Wenn Patienten bei einer Impfung z.B. gegen Corona oder Grippe einen Impfschaden erleiden haben sie unter Umständen einen Anspruch auf Schadensersatz.
Viele Menschen lassen sich gegen Erkrankungen wie Corona (COVID 19), Grippe, Tetanus oder FSME impfen, weil sie sich gegen die Erreger schützen und nicht krank werden möchten. Doch das ist nicht ohne Risiko. Manchmal kommt es nach der Impfung zu Komplikationen, angefangen von Schmerzen an der Einstichstelle bis zu ernsthaften Erkrankungen, wie neurologischen Schäden. Im schlimmsten Fall stirbt der Geimpfte sogar. Gerade bei der Impfung gegen COVID 19 gibt es zwischen Befürwortern und Impfgegnern kontroverse Diskussionen über das Verhältnis von Nutzen und Risiken, weil die Langzeitfolgen noch nicht erforscht sind.
Doch wie sieht die rechtliche Situation aus, wenn Impfschäden eingetreten sind? Die Betroffenen sind hier nicht rechtlos. Allerdings stellt sich die Frage, wer von den Geimpften wegen eines Impfschadens in Anspruch genommen werden kann und inwieweit Schadensersatzansprüche durchgesetzt werden können.
Anspruch wegen Impfschäden gegen den Staat
Zunächst einmal kommt bei Impfschäden vor allem ein Anspruch gegen den Staat aus § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Betracht. Als Anspruchsgegner kommt hier in der Regel das jeweilige Bundesland in Betracht. Anders ist dies, sofern die Regelungen in einem Bundesland eine abweichende Zuständigkeit vorsehen. Beispielsweise ist in Nordrhein-Westfalen normalerweise der jeweilige Landschaftsverband zu verklagen.
Dies setzt normalerweise voraus, dass die jeweilige Impfung von der zuständigen Behörde des jeweiligen Bundeslandes empfohlen wird und in diesem vorgenommen wird. Darüber hinaus ergibt sich bei der Corona Impfung bereits aus dem Gesetz (§ 60 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1a IfSG), dass bei ihr um eine Schutzimpfung handelt und daher die Patienten ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 60 Abs. 1 IfSG haben können. Schließlich kommt ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Impfschäden nach dieser Regelung auch dann infrage, wenn die Impfung gesetzlich vorgeschrieben ist oder auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist.
Ferner setzt diese Vorschrift voraus, dass der Betroffene durch diese Impfung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.
Gesundheitliche Schädigung bedeutet, dass hiervon keine typischen Impfreaktionen erfasst sind, wie etwa eine vorübergehende Schwellung der Einstichstelle. Vielmehr muss es sich um eine Impfkomplikation handeln, die über das gewöhnliche Maß einer Beeinträchtigung hinaus geht. Dies ergibt sich aus der Definition des Impfschadens in § 2 Nr. 11 IfSG.
Durch diese Impfung bedeutet, dass dieseursächlich für den eingetreten Gesundheitsschaden sein muss. Dass insbesondere dieser Nachweis der Kausalität zwischen der Impfung und der Impfkomplikation in der Praxis nicht immer einfach ist, wird an der aktuellen Rechtsprechung deutlich.
Beispielsweise hatte sich eine Patientin aus Nordrhein-Westfalen bei ihrem Hausarzt gegen Influenza impfen lassen. Bei dem verwendeten Impfstoff war bekannt, dass bei ihm vor allem neurologische Nebenwirkungen auftreten konnten. Hierzu gehört etwa das Guillain-Barre-Syndrom. Nach mehreren Jahren wurden bei ihr zunächst Sensibilitätsstörungen, motorische Störungen sowie schließlich eine chronisch-inflammatorische demyelisierende Polyneuropathie festgestellt. Aufgrund dieser Erkrankung war sie erwerbsunfähig und beantragte beim zuständigen Landschaftsverband Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz/Bundesversorgungsgesetz.
