Steuerrecht

Jahrelang wurde geduldeten Ausländern das Kindergeld vorenthalten

Zuletzt bearbeitet am: 19.07.2024

Karlsruhe. Deutschland hat über Jahre der Verfassung zuwider verweigert, Ausländern, die aus humanitären Gründen befristet aufgenommen wurden, Kindergeld zu zahlen. Mit einem am Mittwoch, 3. August 2022, veröffentlichten Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe eine entsprechende gesetzliche Regelung zum Kindergeldanspruch wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz für nichtig erklärt (Az.: 2 BvL 9/14 u.a.). Nach dieser Entscheidung können jedoch nur Ausländer, deren Kindergeldbescheide noch nicht bestandskräftig geworden sind, eine rückwirkende Kindergeldzahlung beanspruchen.

Die Regelung, die hier im Streit steht, sah vor, dass Ausländer aus den meisten Nicht-EU-Staaten, die sich aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen für einen befristeten Zeitraum in Deutschland aufhalten dürfen, Kindergeld nur unter strengen Voraussetzungen beanspruchen können. Sie mussten sich danach für mindestens drei Jahre in Deutschland rechtmäßig, geduldet oder gestattet aufhalten. Außerdem mussten sie entweder erwerbstätig gewesen sein, in Bezug von Arbeitslosengeld I gestanden oder Elternzeit genommen haben.

Vom Niedersächsischen Finanzgericht wurde dies für verfassungswidrig gehalten. Das Gericht legte daher das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vor. Es gebe keinen Grund, warum der Anspruch auf Kindergeld von der Integration in den Arbeitsmarkt abhängig sei.

Die Verfassungsrichter hatten bereits am 10. Juli 2012 gleichlautende Regelungen zum Elterngeldanspruch für verfassungswidrig erklärt (Az. 1 BvL 2/10 u.a.). Das zulässige Ziel des Gesetzgebers, Elterngeld nur Ausländern zu gewähren, die sich dauerhaft in Deutschland aufhalten, könne nicht dadurch erreicht werden, dass der Anspruch auf Elterngeld von der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt abhängig gemacht werde, da dies nichts über die zu erwartende Aufenthaltsdauer aussage.

Der Gesetzgeber hatte aufgrund der Vorlage des Finanzgerichts zum Kindergeldanspruch die gerügten Bestimmungen vorauseilend mit Wirkung ab März 2020 geändert. Ausländer können jetzt Kindergeld erhalten, wenn sie einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen haben und seit mindestens 15 Monaten in Deutschland leben. Die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt spielt keine Rolle mehr.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte die bis Februar 2020 geltenden anderslautenden Regelungen zum Kindergeld ebenso wie vorher beim Elterngeld für nichtig, da diese Bestimmung gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verstoße. Es bestehe kein Grund, dass ein arbeitsmarktintegrierter Ausländer mit humanitärer Aufenthaltserlaubnis Kindergeld erhalten könne, während ein nicht arbeitsmarktintegrierter Ausländer dies nicht könne.

Grundsätzlich könne die voraussichtliche Bleibedauer in Deutschland eine Ungleichbehandlung beim Anspruch auf Kindergeld rechtfertigen. Allerdings müssten hierfür plausible Gründe vorliegen. Dies werde nach der Entscheidung der Verfassungsrichter vom 28. Juni 2022 durch das Kriterium der Arbeitsmarktintegration jedoch nicht erfüllt.

Quelle: © Fachanwalt.de

Symbolgrafik: © Marco2811 - stock.adobe.com

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Steuerrecht BFH: Steuerermäßigung bei energetischen Maßnahmen nur nach vollständiger Zahlung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die Steuerermäßigung für energetische Maßnahmen, wie den Einbau eines neuen Heizkessels, erst nach vollständiger Zahlung gewährt werden kann (Az.: IX R 31/23 ). Teilzahlung bei Heizungserneuerung führt zu Streit Das klagende Ehepaar modernisierte 2021 die Heizung ihres Einfamilienhauses durch den Einbau eines neuen Gasbrennwertheizkessels. Die Gesamtkosten beliefen sich auf mehr als 8.000 €, einschließlich der Arbeitsstunden der Monteure und Fachhelfer. Die Eheleute zahlten monatlich Raten von 200 € und beglichen im Jahr 2021 insgesamt 2.000 €. Dennoch lehnte das Finanzamt ihren Antrag auf ... weiter lesen

Steuerrecht E-Rechnung ab 2025 verpflichtend: Das kommt auf Unternehmen zu!

Mit dem Inkrafttreten des Wachstumschancengesetzes wird im B2B-Sektor die elektronische Rechnung, kurz E-Rechnung, ab dem 1. Januar 2025 verpflichtend. Dies betrifft sämtliche inländischen Umsätze zwischen Unternehmen. Ziel dieser Maßnahme ist es, Umsatzsteuerbetrug zu bekämpfen und die Mehrwertsteuerlücke in Deutschland zu schließen, die laut Schätzungen bei rund 23 Milliarden Euro liegt​​. Rechtliche Grundlagen Gesetze und nationale Verordnungen Das Wachstumschancengesetz , das die verpflichtende Einführung der E-Rechnung im B2B-Bereich ab 2025 vorsieht. § 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), regelt die Anforderungen an elektronische ... weiter lesen

Steuerrecht Wachstumschancengesetz 2024: Steuerliche Änderungen im Überblick

Das am 27. März 2024 im Bundesgesetzblatt verkündete Wachstumschancengesetz bringt weitreichende steuerliche Änderungen für Unternehmen und Selbstständige. Mit einem Entlastungspaket von 32 Milliarden Euro zielt das Gesetz darauf ab, die Liquiditätssituation von Unternehmen zu verbessern und Investitionen zu fördern. Hier sind die wichtigsten steuerlichen Neuerungen im Überblick. Verbesserungen bei der Einkommensteuer Das Gesetz sieht mehrere Anpassungen im Bereich der Einkommensteuer vor, die insbesondere Unternehmen und Investoren entlasten sollen: Degressive Abschreibung (AfA): Die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung betrifft bewegliche ... weiter lesen

Steuerrecht BFH-Urteil: Gewinne aus dem Handel mit Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum unterliegen der Steuerpflicht

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem wegweisenden Urteil vom 14. Februar 2023 ( Az.: IX R 3/22 ) entschieden, dass Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen wie Bitcoin (BTC), Ether (ETH) und Monero (XMR) innerhalb der Haltedauer von 1 Jahr als private Veräußerungsgeschäfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) gemäß des eigenen Steuersatzes steuerpflichtig sind. Diese Entscheidung schaffte Klarheit in einem bisher umstrittenen Bereich und bestätigte die Auffassung der Finanzbehörden, dass virtuelle Währungen als "andere Wirtschaftsgüter" im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu behandeln sind. Entscheidend ist die einjährige Haltedauer der ... weiter lesen

Ihre Spezialisten