Steigern Sie Ihre Sichtbarkeit und gewinnen Sie mehr Mandate. Jetzt 1 Monat kostenlos testen!Pfeil rechtsPremiumeintrag jetzt kostenlos testenPfeil rechts

Kaffeepause ohne Ausstempeln: Landesarbeitsgericht Hamm bestätigt fristlose Kündigung

SternSternSternSternStern
(2 Bewertungen)03.04.2025 Arbeitsrecht

Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte mit Urteil vom 27. Januar 2023 (Az. 13 Sa 1007/22) entschieden, dass eine zehnminütige Kaffeepause während der Arbeitszeit ohne vorheriges Ausstempeln als vorsätzlicher Arbeitszeitbetrug gewertet werden kann – selbst dann, wenn die betroffene Arbeitnehmerin schwerbehindert ist und langjährig im Unternehmen tätig war. Das Urteil unterstreicht, wie ernst Gerichte Verstöße gegen arbeitsvertragliche Dokumentationspflichten nehmen – auch bei vermeintlich harmlosen Pausen.

Was war geschehen? Der Fall im Detail

Die Klägerin war seit 2013 bei einem Dienstleistungsunternehmen als Reinigungskraft angestellt. Sie weist einen Grad der Behinderung von 100 % auf. Am 8. Oktober 2021 verließ sie während der Arbeitszeit das Betriebsgelände, um ein nahegelegenes Café zu besuchen. Dauer des Aufenthalts: mindestens zehn Minuten. Während dieser Zeit war sie jedoch weiterhin im Zeiterfassungssystem als „anwesend“ registriert, da sie weder beim Verlassen noch bei der Rückkehr ausgestempelt hatte.

Gegenüber ihren Kolleginnen gab sie lediglich an, sie sei „kurz im Keller“. Tatsächlich wurde sie jedoch vom Geschäftsführer beobachtet, wie sie das Gebäude verließ und in das Café ging. Dieser konfrontierte sie später mit dem Vorfall. Zunächst stritt die Klägerin alles ab. Erst nachdem ihr mit der Sichtung von Beweisfotos gedroht wurde, gestand sie die Pause und räumte ein, nicht ausgestempelt zu haben.

Wie reagierte der Arbeitgeber?

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos. Zur Begründung wurde angegeben, dass ein massiver Vertrauensbruch vorliege: Die Klägerin habe vorsätzlich gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten zur Zeiterfassung verstoßen und damit Arbeitszeitbetrug begangen. Selbst der Umstand, dass es sich um einen erstmaligen Vorfall handelte, konnte nach Ansicht des Arbeitgebers das gestörte Vertrauensverhältnis nicht mehr heilen.

Gericht sieht Kaffeepause als Arbeitszeitbetrug

Das Landesarbeitsgericht Hamm folgte der Argumentation des Arbeitgebers. Bereits das Arbeitsgericht Gelsenkirchen hatte in erster Instanz die fristlose Kündigung für wirksam erklärt. Die Klägerin legte Berufung ein, blieb jedoch erfolglos.

Die Richter machten deutlich, dass es sich um einen bewussten und vorsätzlichen Verstoß gegen die Pflicht zur korrekten Arbeitszeiterfassung handelte. Es sei nicht entscheidend, ob es sich nur um „wenige Minuten“ gehandelt habe – maßgeblich sei vielmehr, dass die Klägerin aktiv versucht habe, diesen Umstand zu verschleiern, indem sie Kolleginnen eine falsche Angabe („im Keller“) gemacht habe. Dieses Verhalten habe das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber zerstört.

Wichtige Aussagen des Gerichts im Überblick:

  • Arbeitszeitbetrug liegt bereits bei kurzer Pause ohne Ausstempeln vor – entscheidend ist die vorsätzliche Täuschung.
  • Einmaliger Vorfall reicht aus, wenn das Vertrauen zum Arbeitgeber grundlegend erschüttert ist.
  • Schwerbehinderung schützt nicht vor Kündigung, wenn das Verhalten gravierend und nicht nachvollziehbar ist.
  • Vertragsverstöße müssen offen und ehrlich aufgearbeitet werden, ein nachträgliches Geständnis unter Druck kann negativ gewertet werden.

