Am 8. Oktober 2024 entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf, dass strafbare oder extremistische Äußerungen eines Arbeitnehmers in sozialen Medien nicht ohne Weiteres eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Entscheidend sei vielmehr, ob das Verhalten die arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt und das Vertrauen des Arbeitgebers in die Integrität des Arbeitnehmers nachhaltig stört. In dem verhandelten Fall kam das Gericht zu dem Schluss, dass eine Abmahnung als milderes Mittel vorzuziehen sei.
Sachverhalt: Facebook-Posts mit problematischem Inhalt
Ein langjährig beschäftigter Schlosser hatte auf seinem öffentlich zugänglichen Facebook-Profil zwei Beiträge veröffentlicht, die antisemitische Inhalte sowie Aufrufe zu Gewalt enthielten. Diese Posts fielen in den zeitlichen Kontext der Eskalation des Israel-Hamas-Konflikts im Oktober 2023. Obwohl der Kläger diese Beiträge in einem privaten Rahmen verfasste, war sein Arbeitgeber, die Z. AG, weiterhin in seinem Profil als aktuelle Beschäftigungsstelle angegeben. Tatsächlich war der Kläger zum Zeitpunkt der Posts am 31.10.2023 noch bei der Beklagten angestellt, doch bestand das Arbeitsverhältnis bei einem anderen Unternehmen innerhalb des Konzerns. Der Eintrag im Profil wurde vom Kläger nicht aktualisiert.
Als eine Journalistin im Zuge einer öffentlichen Debatte über Extremismus in sozialen Medien bei der Z. AG nachfragte, ob der Verfasser der Beiträge dort beschäftigt sei, wurde das Unternehmen auf die Posts aufmerksam. Aus Sorge um den eigenen Ruf und eine mögliche öffentliche Kontroverse kündigte die Z. AG das Arbeitsverhältnis außerordentlich.
Juristische Bewertung des Gerichts
Das LAG Düsseldorf (Az.: 3 SLa 313/24) erkannte an, dass die Beiträge des Klägers schwerwiegend und potenziell strafbar seien. Dennoch sei eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Verhalten und der betrieblichen Sphäre nicht ersichtlich gewesen. Der einzige Bezug zum Arbeitgeber ergab sich aus der veralteten Arbeitgeberangabe im Profil. Dieser Umstand sei durch den Kläger jedoch steuerbar gewesen und wurde nach entsprechendem Hinweis umgehend korrigiert.
Die Richter betonten, dass außerdienstliches Verhalten nur dann arbeitsrechtliche Konsequenzen rechtfertigt, wenn es konkrete Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis hat. Dazu zählen etwa die Beeinträchtigung des Betriebsfriedens, die Störung des Vertrauensverhältnisses oder eine erhebliche Rufschädigung des Unternehmens. Diese Schwelle sah das LAG im vorliegenden Fall nicht als überschritten an. Eine Abmahnung sei daher nicht nur ausreichend, sondern im Sinne der Verhältnismäßigkeit auch geboten gewesen.
Relevanz des Urteils zu Facebook-Posts für die Arbeitswelt
Das Urteil betont, dass strafbare Äußerungen in sozialen Medien nicht automatisch eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Eine umfassende Prüfung der Auswirkungen auf das Unternehmen ist erforderlich. Arbeitgeber müssen Einzelfälle sorgfältig dokumentieren. Beschäftigte sollten ihre Online-Profile auf Richtigkeit überprüfen, um Missverständnisse zu vermeiden.
Empfehlungen für die Praxis
- Unternehmen sollten klare Social-Media-Richtlinien formulieren und ihre Belegschaft regelmäßig schulen.
- Beschäftigte sollten ihre Online-Profile regelmäßig auf Richtigkeit und mögliche Verknüpfungen zum Arbeitgeber überprüfen.
- Arbeitgeber sollten auf eine transparente Abwägung zwischen Unternehmensinteresse und Persönlichkeitsrecht achten.
- Kündigungen sollten stets gut dokumentiert und im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung begründet werden.
Tipp: Achten Sie darauf, nach einem Arbeitgeberwechsel Ihre Angaben auf sozialen Plattformen wie Facebook oder LinkedIn zu aktualisieren. So vermeiden Sie ungewollte Assoziationen zwischen privaten Äußerungen und beruflicher Zugehörigkeit.
Zusammenfassung
Das LAG Düsseldorf unterstreicht mit diesem Urteil die Bedeutung der Einzelfallprüfung bei außerdienstlichem Fehlverhalten. Nicht jedes strafbare Verhalten im privaten Bereich hat automatisch arbeitsrechtliche Konsequenzen. Unternehmen sind gut beraten, Maßnahmen wie Kündigungen erst nach sorgfältiger Prüfung und Abwägung einzuleiten. Gleichzeitig liegt es auch in der Verantwortung von Arbeitnehmern, ihre digitale Identität bewusst und reflektiert zu gestalten. In einer zunehmend vernetzten Welt verschwimmen die Grenzen zwischen Privatleben und Berufsalltag – umso wichtiger ist ein sensibler und rechtskonformer Umgang mit sozialen Medien.
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