Dürfen Arbeitgeber eine Anwesenheitsprämie einführen, die nur „gesunden“ Arbeitnehmern zusteht? Dies erfahren Sie in dem folgenden Ratgeber.
Was ist eine Anwesenheitsprämie?
Einige Arbeitnehmer haben neuerdings eine Anwesenheitsprämie eingeführt. Hierbei handelt es sich um eine gesonderte Vergütung über das normale Arbeitseinkommen hinaus. Diese Zahlung erhalten Arbeitnehmer nur dann, wenn Sie sich für einen bestimmten Zeitraum - wie innerhalb eines Jahres oder etwa eines Quartals - nicht krankgemeldet haben. Die Unternehmen wie Amazon rechtfertigen dies damit, dass sie dadurch den bei ihnen vorherrschenden hohen Krankheitsstand bekämpfen wollen.
Anwesenheitsprämie bei Krankheit erlaubt?
Die Frage ist jedoch, inwieweit eine Anwesenheitsprämie rechtlich zulässig ist. Dies richtet sich nach der Regelung von § 4a EFZG. Dies haben das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 25.07.2001 – 10 AZR 502/00 sowie das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 13.11.2011 - 16 Sa. 1521/09 klargestellt. Hiernach dürfen Sonderzuwendungen nur unter bestimmten Umständen gekürzt werden.
Die Zulässigkeit einer Anwesenheitsprämie setzt hiernach zunächst einmal voraus, dass sie nur für den Fall einer Erkrankung eingeführt werden. Demgegenüber sind Regelungen unzulässig, die lediglich an die bloße Anwesenheit am Arbeitsplatz anknüpfen. Denn hierdurch werden auch Arbeitnehmer benachteiligt, die sich Erholungsurlaub nehmen, der ihnen nach dem Gesetz oder anderen Regelungen, wie dem Tarifvertrag zusteht. Darüber hinaus bezieht sich der Wortlaut von § 4a EFZG lediglich auf krankheitsbedingten Arbeitsausfall.
Ferner dürfen Arbeitgeber gemäß § 4a EFZG keine zu hohen Anwesenheitsprämien für Mitarbeiter ohne Krankschreibungen vorsehen. Dies ergibt sich daraus, dass Sonderzuwendungen wegen einer Erkrankung des Arbeitnehmers nur in einem bestimmten Umfang gekürzt werden dürfen. Diese darf für jeden Tag der Krankschreibung ein Viertel des Arbeitsentgelts nicht überschreiten, dass im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt.
Schließlich setzt die Einführung einer Anwesenheitspauschale eine klare Regelung im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag voraus.
Sippenhaft durch Gruppenbonus
Allerdings ist fraglich, ob die Einführung dieser Anwesenheitsprämie bei Amazon rechtmäßig erfolgt ist. Denn hier gibt es eine Besonderheit, die es in sich hat. Nach aktuellen Berichten in den Medien richtet sich die Höhe dieser „Gesundheitsprämie“ nicht nur nach den krankheitsbedingten Fehltagen des jeweiligen Mitarbeiters. Vielmehr kommt es auch darauf an, wie oft sich die Kollegen in einer Abteilung krankschreiben lassen.
Zweifelhaft ist, ob ein solcher Gruppenbonus im Einklang mit § 4a EFZG steht. Denn der jeweilige Arbeitnehmer wird hierdurch zugleich in Sippenhaft genommen für die Krankheitstage seiner Kollegen. Hier ist zu befürchten, dass der jeweilige Mitarbeiter durch die Kollegen erheblich unter Druck gesetzt wird.
Fazit:
Von daher sollten Arbeitnehmer erwägen, dass sie zumindest gegen eine solche Anwesenheitsprämie mit einem Gruppenbonus vorgehen. Sie sollten nach einer Kürzung der Prämie den Arbeitgeber auffordern, ihm die Sondervergütung ohne Abzüge auszuzahlen. Wenn das nicht klappt, sollte er sich mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht oder Rechtssekretär in Verbindung setzen. Arbeitgeber sollten bedenken, dass bei einer Anwesenheitsprämie - besonders mit einem Gruppenbonus - die Gefahr besteht, dass sich Arbeitnehmer mit ansteckenden Krankheiten zur Arbeit schleppen.
Autor: Harald Büring (Fachanwalt.de-Redaktion)
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