Relevanz des Urteils für alle Beschäftigten

Das Urteil hat Signalwirkung: Selbst alltägliche Verhaltensweisen wie der spontane Gang ins Café können bei fehlender Zeiterfassung erhebliche arbeitsrechtliche Folgen haben. Wer während der bezahlten Arbeitszeit private Besorgungen oder Pausen einlegt, ohne dies korrekt zu dokumentieren, setzt seinen Arbeitsplatz aufs Spiel – unabhängig von der Dauer des Verstoßes oder der bisherigen Betriebszugehörigkeit.

Gerichte zeigen sich in Fällen vorsätzlichen Arbeitszeitbetrugs zunehmend konsequent. Bereits kurze Fehlzeiten ohne Zeiterfassung gelten als besonders vertrauensschädigend, da sie nicht zufällig oder versehentlich geschehen, sondern bewusst dem Arbeitgeber einen falschen Eindruck über die tatsächlich geleistete Arbeit vermitteln.

Abwägung: Kündigung trotz Schwerbehinderung und langer Betriebszugehörigkeit?

Die Klägerin verwies in ihrer Verteidigung auf ihre langjährige Tätigkeit und ihre schwere Behinderung. Diese Argumente ließ das Gericht jedoch nicht gelten. Zwar seien diese Umstände grundsätzlich bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen, doch in diesem Fall wog die vorsätzliche Täuschung schwerer.

Das Gericht stellte fest: Wer in einer Umgebung mit Vertrauensarbeitszeit oder flexibler Zeiterfassung tätig ist, trägt eine besondere Verantwortung. Verstöße gegen diese Pflichten beschädigen das Fundament eines jeden Arbeitsverhältnisses – das gegenseitige Vertrauen.

Fazit

Auch kurze Pausen können arbeitsrechtlich problematisch sein, wenn sie nicht korrekt dokumentiert werden. Arbeitnehmer sollten sich mit den Regelungen zur Zeiterfassung ihres Arbeitgebers vertraut machen und im Zweifel lieber einmal zu oft als zu selten aus- und einstempeln. Besonders in sensiblen Bereichen mit Vertrauensarbeitszeit ist größte Sorgfalt geboten.

Wer unsicher ist, ob eine Tätigkeit als Pause oder Arbeitszeit zählt, sollte Rücksprache mit dem Vorgesetzten oder der Personalabteilung halten. Bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten – insbesondere bei Abmahnung oder Kündigung – empfiehlt sich die sofortige Einschaltung eines Fachanwalts für Arbeitsrecht, der die Erfolgsaussichten einer Klage oder Kündigungsschutzklage prüft.

Symbolbild von fachanwalt.de, Autor: (se)

Diesen Artikel bewerten:
Diesen Artikel teilen: Linkedin Xing X
Whatsapp
Facebook
Fragen? Jetzt Fachanwalt.de-KI kostenlos fragen

Ihr Chatverlauf

Schildern Sie Ihr Problem ausführlich und erhalten innerhalb von Sekunden eine kostenlose KI-Ersteinschätzung:

Mit Nutzung unseres KI-Features akzeptieren Sie unsere Nutzungsbedingungen.

SofortantwortSofortantwort 24/7
NachfragemöglichkeitNachfragemöglichkeit
Kostenlos!Kostenlos!
Antwort erhalten Pfeil nach rechts
Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Kryptowährung als Sachbezug: Neue Spielräume durch BAG-Urteil
14.05.2025Redaktion fachanwalt.deArbeitsrecht
Kryptowährung als Sachbezug: Neue Spielräume durch BAG-Urteil

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 16. April 2025 eine wegweisende Entscheidung getroffen: Die Erfüllung von Provisionsansprüchen durch Kryptowährung – konkret in Form von Ether (ETH) – kann unter bestimmten Voraussetzungen als zulässiger Sachbezug im Sinne von § 107 Abs. 2 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO) gelten. Unternehmen erhalten dadurch neue Gestaltungsmöglichkeiten bei der Entlohnung – unter Beachtung rechtlicher Grenzen. Provisionen in der Kryptowährung: Hintergrund und rechtlicher Rahmen Das BAG ( 10 AZR 80/24 ) hatte über die Klage eines Vertriebsmitarbeiters zu entscheiden, dessen Arbeitgeber einen Teil der vertraglich vereinbarten Provisionen in der Kryptowährung Ether auszahlen wollte. Zentraler Streitpunkt war die Frage, ob eine solche Form der Entlohnung den Vorgaben der...

