Essen (jur). Jobcenter müssen ihre Bescheide an Langzeitarbeitslose nicht auf Wunsch in niederdeutscher oder plattdeutscher Sprache verfassen. Zwar schützt die „Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ eine Regionalsprache, ein Anspruch auf Abfassung der Jobcenter-Bescheide in Plattdeutsch als Teil des Niederdeutschen ergibt sich daraus aber nicht, entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 8. September 2022 (Az.: L 7 AS 1360/21).
Der aus dem Raum Detmold stammende Kläger hatte 2017 Hartz-IV-Leistungen erhalten. Das Jobcenter wies ihm mit Bescheid vom 20. Februar 2017 eine Arbeitsgelegenheit in einem Bauernmuseum zu. Für seine museumspädagogische Arbeit erhielt er pro Arbeitsstunde 1,30 Euro. Laut Jobcenter Vermerk war der Langzeitarbeitslose mit der Tätigkeit „sehr zufrieden“.
Dennoch legte der Mann gegen den Jobcenter-Bescheid Widerspruch ein. Inhaltlich sei dieser OK und er „gebe sein Bestes“. Als Angehöriger der niederdeutschen Volksgruppe hätte der Bescheid aber in Plattdeutsch und nicht in Hochdeutsch verfasst sein müssen. Die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen würde den Schutz von Regionalsprachen vorschreiben.
Er warf dem Jobcenter „Rassendiskriminierung“ vor, weil ihm als Angehöriger der plattdeutschen Sprachminderheit die „Gleichbehandlung mit Hochdeutschen“ verwehrt werde. Plattdeutsch sei zu Zeiten der Hanse eine „Weltsprache“ gewesen und müsse erhalten bleiben. Ihm sei seit seiner Geburt das Hochdeutsche aufgezwungen worden. Seine Klage sei der erste Schritt, „Rassismus“ und „Apartheid“ gegen Plattdeutsche zu beenden.
Doch sowohl das Sozialgericht Detmold als auch das LSG entschieden, dass das Jobcenter seine Bescheide nicht in Plattdeutsch verfassen muss. Zwar umfasse die deutsche Sprache neben der hochdeutschen Sprache auch alle Mundarten und Dialekte. Es gelte aber das Gebot, wonach ein Verwaltungsverfahren „einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen ist“. „Dieses Gebot würde beeinträchtigt, wenn ein (angesichts der Vielzalhl gesprochener Dialekte und des oftmaligen Fehlens einer standardisierten Schriftsprache) unübersichtliches Nebeneinander verschiedener Sprachvarianten mit unterschiedlichen Schreibweisen entstünde, die allenfalls räumlich begrenzt von einem Teil der Bevölkerung verstanden werden“, heißt es weiter im Urteil des LSG.
Auch aus der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen ergebe sich kein Anspruch auf Abfassung der Bescheide in Plattdeutsch. Weder die Bundesrepublikd Deutschland noch das Land NRW hätten Vorschriften zur Verwendung des Plattdeutschen erlassen. Hinzu komme, dass der Kläger selbst „mit durchaus beachtlichem Wortschatz“ des Hochdeutschen voll mächtig ist und die Bescheide verstehe. Zudem habe er nicht nachgewiesen, dass er überhaupt Plattdeutsch sprechen kann.
Schließlich werde er auch nicht mit seiner angeführten Zugehörigkeit zur plattdeutschen Volksgruppe aufgrund seiner ethnischen Herkunft benachteiligt. Denn Sprecher des Nieder- und Plattdeutschen stellten gar keine eigenständige Ethnie dar, stellte das LSG fest.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock