Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 13. Mai 2025 eine richtungsweisende Entscheidung getroffen: Fahrgäste haben keinen Anspruch auf Herausgabe von Videoaufnahmen ihrer Fahrt in der S-Bahn. Die Betreiberin des öffentlichen S-Bahn-Netzes sei nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nicht verpflichtet, diese Aufnahmen bereitzustellen.
Videoaufnahmen und das Auskunftsrecht nach Artikel 15 DSGVO
Gemäß Artikel 15 DSGVO haben betroffene Personen grundsätzlich ein Auskunftsrecht, das den Zweck der Datenverarbeitung, die Kategorien der verarbeiteten personenbezogenen Daten, die Empfänger, die Speicherdauer und das Recht auf Erhalt einer Kopie der Daten umfasst.
Dieses Recht kann jedoch eingeschränkt werden, wenn dadurch die Rechte und Freiheiten anderer Personen beeinträchtigt würden.
Der Fall: S-Bahn-Fahrgast fordert Herausgabe von Videomaterial
Ein Fahrgast verlangte von der S-Bahn-Betreiberin die Herausgabe einer Videoaufnahme, auf der er während einer bestimmten Fahrt zu sehen war. Er berief sich auf sein Recht nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Das Unternehmen lehnte ab und verwies auf datenschutzrechtliche und technische Hürden.
Bereits in der Vorinstanz war die Klage erfolglos geblieben. Das OVG Berlin-Brandenburg (Az. OVG 12 B 14/23) bestätigte diese Entscheidung und setzte damit einen Maßstab für ähnliche Fälle.
Zentrale Argumente des Gerichts
Das Gericht betonte, dass Videoaufnahmen grundsätzlich personenbezogene Daten darstellen. Daraus resultiere jedoch nicht automatisch ein Anspruch auf Herausgabe von Bildmaterial.
Ein zentrales Argument des Gerichts war der Schutz der Rechte Dritter: Aufnahmen in der S-Bahn zeigen regelmäßig auch andere Fahrgäste. Eine nachträgliche Unkenntlichmachung (z. B. Verpixelung) wäre mit erheblichem Aufwand verbunden. In solchen Fällen könne das Interesse des Einzelnen an der Datenauskunft zurückstehen.
Das Gericht stellte auch klar, dass es nicht zwingend einer visuellen Kopie bedarf. Es sei ausreichend, wenn die betroffene Person allgemeine Informationen darüber erhält, dass sie aufgezeichnet wurde, zu welchem Zweck und wie lange die Daten gespeichert werden.
Auswirkungen des Urteils auf Unternehmen mit Videoüberwachung
Für Unternehmen, die Videoüberwachung betreiben, bringt das Urteil mehr Klarheit, aber auch Verantwortung. Sie müssen Anfragen zur Datenauskunft differenziert prüfen und dürfen nicht pauschal Kopien von Videodaten herausgeben.
Jede Anfrage hinsichtlich der Herausgabe von Videomaterial muss individuell bewertet werden. Dabei ist es wichtig, die Verhältnismäßigkeit des Aufwands zu beachten: Ist der Aufwand zur Anonymisierung anderer Personen zu hoch, darf die Herausgabe verweigert werden. Alternativ kann es ausreichen, eine textliche Zusammenfassung der relevanten Informationen bereitzustellen. Entscheidend ist zudem, dass die Begründung für die Ablehnung der Herausgabe nachvollziehbar dokumentiert wird.
Wann besteht ein Anspruch – und wann nicht?
Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch:
- Identifizierbarkeit der Person
- Verfügbarkeit der Aufnahme
- keine überwiegenden Interessen Dritter
Gründe für die Ablehnung eines Anspruchs:
- Andere Personen sind sichtbar
- Unkenntlichmachung nur mit großem Aufwand
- Herausgabe ist unverhältnismäßig
- Zweck der Videoüberwachung würde durch die Offenlegung gefährdet
Tipp: Prüfen Sie Auskunftsersuchen konsequent auf die obigen Voraussetzungen und dokumentieren Sie Entscheidungen transparent. Weisen Sie in Ihrer Datenschutzerklärung klar auf die Videoüberwachung hin, nutzen Sie datenschutzfreundliche Technik und definieren Sie feste Löschfristen. Implementieren Sie standardisierte Prozesse für den Umgang mit Anfragen zu Videoaufnahmen. Nutzen Sie Musterantworten und eine klare Zuständigkeitsregelung. So können Sie effizient, konsistent und rechtssicher reagieren.
Zusammenfassung
Das Urteil des OVG Berlin-Brandenburg macht deutlich: Der Anspruch auf „Datenauskunft Videoaufnahmen“ ist kein Selbstläufer. Unternehmen sind nicht verpflichtet, Videodateien ungeprüft auszuhändigen. Vielmehr verlangt das Datenschutzrecht eine sorgfältige Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung aller beteiligten Interessen. Für Unternehmen ergibt sich daraus ein klarer Handlungsrahmen: Datenschutz organisatorisch verankern, Prozesse dokumentieren, und mit Augenmaß agieren – so lassen sich rechtliche Risiken vermeiden und gleichzeitig die Rechte Betroffener wahren.
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