rechtswidrig. Er trinke keinen Alkohol mehr, es habe sich vielmehr um einen einmaligen Vorfall gehandelt. Die Blutprobe sei zudem nicht zur Tatzeit, sondern erst 35 Minuten später vorgenommen worden.
Der VGH entschied in seinem Urteil vom 18. Juni 2012, dass die Behörde wegen formaler Fehler neu über die Fahrerlaubniserteilung entscheiden muss. Dennoch könne der Kläger den Führerschein ohne MPU nicht erhalten. Nach der Fahrerlaubnisverordnung könne die Begutachtung ab 1,6 Promille zur Tatzeit angeordnet werden.
Hier sei die Blutalkoholkonzentration zur Zeit der Trunkenheitsfahrt zwar nicht nachzuweisen. Erreiche die Blutalkoholkonzentration 35 Minuten später 1,6 Promille, spreche dies aber für eine „überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung“. Von einem einmaligen Vorfall sei bei einer so hohen Blutalkoholkonzentration nicht auszugehen, so die Mannheimer Richter.
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