Arbeitsrecht

Integrationsamt muss im Zustimmungsverfahren zur Kündigung aufklären und gütliche Einigung betreiben

Das Verwaltungsgericht Hannover hat mit Beschluss vom 02.11.2021 zum Aktenzeichen 3 A 5583/21 in einem von Rechtsanwalt & Fachanwalt Dipl.Jur. Jens Usebach LL.M. der Kölner Rechtsanwaltskanzlei JURA.CC vertretenen Fall entschieden, dass die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung fehlerhaft war.

Fraglich ist, ob die Kündigung aus einem Grund erfolgt ist, der im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung des Klägers steht (vgl. § 174 Abs. 4 SGB IX). Der Kläger hat u.a. substantiiert vorgetragen, dass ein Vertreter der Beigeladenen in einem Gespräch mit dem Kläger am 06.09.2021 dessen Arbeitsleistung negativ bewertet und hier ausdrücklich einen Zusammenhang zur Schwerbehinderung des Klägers hergestellt habe. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs zu den Abmahnungen vom 09.09.2021 und dem Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung vom 14.09.2021 wäre auf Grundlage dieser Angaben, welche die Beigeladene im vorliegenden Verfahren nicht bestritten hat, weitere Aufklärung erforderlich. Gleiches gilt für einen möglichen Zusammenhang der Kündigung mit der Erkrankung des Klägers „Diabetes mellitus“, welche dessen Schwerbehinderung mitbegründet. Diese führt nach den unbestrittenen Angaben des Klägers u.a. bei Stress zu „Hibbeligkeit“ und Konzentrationsschwäche. Auch hier wäre weitere Aufklärung erforderlich, weil die Abmahnungen ausschließlich auf behaupteten Schlechtleistungen bzw. behauptetem Fehlverhalten des Klägers gestützt wurden. Der Beklagte hat demgegenüber keine hinreichende Aufklärung betrieben, indem er lediglich in dem streitgegenständlichen Bescheid ohne weitere Begründung festgestellt hat, dass ein Zusammenhang zwischen Kündigung und Schwerbehinderung „vom Integrationsamt […] nicht gesehen“ werde.

Das Integrationsamt hat die weitere Obliegenheit, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken (vgl. § 170 Abs. 3 SGB IX); dem ist das Integrationsamt hier nicht gerecht geworden. Durch dieses Versäumnis des Beklagten blieb dem Kläger die Möglichkeit verschlossen, möglicherweise schon im Verwaltungsverfahren eine durch die Moderation des Beklagten herbeigeführte gütliche Einigung mit der Beigeladenen zu erzielen und dadurch einen gerichtlichen Rechtsstreit zu vermeiden. In der Auswertung der Stellungnahme des Klägers durch den Beklagten liegt – anders als der Beklagte in der Begründung des streitgegenständlichen Bescheides ausgeführt hat – kein Hinwirken auf eine gütliche Einigung i.S.v. § 170 Abs. 3 SGB IX. Zur Auswertung der Stellungnahme ist der Beklagte ohnehin von Amts wegen verpflichtet (vgl. § 20 Abs. 1, 2 SGB X). Ein Hinwirken i.S.d. vorgenannten Norm liegt erst bei darüberhinausgehendem Verhalten des Beklagten vor. Ein solches ist hier nicht erkennbar.

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor

Gesamt:

Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M.
Rechtsanwalt • Fachanwalt für Sozialrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Heumarkt 50
50667 Köln

Telefon: 022195814321


Honorar/Leistung: (5)
Erreichbarkeit: (5)
Verständlichkeit: (5)
Freundlichkeit: (5)
Diesen Rechtsanwalt bewerten
Vereinbaren Sie hier eine Rechtsberatung zum Artikel-Thema:
Kontaktieren Sie hier Fachanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M.:
* Pflichtfeld
Ja, ich willige ein, dass meine im „Kontaktformular“ eingetragenen personenbezogenen Daten zum Zwecke der Angebotsvermittlung per Fax und E-Mail an den zu kontaktierenden Anwalt übermittelt und gespeichert werden. Diese jederzeit widerrufliche Einwilligung sowie die Verarbeitung und Datenübermittlung durch Dritte erfolgen gem. unserer Datenschutzerklärung.
Kontaktieren
Weitere Artikel des Autors
Arbeitsrecht Entfernung eines Polizeibeamten aus dem Dienst

Das Verwaltungsgericht Trier hat mit Urteil vom 18. Januar 2024 zum Aktenzeichen 3 K 1752/23.TR entscheiden, dass ein Polizeibeamter aus der Pfalz aus dem Dienst entfernt wird. Aus der Pressemitteilung des VG Trier Nr. 03/2024 vom 04.03.2024 ergibt sich: Dem Beamten wurde im Disziplinarverfahren zur Last gelegt, sich im September 2019 im Rahmen eines polizeilichen Einsatzes anlässlich eines schweren Verkehrsunfalls in Polizeiuniform und im Besitz seiner Dienstwaffe neun Pakete Käse mit einem Gewicht von jeweils 20 Kilogramm unrechtmäßig zugeeignet zu haben. Ferner habe er in der Folge zur Vertuschung der Straftat seinen Vorgesetzten gegenüber ... weiter lesen

