Familienrecht

Irrtümer über Ehe, Scheidung und Unterhalt in Deutschland

08.05.2015
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Zuletzt bearbeitet am: 23.12.2023

In Deutschland existieren zahlreiche Irrtümer in Bezug auf die Ehe und die Scheidung. Auch im Unterhaltsrecht gibt es viele Mythen, die sich in der Gesellschaft verbreitet haben. Dieser Ratgeber soll einige Irrtümer aus der Welt schaffen und rechtliche Klarheit bringen.

1. Scheidung: kann ein Anwalt beide Ehegatten im Scheidungsprozess vertreten?

Das Gerücht hält sich seit Langem fest. Doch es ist und bleibt ein Gerücht. Ein Anwalt ist nur ein Parteivertreter. Das bedeutet, dass er ausschließlich die Interessen einer Partei wahren und vertreten kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ehegatten sich gut verstehen und sich einvernehmlich scheiden lassen wollen. Es ist zu berücksichtigen, dass innerhalb der Zivilprozessordnung (ZPO) ein Anwaltszwang für das Scheidungsverfahren herrscht. Konkret bedeutet das, dass Anträge nur durch einen Anwalt im Namen der vertretenen Partei gestellt werden dürfen. Insoweit wird deutlich, dass jede Partei jeweils einen Rechtsanwalt oder Fachanwalt für Familienrecht benötigt, um wirksame Anträge stellen zu können.

Bei einer einfachen einvernehmlichen Scheidung besteht hingegen eine Besonderheit: Die durch einen Anwalt vertreten Partei kann den notwendigen Scheidungsantrag im Scheidungsverfahren stellen. Der andere Ehepartner darf anschließend bei Gericht ohne einen eigenen Vertreter erscheinen. Da er selbst jedoch keine Anträge stellen darf, hat er lediglich die Möglichkeit sich dem Vorbringen der Gegenpartei anzuschließen, so dass es ebenfalls zu einer Scheidung kommt. Ob dieses Vorgehen sinnvoll ist, sollte vorab mit einem Rechtsanwalt für Familienrecht ausführlich besprochen werden. Nicht in allen Situationen scheint ein „gemeinsamer“ Anwalt sinnvoll zu sein.

2. Bekommt die Mutter nach einer Scheidung automatisch das Sorgerecht für die Kinder?

Die Ehescheidung hat in Deutschland keine Auswirkung auf das Sorgerecht der gemeinsamen Kinder. Wenn keiner der Eltern nach der Scheidung einen Antrag auf Übertragung des Sorgerechtes stellt, bleibt es bei beiden Elternteilen.

Sofern jedoch das Sorgerecht durch einen oder beide Elternteile beantragt wird, entscheidet das Familiengericht über das Sorgerecht. Dabei wird ausschließlich auf der Grundlage des Kindeswohls entschieden.

3. Ein Trennungsjahr ist nicht immer notwendig

Nach dem Gesetzgeber ist erforderlich, dass die Ehegatten mindestens ein Jahr getrennt leben müssen, um sich einvernehmlich scheiden lassen zu können. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ehe nur einen Tag oder eine Woche andauerte.  Das Gesetz macht hierbei keine Ausnahmen.  Wichtig ist allerdings, dass ein Trennungsjahr für eine Scheidung nur dann ausreichend ist, wenn Beide die Scheidung auch tatsächlich wollen und das vor dem zuständigen Familiengericht erklären. Stimmt ein Ehegatte der Scheidung nicht zu, dann sind insgesamt mindestens 3 Jahre erforderlich.

4. Kann man eine Ehe annullieren lassen?

Eine Annullierung der Ehe gibt es in Deutschland so nicht. Die Ehe kann aber unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden. Das ist dann der Fall, wenn die Voraussetzungen für die Eheschließung nicht vorlagen. Zum Beispiel, wenn die Partner nicht volljährig waren, sie Geschwister sind, oder der eine bereits verheiratet ist. Es können aber auch nachträgliche Gründe zur Aufhebung einer Ehe führen. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der eine Partner bei der Eheschließung in vorübergehender  Störung der Geistestätigkeit war (z.Bsp. starke Trunkenheit oder Drogenkonsum). Auch kann die Ehe aufgehoben werden, wenn der eine Partner die Ehe nur infolge einer Drohung eingegangen ist oder er über Umstände getäuscht worden ist, bei Kenntnis dessen er nicht geheiratet hätte. Weiter kann die Ehe auch dann aufgehoben werden, wenn es sich nur um eine Scheinehe gehandelt hat.

5. Der nachehelich Unterhalt ist auf höchstens drei Jahre begrenzt

Viele glauben, dass der nacheheliche Unterhalt zeitlich begrenzt ist. Dies ist nach dem BGH jedoch nicht der Fall. Lediglich bei sehr kurzen Ehen hält der Bundesgerichtshof einen zeitlich begrenzten Unterhalt für angemessen. Ansonsten ist immer der Einzelfall entscheidend. Wichtig ist, dass durch die Scheidung keine ehebedingte finanziellen Nachteile entstehen dürfen. Diese können allerdings grundsätzlich auch noch Jahre nach der Scheidung vorliegen, so dass eine pauschale Aussage über den Unterhaltszeitraum nicht getroffen werden kann.

Fazit: Es ist erkennbar, dass in der Gesellschaft viele Irrtümer bestehen. Gerade wenn eine Person betroffen ist, sollte der Weg zum Rechtsanwalt oder Fachanwalt gesucht werden. Dieser kann die Irrtümer aus der Welt schaffen und die Mandantschaft so ideal vertreten.

Autor: Rechtsanwalt S. Gramm
Symbolgrafik: © fotodo - Fotolia

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