Für juristische Personen besteht in Deutschland die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, sobald ein Insolvenzgrund vorliegt. Kommt der Verpflichtete der Antragspflicht nicht nach, liegt eine Insolvenzverschleppung vor. Diese ist strafbar und wird mit Geldstrafe oder sogar Freiheitsstrafe belangt. Alles, was Sie darüber wissen müssen, lesen Sie hier.
Definition: Was ist eine Insolvenzverschleppung?
Die Pflicht, eine Insolvenz zu beantragen, ist in § 15a der Insolvenzordnung (InsO) festgelegt. Verantwortlich sind stets die Vertreter der juristischen Person. Laut Gesetz müssen sie ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag stellen, sobald der Grund bekannt ist. Der Grund für eine Insolvenz kann entweder die Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der juristischen Person sein.
Gemäß § 17 der InsO ist eine juristische Person zahlungsunfähig, wenn sie nicht dazu in der Lage ist, fällige Zahlungspflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn sie Zahlungen komplett eingestellt hat.
Die Überschuldung ist in § 19 InsO geregelt. Sie liegt dann vor, wenn das Vermögen des Schuldners bestehende Verbindlichkeiten nicht mehr decken kann. Ausnahmen sind nur gegeben, wenn die Fortführung des Unternehmens in den nächsten 12 Monaten „den Umständen überwiegend wahrscheinlich“ ist. Eine solche überwiegende Wahrscheinlichkeit muss im Zweifelsfall begründet und nachgewiesen werden können.
Wer einen Insolvenzantrag stellt, muss Fristen beachten. Die jeweiligen Fristen sind abhängig vom Insolvenzgrund. Ein Antrag ist so spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit fällig. Ist der Insolvenzgrund jedoch eine Überschuldung, hat der Antragsteller sechs Wochen Zeit. Wird der Antrag nicht oder nicht fristgemäß eingereicht, liegt gemäß § 15 Abs. 4 InsO Insolvenzverschleppung vor.
Beispiel
Ein Beispiel: Max Mustermann ist Geschäftsführer einer KG. Seit einigen Jahren schon läuft das Geschäft schlecht. Max versucht dies lange zu verschleiern, allerdings häufen sich die Schulden. Es ist klar, dass das Unternehmen nahe der kompletten Zahlungsunfähigkeit ist. Max ist nun verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Macht er das nicht, kann er später wegen Insolvenzverschleppung belangt werden.
Fachanwalt.de-Tipp: Anders sieht die Situation aus, wenn Max Mustermann Selbstständiger ist. In diesem Fall trifft ihn keine Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrages.
Insolvenzverschleppung anzeigen
Die Insolvenzverschleppung kann von einer dritten Person angezeigt werden. Grundsätzlich muss dafür ein konkreter und begründeter Verdacht vorliegen. Die Anzeige findet bei der zuständigen Staatsanwaltschaft oder vor dem zuständigen Gericht statt. Wer eine Insolvenzverschleppung anzeigen möchte, muss dafür einen Strafantrag stellen. Dies kann sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen. Gemäß § 158 InsO ist eine mündliche Anzeige allerdings zu beurkunden. Daher ist es für die betreffende Person häufig einfacher, direkt einen schriftlichen Antrag zu stellen.
Liegen ausreichend Anhaltspunkte vor, muss die Staatsanwaltschaft im Falle der Insolvenzverschleppung ermitteln. Die Staatsanwaltschaft ist grundsätzlich dazu gezwungen, dem Fall nachzugehen. Allerdings sollte sich jeder genau überlegen, ob er seinen Strafantrag wirklich stellen möchte. Ein unbegründeter Antrag wird schnell verworfen. Wird ein Antrag jedoch mit falschen Argumenten untermauert oder werden gar Tatsachen vorgespielt, die gar nicht existieren, kann dies schnell auf die entsprechende Person zurückfallen.
Wer falsche Angaben macht, macht sich möglicherweise der falschen Verdächtigung schuldig. Kriegt der Schuldner dies mit, wird er sehr wahrscheinlich darauf zurückgreifen, selbst eine Strafanzeige zu stellen. Für den Betroffenen kann dies schnell brenzlig werden, daher sollte sich jeder genau überlegen, ob tatsächlich eine Insolvenzverschleppung vorliegt und ob es genug Tatsachen gibt, die dies bestätigen.
