Celle (jur). Medizinische Leistungserbringer müssen nicht nur inhaltlich richtig, sondern auch formgerecht abrechnen. Andernfalls können die Kassenärztlichen Vereinigungen die Vergütung aussetzen, wie jetzt das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen im Fall eines Corona-Testzentrums entschied (Az.: L 4 KR 549/22 B ER). Danach ist sogar der vollständiger Ausfall des Entgelts möglich.
Im konkreten Fall geht es um ein Corona-Testzentrum im Raum Lüneburg. Der Betreiber hatte hierfür auf einem gemieteten Stellplatz einen Container aufgestellt. Im Winter 2021/22 rechnete er rund 220.000 Euro mit der KV Niedersachsen abgerechnet.
Als im Frühjahr 2022 die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts des Abrechnungsbetrugs aufnahm, stellte die KV ihre weiteren Zahlungen ein. Im September 2022 wurden die Ermittlungen eingestellt, und der Testzentrumsbetreiber forderte die KV zur Zahlung auf – insgesamt 382.812 Euro für die Zeit von April bis September 2022. Zumindest Abschläge müsse die KV überweisen. Andernfalls drohe dem Unternehmen die Insolvenz und dem Geschäftsführer die Obdachlosigkeit.
Die KV lehnte dies ab und verwies auf die laufenden Prüfungen. Es habe konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben, dass allenfalls ein geringer Teil der abgerechneten Tests tatsächlich durchgeführt worden sei. Auch habe das Unternehmen die Testdokumentation nicht in der vorgeschriebenen digitalen Form eingereicht. Dass das Hochladen der Daten technisch nicht möglich gewesen sei, sei eine Schutzbehauptung. Die stattdessen eingereichten „mehreren Kisten mit Papier“ seien nachträglich verändert und ergänzt worden. Zudem habe der Geschäftsführer bei der Handelsregistereintragung mehrere Vorstrafen wegen Betrugs verschwiegen.
Das LSG Celle bestätigte nun zunächst im Eilverfahren, dass die KV jedenfalls vorerst nichts zahlen muss. Im Medizinsektor seien die Abrechnungen „das Kernelement zur Kontrolle“. Daher müssten die Leistungserbringer die strengen formalen Regeln einhalten. „Ohne eine formal korrekte Abrechnung kann in Massenabrechnungsverfahren keine Leistungskontrolle stattfinden und keine Qualitätssicherung erfolgen“, betonte das LSG in seinem Beschluss vom 20. Januar 2023.
Ein Verstoß gegen die Abrechnungsvorschriften könne daher sogar auch den vollständigen Ausfall des Entgelts zur Folge haben. Das gelte insbesondere für Massen-Leistungen wie etwa di der Apotheken mit über 500 Millionen Rezepten pro Jahr.
Im Streitfall sei das Aussetzen der Zahlungen auch aus inhaltlichen Gründen zulässig und verhältnismäßig gewesen. So falle bei den hier eingereichten schriftlichen Abrechnungsunterlagen auf, dass bei einer erheblichen Zahl die Ausweisnummer der angeblich getesteten Personen und damit ihre autorisierte Identifikation fehle. Selbst Datum und Unterschriften würden teils fehlen. Dass tatsächlich eine Insolvenz drohe, habe das Testzentrum nicht ausreichend glaubhaft gemacht.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock