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Kein Erstattungsanspruch bei Quarantäne-Arbeitslosigkeit: BVerwG grenzt das Infektionsschutzgesetz ein

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(1 Bewertung)11.06.2025 Sozialrecht

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am 22. Mai 2025 entschieden, dass die Bundesagentur für Arbeit keinen Anspruch auf Erstattung von Arbeitslosengeld gegenüber der zuständigen Entschädigungsbehörde hat, wenn Leistungsempfänger aufgrund einer behördlich angeordneten Quarantäne nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Der Erstattungsanspruch nach Infektionsschutzgesetz greift in solchen Fällen nicht.

Ausgangslage: Quarantäne während der Pandemie und ihre Folgen für die Arbeitslosenversicherung

Während der Corona-Pandemie kam es wiederholt zu Situationen, in denen Empfänger von Arbeitslosengeld I durch behördlich angeordnete Quarantäne vorübergehend nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung standen. Die Bundesagentur für Arbeit zahlte in diesen Fällen weiterhin Leistungen, da die Nichtverfügbarkeit nicht selbst verschuldet war.

Im konkreten Fall vertrat die Bundesagentur die Auffassung, sie habe Anspruch auf Erstattung dieser Zahlungen nach § 56 IfSG. Diese Vorschrift regelt Entschädigungen für Verdienstausfälle infolge behördlich angeordneter Maßnahmen zum Infektionsschutz.

Zentrale Entscheidung des Gerichts: Kein Anspruch der Bundesagentur

Das BVerwG entschied (Az. 3 C 1.24), dass ein solcher Erstattungsanspruch nicht besteht. § 56 IfSG bezieht sich auf Personen, die durch eine behördliche Maßnahme an der Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit gehindert werden und deshalb einen konkreten Verdienstausfall erleiden. Arbeitslose jedoch beziehen keine Vergütung für konkrete Arbeit, sondern eine Versicherungsleistung.

Die Kernargumente des Urteils

  • Kein Verdienstausfall: Arbeitslosengeld stellt keine Entgeltfortzahlung dar, sondern ist eine Lohnersatzleistung. Ein Verdienstausfall im Sinne des IfSG liegt daher nicht vor.
  • Keine gesetzliche Grundlage: Es fehlt an einer ausdrücklichen Regelung zur Erstattung an die Bundesagentur. Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus dessen Zweck ergibt sich eine entsprechende Verpflichtung der Entschädigungsbehörde.
  • Bewusste gesetzgeberische Entscheidung: Der Gesetzgeber hat Erstattungsansprüche für Arbeitgeber vorgesehen, nicht jedoch für Träger der Arbeitslosenversicherung.

Auswirkungen auf die Verwaltungspraxis

Diese Entscheidung hat unmittelbare Bedeutung für die Praxis der Bundesagentur für Arbeit und anderer Sozialleistungsträger. Zahlungen an pandemiebedingt nicht vermittelbare Arbeitslose können nicht über das IfSG refinanziert werden.

Juristische Bewertung: Grenzen der Anspruchsberechtigung nach IfSG

Das Infektionsschutzgesetz dient primär dem Gesundheitsschutz. Seine Erstattungsregelungen sind eng gefasst und beziehen sich auf konkrete Verdienstausfälle. Arbeitslosengeld ist als Versicherungsleistung von diesen Regelungen nicht umfasst.

Diese Klarstellung unterstreicht das rechtsstaatliche Prinzip, dass es für staatliche Erstattungsansprüche einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Auch sachlich nachvollziehbare Argumente ersetzen keine fehlende Norm.

Praxisfolgen für Leistungsempfänger, Beratung und Verwaltung

  • Für Leistungsempfänger: Die Leistungsgewährung bleibt bestehen, doch ist keine Erstattung an die BA vorgesehen.
  • Für Beratungsstellen: Eine sorgfältige Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen bei Quarantäne ist notwendig.
  • Für Verwaltungen: Die internen Verfahren sollten angepasst werden, um unzulässige Erstattungsanträge zu vermeiden.

Tipp: Stärken Sie die Schnittstelle zwischen Rechtsabteilungen und Fachpraxis. Gerade in Krisenzeiten zeigen sich Grenzen der Gesetzesauslegung besonders deutlich. Rechtssichere Verfahren bieten Schutz vor finanziellen und politischen Risiken.

Zusammenfassung

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 2025 schafft Rechtssicherheit: Die Bundesagentur für Arbeit kann für Quarantäne-bedingte Leistungszahlungen keine Erstattung nach dem Infektionsschutzgesetz verlangen. Die Begründung ist juristisch nachvollziehbar und stellt klar, dass Versicherungsleistungen keine tätigkeitsbezogenen Verdienstausfälle im Sinne des IfSG sind.

Gleichzeitig zeigt die Entscheidung eine mögliche Gesetzeslücke auf, die der Gesetzgeber bei Bedarf schließen kann. Verwaltung und Politik sind gefordert, in künftigen Krisen auf präzisere gesetzliche Grundlagen zu achten.

Symbolgrafik:© EdNurg - stock.adobe.com

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