StGB: Strafe für Insolvenzverschleppung
Strafbar für Insolvenzverschleppung sind grundsätzlich nur Kapitalgesellschaften, da nur diese dazu verpflichtet sind, bei Zahlungsunfähigkeit, drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen. Zu den Kapitalgesellschaften zählen die AG, die KG aA, die GmbH und die UG.
Selbstständige, Einzelunternehmer sowie Inhaber von Personengesellschaften haben keinen Insolvenzantrag zu stellen. Inhaber von Personengesellschaften sind beispielsweise Inhaber einer GbR oder eine GmbH & Co. KG. Betroffene dieser Gruppierungen müssen also grundsätzlich keine entsprechende Strafe befürchten.
Fachanwalt.de-Tipp: Die Antragspflicht gilt außerdem nur für Geschäftsführer von Organen sowie Personen, die eine Führungsposition innehaben oder im Aufsichtsrat führend sind. Einfache Mitarbeiter haben beispielsweise grundsätzlich keine Strafe zu befürchten. Haben sie keine Führungsposition inne, können sie nicht zur Verantwortung gezogen werden. Schließlich haben viele einfache Mitarbeiter in Unternehmen gar keine Möglichkeit der Einsicht in die Finanzen und schon gar keine Entscheidungsgewalt.
Die Strafe für die Insolvenzverschleppung ist in der Insolvenzordnung direkt geregelt: § 15 a InsO sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Die genaue Strafe hängt jedoch stets vom Einzelfall ab. Dabei werden zahlreiche Faktoren Berücksichtigung finden.
Vor allem ist zu beachten:
- Ob es sich um eine vorsätzliche oder fahrlässige Handlung handelt
- Ob die betroffene Person bereits andere Vorstrafen hat
- Ob weitere Straftaten mit einhergehen
- Wie hoch die Insolvenzmasse ist
- Wie groß Dauer der Versäumnis und Verschleppung sind
Auch das Verhalten des Beschuldigten kann eine große Rolle spielen. Grundsätzlich haben reumütige und entgegenkommende Täter deutlich bessere Chancen, als solche, die ihr Fehlverhalten gar nicht einsehen.
Einer der größten Unterschiede ist der zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Tat. Eine fahrlässige Tat wird mit Geldstrafe oder nur einem Jahr Freiheitsstrafe belangt. Allerdings kann auch eine Sperre als Geschäftsführer Folge sein.
Zudem ist es möglich, sich im Rahmen der Insolvenzverschleppung auch anderer Straftaten schuldig zu machen. Möglicherweise spielt Betrug eine Rolle, der mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren belangt wird.
Auch Kreditbetrug und Untreue können mit der Insolvenzverschleppung Hand in Hand gehen. Weiterhin spielt auch der der Bankrott eine große Rolle. Schafft ein zum Insolvenzantrag Verpflichteter Teile seines Vermögens, die eigentlich teil der Insolvenzmasse sein sollten, heimlich zur Seite, fällt dies beispielsweise unter den Straftatbestand des § 283 des Strafgesetzbuchs (StGB). Als Folge ist eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vorgesehen.
Weitere Straftaten erhöhen die Gesamtstrafe des Betroffenen möglicherweise noch mehr. Die unterschiedlichen Strafen können also von kleinen bis mittelschweren Geldstrafen bis hin zu mehreren Jahren Freiheitsentzug reichen.
Fachanwalt.de-Tipp: Insbesondere wenn mehrere Straftaten im Raum stehen, ist es für den Laien wichtig, sich rechtzeitig professionelle Hilfe zu holen. Ein Fachanwalt für Insolvenzrecht kann rechtssichere Auskunft über alle in Frage kommenden Delikte geben und seinen Mandanten bestens durch die Situation leiten. In vielen Fällen können größere Schwierigkeiten dann vermieden werden.
Urteile
Urteile aus dem Insolvenzrecht gibt es zahlreiche verschiedene. Im Jahr 2016 notierte die polizeiliche Kriminalstatistik in Deutschland bereits 6.650 Fälle von Insolvenzverschleppung. Dies sind zwar nur etwa 11,5 % aller Fälle im Rahmen der Wirtschaftskriminalität, dennoch eine beachtliche Summe. Insolvenzverschleppung kann schließlich schnell und ohne böse Absicht des Verantwortlichen vorliegen.