weiter lesen weiter lesen

Arbeitsgericht Berlin: Fristlose Kündigung eines Rabbiners wegen Fehlverhaltens
08.05.2025Redaktion fachanwalt.deArbeitsrecht
Arbeitsgericht Berlin: Fristlose Kündigung eines Rabbiners wegen Fehlverhaltens

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 27. März 2025 (Az. 58 Ca 6242/23 und 58 Ca 13379/23 ) entschieden, dass die sofortige Kündigung eines Rabbiners wegen sexueller Belästigung gegenüber einem weiblichen Gemeindemitglied wirksam ist. Gemeinde kündigt nach Vorwürfen gegen Rabbiner Seit dem Jahr 2001 war der Kläger als Rabbiner für die Jüdische Gemeinde zu Berlin tätig. Nachdem am 21. Mai 2023 mehrere Hinweise auf unangemessenes Verhalten des Rabbiners eingegangen waren – darunter auch Vorwürfe sexueller Übergriffe und der missbräuchlichen Nutzung seiner geistlichen Autorität –, sprach die Gemeinde am 1. Juni 2023 die fristlose Kündigung aus. Der Rabbiner erhob daraufhin Kündigungsschutzklage. Er bestritt die Anschuldigungen und erklärte, etwaige intime Handlungen seien einvernehmlich und...

weiter lesen weiter lesen
Verfallklauseln für virtuelle Optionsrechte: BAG-Urteil stellt neue Anforderungen an Unternehmen
29.04.2025Redaktion fachanwalt.deArbeitsrecht
Verfallklauseln für virtuelle Optionsrechte: BAG-Urteil stellt neue Anforderungen an Unternehmen

Mit Urteil vom 19. März 2025 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass bestimmte Verfallklauseln für virtuelle Optionsrechte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unzulässig sind. Die Entscheidung betrifft insbesondere Unternehmen, die Mitarbeiter durch virtuelle Beteiligungen binden wollen, und bringt neue rechtliche Anforderungen mit sich. Vor allem junge Unternehmen, die mit Start-up-typischen Beteiligungsmodellen arbeiten, sollten diese Entwicklung genau beobachten. Begriffserklärung: Was sind virtuelle Optionsrechte? Virtuelle Optionsrechte (auch Virtual Stock Options oder VSOP) sind ein Mittel der Mitarbeiterbindung. Sie gewähren keinen echten Unternehmensanteil , sondern ein künftiges Anrecht auf eine Geldzahlung, deren Höhe vom Unternehmenswert abhängt. Häufig sind diese Optionen...

weiter lesen weiter lesen

Kein Automatismus bei Kündigungen wegen Facebook-Posts
16.04.2025Redaktion fachanwalt.deArbeitsrecht
Kein Automatismus bei Kündigungen wegen Facebook-Posts

Am 8. Oktober 2024 entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf , dass strafbare oder extremistische Äußerungen eines Arbeitnehmers in sozialen Medien nicht ohne Weiteres eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Entscheidend sei vielmehr, ob das Verhalten die arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt und das Vertrauen des Arbeitgebers in die Integrität des Arbeitnehmers nachhaltig stört. In dem verhandelten Fall kam das Gericht zu dem Schluss, dass eine Abmahnung als milderes Mittel vorzuziehen sei. Sachverhalt: Facebook-Posts mit problematischem Inhalt Ein langjährig beschäftigter Schlosser hatte auf seinem öffentlich zugänglichen Facebook-Profil zwei Beiträge veröffentlicht, die antisemitische Inhalte sowie Aufrufe zu Gewalt enthielten. Diese Posts fielen in den zeitlichen Kontext der Eskalation des...

weiter lesen weiter lesen

Rechtsanwalt gesucht?
Sie haben Fragen?