Braunschweig. Erklärt ein homosexueller Kirchenmusiker, dass er sich die Option der Leihmutterschaft offenhalten will, stellt dies keinen Verstoß gegen seine Loyalitätspflicht dar. Eine Kündigung ist deswegen nicht gerechtfertigt, entschied das Arbeitsgericht Braunschweig am Donnerstag, 15. September 2022.
Am 22. März 2022 hatte die Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Braunschweig Domkantor Gerd-Peter Münden außerordentlich fristlos gekündigt, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist zum 31. Oktober 2022. Die Kündigung begründete der kirchliche Arbeitgeber damit, dass der Kantor für sich und seinen Ehemann plane, Kinder durch Leihmutterschaft in Kolumbien austragen zu lassen. Nach Angaben der Landeskirche hätten die privaten Pläne des Kirchenmusikers zu Zerwürfnissen zwischen den Mitarbeitern geführt und eine weitere Zusammenarbeit sei teilweise abgelehnt worden.
Der Musiker legte eine Kündigungsschutzklage ein. Er wies darauf hin, dass eine kommerzielle Leihmutterschaft nie geplant gewesen sei. Mit der Kündigung wolle die Landeskirche den „bloßen Gedankenprozess“ unterbinden. Die Kirchengemeinde selbst habe zudem für die Verbreitung des Sachverhaltes gesorgt. In seiner Reputation und möglicherweise auch in wirtschaftlicher Hinsicht sei er schwer geschädigt worden.
Vom Arbeitsgericht wurde die Kündigung für unwirksam erklärt. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens müsse die Landeskirche den Domkantor weiter beschäftigen.
Nur weil ein Kirchenmusiker gegenüber der Landeskirche erklärt, er wolle sich die in Deutschland verbotene Möglichkeit der Leihmutterschaft offenhalten, verstoße er dadurch nicht unmittelbar gegen die vertragliche Loyalitätspflicht gegenüber seinem kirchlichen Arbeitgeber.
Die Äußerung, die von der Kirche mit der Kündigung sanktioniert wurde, weise keinen provokativen Charakter auf. Sie sei vielmehr vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung geschützt. Die bloße Überlegung, ob Leihmutterschaft eine Option sei, sei "nicht mittels Kündigung zu sanktionieren". Das Arbeitsgericht führte weiter aus, dass die Landeskirche auch erheblich dazu beigetragen habe, dass der Fall öffentlich verbreitet wurde.
Quelle: © Fachanwalt.de
Symbolgrafik: © DOC RABE Media - stock.adobe.com