Doch dies wurde mit der Begründung abgelehnt, dass bei ihr lediglich eine Polyneuropathie nicht aber das Guillain-Barre-Syndrom festgestellt worden ist. Lediglich letztere Erkrankung sei als Nebenwirkung dieses Impfstoffes bekannt. Dies sei jedoch bei der Polyneuropathie zu verneinen. Von daher fehle es an der Kausalität. Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Patientin gegen den ablehnenden Bescheid ab. Dem schloss sich das Landessozialgericht NRW an und wies die Berufung der Patientin mit Urteil vom 21.08.2020 – L 13 VE 40/19 zurück. Nach den Feststellungen des Gerichtes, das mehrere Sachverständige gehört hatte, litt die Patientin lediglich an der bereits diagnostizieren Polyneuropathie, nicht jedoch an dem Guillain-Barre-Syndrom. Aus mehreren Studien ergebe sich nicht, dass die Grippeimpfung zu einer Polyneuropathie führe. Somit habe die Patientin nicht nachweisen können, dass sie durch die Impfung einen Impfschaden erlitten hat.
In einem weiteren Sachverhalt war eine Patientin 2009 im Rahmen einer Impfkampagne gegen die Schweingerippe mit Pandemrix geimpft worden. Nachdem bei ihr fünf Jahre später wegen einer Narkolepsie (Schlafkrankheit) im Krankenhaus behandelt worden war die wenige Monate nach der Impfung begonnen hatte, beantragte sie Schadensersatz nach § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Dieser Antrag wurde abgelehnt, weil sie nicht nachgewiesen habe, dass die Impfung für die Narkolepsie ursächlich gewesen ist. Bislang sei unklar, wie eine Narkolepsie entsteht.
Doch die Patientin hatte mit ihrer Klage gegen den ablehnenden Bescheid Erfolg. Das Sozialgericht Koblenz gab ihrer Klage Urteil vom 05.04.2018 - S 4 VJ 4/15 statt. Die Richter begründeten das insbesondere damit, dass ein Sachverständiger ausgeführt habe, dass bei einer Narkolepsie die sechs bis sieben Monate nach der Impfung auftritt eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Erkrankung aufgrund der Impfung aufgetreten ist. Dies ergibt sich aus mehreren internationalen Studien, die inzwischen zu diesem Impfstoff durchgeführt worden sind.
Ansprüche gegen den behandelnden Arzt
Unter Umständen haftet bei Impfschäden auch der behandelnde Arzt. Dies kommt dann nach § 280 BGB in Verbindung mit § 630a BGB infrage, wenn er bei der Impfung gegen seine Sorgfaltspflichten aus dem Behandlungsvertrag verstoßen hat. Dies ist etwa dann der Fall, wenn er den Patienten nicht hinreichend aufgeklärt hat oder die Regeln der ärztlichen Kunst missachtet hat z.B. durch Fehler beim Verabreichen des Impfstoffes. Darüber hinaus kann er hier eventuell auch wegen unerlaubter Handlung gem. § 823 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen werden.
Fazit:
Patienten die einen Impfschaden erlitten haben, sollten am besten von einem Arzt Ihres Vertrauens wenden, damit dieser feststellt, ob eine relevante Impfkomplikation eingetreten ist und den jeweiligen Gesundheitsschaden dokumentieren lassen. Wie gut sich Ansprüche durchsetzen lassen, hängt häufig von der Art der Erkrankung ab. Wenn es hier schon häufig zu einem Impfschaden gekommen ist, kann der Nachweis der Kausalität besser geführt werden. Am besten setzen sie sich dann aufgrund der komplizierten rechtlichen Situation etwa mit einer Verbraucherzentrale, einem Sozialverband oder einem Rechtsanwalt in Verbindung.
Autor: Harald Büring, Ass. jur. (Fachanwalt.de-Redaktion)
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