Die Aufklärungsquote dieser Fälle liegt bei 99,7 %, was bedeutet, dass die meisten Fälle erfolgreich aufgeklärt werden. Verantwortliche für Insolvenzverschleppung werden meistens erfolgreich identifiziert und zur Verantwortung gezogen. Eines der bedeutendsten Urteile aus dem Bereich der Insolvenzverschleppung betrifft jedoch gerade nicht das Heranziehen eines Verantwortlichen im Insolvenzfall, sondern die Verjährung.
In einem BGH Urteil aus dem Jahr 2017 wurde der Beginn der Verjährungsfrist behandelt. Das Urteil war maßgeblich für die Verhandlung vieler Fälle und besagte, dass die Verjährungsfrist einer Insolvenzverschleppung nicht schon mit Ablauf der Antragsfrist beginnt, sondern erst mit Erlöschen der Antragspflicht. Das bedeutet, Verjährung begann in vielen Fällen erst deutlich später, als Betroffene dachten oder erhofften (BGH 16.05.2017, 2. StR 169/15).
Ein weiteres Urteil zeigt wie eng Insolvenzfälle mit anderen Delikten zusammenhängen können. Durch die Medien ging lange der sogenannte „Schleckerprozess“ über den Drogeriemarkt Schlecker und dem damit verbundenen Bankrott-Vorwurf des Anton Schlecker. Ihm wurde vorgeworfen, nachdem er bereits erkannte, dass dem Unternehmen Schlecker die Insolvenz drohte, heimlich Geld beiseite geschafft zu haben – insgesamt 3,6 Millionen Euro.
Dies tat er in den Augen der Kammer, da er das Geld von der Insolvenzmasse lösen wollte. Das Landgericht Stuttgart entschied in dem Fall nach 29. Prozesstagen, dass Anton Schlecker wegen vorsätzlichem Bankrott in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt werden soll. Daneben wurden 360 Tagessätze zu je 150 € - insgesamt als 54.000 – als Geldstrafe verhängt. Dies geschah wegen vorsätzlichem Bankrott in zwölf Fällen sowie falscher Versicherung an Eides statt (Urteil LG Stuttgart vom 27.11.2017 - Az.: 11 KLs 152 Js 53670/12).
Da Insolvenzfälle für die Betroffenen häufig besonders unangenehm sind, haben viele Menschen Schwierigkeiten, das finanzielle Scheitern zuzugeben. Daher verschleiern nicht wenige Menschen die entsprechenden Taten. Vielfach häufen sich nach der Zeit die zusammenhängenden Delikte und die Strafen fallen höher aus. Für eine einfache Insolvenzverschleppung wird selten mit einer Freiheitsstrafe bestraft.
Verjährung
Wie auch von anderen Delikten bekannt, verjährt auch die Insolvenzverschleppung eines Tages. Entsprechend des oben genannten BGH Urteils beginnt die Verjährungsfrist mit Ende der Pflicht einen Insolvenzantrag zu stellen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn entgegen aller Annahmen und Erwartungen die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit doch vermieden werden konnte oder sich das Unternehmen überraschend so schnell erholen konnte, dass der Insolvenzantrag vermieden werden konnte.
Bestand in der Zwischenzeit eine Antragspflicht, kann der Verantwortliche dennoch belangt werden. Allerdings verjährt Insolvenzverschleppung nach fünf Jahren. Wird die Tat innerhalb dieser fünf Jahre nicht verfolgt, kann der Verantwortliche nicht mehr belangt werden.
Welcher Anwalt kann weiterhelfen?
In unsicheren Fällen ist es stets ratsam, einen Rechtsexperten zu Hilfe zu ziehen. Ein Fachanwalt für Insolvenzrecht kann dabei helfen, die Situation zu klären. Häufig sind Menschen nicht ganz sicher, was sie zu tun haben oder wo sie den Antrag einreichen sollen. Wer rechtzeitig einen spezialisierten Anwalt zur Hilfe zieht, kann damit häufig die Insolvenzverschleppung sogar vermeiden.
Selbst wenn Insolvenzverschleppung bereits vorliegt, kann ein Anwalt helfen, das Problem möglichst sicher zu lösen. Er arbeitet den Fall gut auf, berät über alle Pflichten und Risiken und sorgt dafür, dass sein Mandant möglichst sicher durch jeden Fall geleitet wird. Sollte es zu einem Gerichtsprozess kommen, vertritt der Anwalt seinen Mandanten auch vor Gericht. Die Chancen, einen Prozess zu gewinnen oder eine möglichst geringe Strafe auszuarbeiten, sind mit professioneller Rechtshilfe sehr viel höher.
Symbolgrafik: © H. Lunke - stock.adobe.com