Luxemburg. Ein wettbewerbswidriges Verhalten kann in zwei verschiedenen Ländern und nach verschiedenen Rechtsgrundlagen sogar in einem Land von zwei Behörden getrennt verfolgt werden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat am Dienstag, den 22. März 2022, entschieden, dass beides nicht gegen das Verbot der Doppelbestrafung für ein und dieselbe Tat verstoße (Az.: C-151/20 und C-117/20).
Der erste Fall betraf die deutschen Zuckerhersteller Nordzucker und Südzucker, die in einem Telefongespräch Kartellabsprachen getroffen hatten. Dafür verhängte das Bundeskartellamt gegen Südzucker eine Geldbuße von 195,5 Millionen Euro. Auf Basis desselben Telefongesprächs geht auch die österreichische Wettbewerbsbehörde gegen beide Unternehmen vor. Sie plant, gegen Südzucker ebenfalls eine Kartellstrafe zu verhängen. Der Oberste Gerichtshof Wien fragte beim Europäischen Gerichtshof an, ob dies gegen das Verbot der doppelten Strafverfolgung verstößt.
Der Europäische Gerichtshof hat dies nun verneint. Nur wenn es sich um dasselbe wettbewerbswidrige Verhalten in einem Mitgliedstaat handelt, könne eine unzulässige Doppelbestrafung vorliegen. Hier würden jedoch die Kartellbehörden zweier verschiedener Staaten jeweils gegen Verstöße im eigenen Land vorgehen.
Der zweite Fall betraf das belgische Postunternehmen bpost. Dieses gewährte bestimmten Kunden Rabatte. Als ehemaliges Monopolunternehmen unterliegt bpost einer besonderen Regulierung. Von der Regulierungsbehörde wurden die Rabatte als diskriminierend angesehen. Sie verhängte daher im Juli 2011 eine Geldbuße. Diese wurde jedoch vom obersten Appellationshof in Brüssel aufgehoben. Aber auch die Wettbewerbsbehörden waren an dem Fall dran. Im Dezember 2012 verhängten sie eine Geldbuße von 37,4 Millionen Euro wegen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung.
Auch hier greift das Verbot der doppelten Strafverfolgung nicht, wie der Europäische Gerichtshof nun entschieden hat. Der Hintergrund sei zwar derselbe Sachverhalt, der sich in demselben Land abgespielt hat. Aber hierbei geh es aber zum einen um sektorspezifische Postregulierung und zum anderen um das allgemeine Kartellrecht. Beides sei zwar klar und allgemein bekannt, aber beides werde auch getrennt geregelt. Für diese beiden Bereiche seien zudem auch unterschiedliche Behörden zuständig. Daher liege ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung nicht vor.
Von den Richtern in Luxemburg wurde aber betont, dass bei Rechtswirksamkeit einer ersten Strafe dies von der zweiten Behörde berücksichtigt werden müsse. Insgesamt dürften beide Strafen zusammen nicht unangemessen sein.
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