Strafrecht

Kein generelles Ausschöpfen der Ingewahrsamnahme bei Klimaprotesten

Zuletzt bearbeitet am: 30.03.2023

Hamburg (jur). Klimaschützer dürfen nach einer Fahrbahnblockade auf den Hamburger neuen Elbbrücken nicht wegen einer irgendwann drohenden Gefahr durch erneute Klimaproteste vorsorglich für zehn Tage in Gewahrsam genommen werden. Das Ausschöpfen der zehntägigen Maximaldauer der polizeilichen Ingewahrsamnahme ist nicht zulässig, wenn keine unmittelbar bevorstehende vergleichbare Tat droht, entschied das Landgericht Hamburg am Mittwoch, 29. März 2023 (Az.: 301 T 103/23 und weitere). 

Hier hatten sich die zwei Beschwerdeführenden auf der Fahrbahn der neuen Elbbrücken in Hamburg festgeklebt, um so gegen die Klimapolitik zu protestieren. Die Polizei nahm diese in Gewahrsam. Das Amtsgericht Hamburg ordnete die nach Landesrecht zulässige zehntägige Maximaldauer der Ingewahrsamnahme bis zum 4. April 0.00 Uhr an. So sollten erneute Blockadeaktionen verhindert werden. 

Doch das war rechtswidrig, entschied das Landgericht. Zwar diene die Ingewahrsamnahme dem Zweck, erneute rechtswidrige Handlungen zu verhindern. Die Taten müssten dann aber auch unmittelbar bevorstehen. Es reiche hier nicht als Begründung aus, dass die Betroffenen bereits im letzten Jahr an vergleichbaren Aktionen teilgenommen haben. 

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müsse die befürchtete Tatbegehung „zeitlich und räumlich eingrenzbar sein“. Denn sonst stelle sich die Freiheitsentziehung nicht als unerlässlich zur Tatverhinderung dar. Vielmehr müsse es konkrete Hinweise geben, wann sich die Betroffenen erneut an vergleichbaren Blockadeaktionen beteiligen wollen. Daran fehle es hier. Dass in einem Unterstützeraufruf die Gruppierung „Letzte Generation“ auf Aktionen in Hamburg bis zum 6. April 2023 hinweist, belege noch nicht, dass die Betroffenen daran teilnehmen wollen. 

Das Ausschöpfen der zehntägigen Maximaldauer der Freiheitsentziehung dürfe nicht dazu dienen, irgendwann drohende Gefahren durch erneute Klimaproteste durch eine möglichst lange Dauer des Gewahrsams zu verhindern. 

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Symbolgrafik:© jonasginter - stock.adobe.com

Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Strafrecht Kein Verfassungsurteil zur „Werbung für Schwangerschaftsabbrüche“

Karlsruhe (jur). Das Bundesverfassungsgericht wird sich nicht inhaltlich zum früheren Verbot der „Werbung für Schwangerschaftsabbrüche“ äußern. Durch die Aufhebung der Strafvorschrift hat sich ein diesbezügliches Rechtsschutzbedürfnis erledigt, erklärten die Karlsruher Richter in einem am Mittwoch, 7. Juni 2023, veröffentlichten Beschluss (Az.: 2 BvR 390/21). Eine Beschwerde der Gießener Allgemeinärztin Kristina Hänel nahm es daher nicht zur Entscheidung an.  Hänel informiert auf ihrer 2001 eingerichteten Internetseite bis heute darüber, dass in ihrer Praxis Schwangerschaftsabbrüche möglich sind. Zudem wird, nach gerichtlichen Feststellungen jedenfalls ... weiter lesen

Strafrecht Verminderte Schuldfähigkeit heißt auch fehlende Unrechtseinsicht

Karlsruhe (jur). Eine psychisch kranke Frau muss für die zwangsweise Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zum Zeitpunkt ihrer begangenen Straftat auch wirklich schuldunfähig oder vermindert schuldunfähig gewesen sein. Allein die Feststellung, dass die Einsichtsfähigkeit der Frau bei Tatbegehung erheblich gemindert gewesen sei, reiche nicht für die Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit aus, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Mittwoch, 19. April 2023, veröffentlichten Beschluss (Az.: 5 StR 79/23). Für eine verminderte Schuldfähigkeit müsse auch festgestellt werden, dass die Beschuldigte bei Ausführung ihrer Tat das begangene Unrecht ... weiter lesen

Strafrecht Spektakulärer Einbruch ins Hauptzollamt Berlin: Verurteilung bestätigt!

Der Bundesgerichtshof bestätigt das Urteil gegen einen moldauischen Staatsangehörigen, der am Einbruch ins Hauptzollamt Berlin beteiligt war. Die mehrjährige Freiheitsstrafe bleibt damit rechtskräftig. Tatbeteiligung am Einbruch ins Hauptzollamt Berlin Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Leipzig hat die Verurteilung eines moldauischen Staatsangehörigen durch das Landgericht Berlin bestätigt. Dieser wurde zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt aufgrund seiner Beteiligung am Einbruch in die Asservatenhalle des Hauptzollamtes Berlin. Gemäß den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte Teil einer von einem ... weiter lesen

Strafrecht 9.100 Euro Geldstrafe wegen Hungertod von über 250 Schweinen

Osnabrück (jur). Auch Depressionen eines Landwirts rechtfertigen nicht das Verhungernlassen von mehr als 250 Schweinen. Wegen des erheblichen Leids der Tiere ist auch bei einer verminderten Schuldfähigkeit infolge von Depressionen eine Geldstrafe gerechtfertigt, urteilte am Freitag, 3. Februar das Landgericht Osnabrück (Az.: 5 Ns 127/22).  Geklagt hatte ein 65-jähriger Landwirt aus Bad Laer im Landkreis Osnabrück, der sich gegen eine Geldstrafe wegen Tierquälerei in Höhe von insgesamt 9.100 Euro wandte. Der Mann hatte im September 2021 ohne erkennbaren Grund die Fütterung seiner über 250 Schweine eingestellt und den Stall wochenlang nicht betreten. Nach einer ... weiter lesen

Ihre Spezialisten