Arbeitsrecht Entlassung eines Polizeikommissars aus dem Probebeamtenverhältnis rechtmäßig

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 20. Februar 2024 zum Aktenzeichen 5 K 733/23.KO sowie PKH -Beschluss vom 15. November 2023 zum Aktenzeichen 5 K 733/23.KO entschieden, dass die Entlassung eines im Dienst des beklagten Landes Rheinland-Pfalz stehenden Polizeikommissars aus dem Beamtenverhältnis auf Probe rechtmäßig ist. Aus der Pressemitteilung des VG Koblenz Nr. 5/2024 vom 28.02.2024 ergibt sich: Der Kläger war im Jahr 2021 nach bestandener Laufbahnprüfung in das Probebeamtenverhältnis berufen und als Einsatzsachbearbeiter in einer Einsatzhundertschaft der Bereitschaftspolizei ... weiter lesen

Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Arbeitsrecht Ergonomischer Büroarbeitsplatz mit Merkblatt

Der Begriff "Büroarbeitsplatz" bezieht sich auf die Gesamtheit aller Elemente und Bedingungen, die in einem Büroumfeld zur Durchführung von Arbeitsaufgaben erforderlich sind. Hierzu zählen insbesondere Arbeitsmittel wie Schreibtisch und Bürostuhl, die gemäß den Anforderungen des Arbeitsschutzes ergonomisch gestaltet sein müssen, um gesundheitliche Schäden zu vermeiden und die Arbeitsleistung zu steigern. Rechtliche Grundlagen für Büroarbeitsplätze Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und die Bildschirmarbeitsverordnung bilden die rechtliche Basis für die Gestaltung von Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen in ... weiter lesen

Arbeitsrecht Arbeitsgericht Siegburg urteilt: Keine Diskriminierung bei Nichteinstellung aus gesundheitlichen Gründen

Das Arbeitsgericht Siegburg hat in einem Fall, in dem es um die Rücknahme einer Einstellungszusage für einen schwerbehinderten Bewerber ging, entschieden. Im Mittelpunkt der Verhandlung stand die Frage, ob die Nichteinstellung aufgrund eines ärztlichen Gutachtens eine Diskriminierung darstellt (Az.: 3 Ca 1654/23 ). Stadt zieht Jobzusage an diabetischen Bewerber zurück – Klage wegen Diskriminierung Ein schwerbehinderter Bewerber, der an Diabetes leidet, bewarb sich Anfang 2023 bei einer Stadtverwaltung für eine Ausbildung zum Straßenwärter. Seine Schwerbehinderung gab er dabei offen an. Er erhielt eine vorläufige Zusage, die jedoch von den Ergebnissen einer ... weiter lesen

Arbeitsrecht Nebenbeschäftigung durch Detektei aufgedeckt – was Arbeitgeber jetzt beachten müssen

Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und -geber ist wichtig, Vertrauen allein reicht aber oft nicht aus. Zu den häufigsten Zwischenfällen gehört die Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit durch den Arbeitnehmer. Grundsätzlich ist der Hauptarbeitgeber verpflichtet, einen Nebenjob zu gewähren, sofern die eigenen Interessen davon nicht betroffen sind. So muss der Arbeitnehmer weiterhin mit seiner vollen Arbeitskraft verfügbar sein und darf nicht in konkurrierenden Betrieben arbeiten. Heimlich ausgeführt ist eine Nebentätigkeit nicht erlaubt. Die Aufdeckung erfolgt regelmäßig durch erfahrene Wirtschaftsdetektive, aber was passiert dann?  ... weiter lesen

Arbeitsrecht Verwaltungsgericht Hannover bestätigt Entlassung von Polizeikommissar-Anwärterin

Ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover (Az. 2 B 512/24; 2 A 5953/23 ) bekräftigt die Entlassung einer Polizeikommissar-Anwärterin aufgrund ihrer polizeikritischen Äußerungen in sozialen Netzwerken. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Neutralität und des Mäßigungsgebots im Beamtenverhältnis. Polizeianwärterin wegen kritischer Äußerungen in sozialen Medien entlassen Im Zentrum des Rechtsstreits stand eine angehende Polizeikommissarin, gegen die die Niedersächsische Polizeiakademie eine Entlassungsverfügung erließ. Ausschlaggebend waren diverse Äußerungen in sozialen Medien, die als kritisch gegenüber der Polizei ... weiter lesen

Ihre Spezialisten