Strafrecht

Kein Kavaliersdelikt: Was ist bei sexueller Belästigung zu tun?

Zuletzt bearbeitet am: 07.11.2023

Leider gibt es kaum eine Branche, die von dem Problem nicht betroffen ist: Sexuelle Belästigung. Bereits im Jahre 2015 hat die Statistik gezeigt, dass über die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer auf der Arbeit schon einmal sexuelle Übergriffe erleben musste – ob als Zeuge oder am eigenen Leib.

In den deutschen Büros erleben besonders oft Frauen ungewollte Berührungen und sexuelle Anspielungen. Allerdings sind durchaus auch Männer von dieser Art der Belästigung betroffen.

Doch was kann bei Belästigungen sexueller Natur eigentlich getan werden? Stillschweigend hingenommen werden sollten diese Zwischenfälle am Arbeitsplatz keinesfalls.

Wann fängt sexuelle Belästigung an?

Wo genau sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz beginnt, ist gar nicht so einfach zu definieren. Empfindungen sind schließlich immer individuell. So besteht für einige Menschen bereits in einem schlüpfrigen Witz eine gewisse Art der Belästigung. Daneben kann die Grenze zwischen Flirtversuchen und sexuellen Übergriffigkeiten äußerst schmal ausfallen.

Oft besteht das Problem, dass dem Betroffenen unterstellt wird, lediglich zu empfindlich zu sein. Allerdings ist im AGG, dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, definiert, wann eine sexuelle Belästigung vorliegt.

Ein harmloser Flirt unterscheidet sich von der sexuellen Belästigung so vor allem darin, dass bei ersterem ein beidseitiges Einverständnis vorliegt. Dies ist bei sexuellen Anspielungen oder unangemessenen Berührungen natürlich kaum der Fall. Durch derartige Vorfälle wird die belästigte Person mit Scham und Erniedrigung konfrontiert. Zudem wird ihr häufig gedroht, falls sie die sexuellen Handlungen nicht erwidert oder zumindest hinnimmt.

Die verschiedenen Arten sexueller Belästigung

Es können grundsätzlich drei unterschiedliche Formen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ausgemacht werden.

Bei der physischen Belästigung finden vor allem unerwünschte Berührungen statt. Zu dieser Art werden auch sexuelle Übergriffe und Annäherungsversuche, die von Gewalt begleitet werden, gezählt.

Sexuelle Belästigung kann jedoch auch auf verbalem Wege geschehen. Klassische Beispiele für diese Form der Belästigung bestehen etwa in aufdringlichen Bemerkungen, anzüglichen Witzen oder zweideutigen Kommentaren, welche die Kleidung, sexuelle Handlungen oder das Privatleben des Opfers betreffen.

Die nonverbale sexuelle Belästigung umfasst oft SMS, Fotos, E-Mails oder sexuelle Videos. Daneben gehören zu dieser Art der Belästigung auch das Hinterherpfeifen oder ein anzügliches Starren. Auch das Versenden von pornografischen Inhalten fällt in diese Kategorie.

Grundsätzlich gilt, dass alle diese Formen der Belästigungen am Arbeitsplatz per AGG verboten sind. Es ist dabei unerheblich, ob die Handlungen auf Dienstreisen, Veranstaltungen, dem Arbeitsweg oder im Büro selbst stattfinden.

Was ist bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu tun?

Sexuelle Belästigung dient am Arbeitsplatz kaum dazu, ein sexuelles Verhältnis oder eine Beziehung mit dem Opfer aufzubauen. Vielmehr steht im Fokus, Macht zu demonstrieren und die andere Person in ihrer Autorität zu untergraben.

Es besteht allerdings kaum eine pauschale Antwort hinsichtlich der korrekten Vorgehensweise in einem solchen Fall – jeder Vorfall gestaltet sich sehr individuell. In akuten Situationen stellt es jedoch häufig eine erste Hilfe dar, die belästigende Person darauf hinzuweisen, dass ihr Verhalten unangebracht ist.

Nach dem AGG besteht für Arbeitgeber außerdem die Pflicht, ihren Beschäftigten Schutz zu bieten, falls es zu einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz kommt. Mitarbeiter, die sexuelle Belästigungen erleben, besitzen drei zentrale Rechte, um sich zur Wehr zu setzen.

Zum einen können sie sich über die sexuelle Belästigung bei dem Betriebsrat oder einer Beschwerdestelle im Unternehmen melden. Falls eine solche Stelle nicht vorhanden ist, ist der Arbeitgeber der richtige Ansprechpartner. Zum anderen besteht das Recht dazu, die Leistung zu verweigern, falls durch den Arbeitgeber keine Konsequenzen nach der Meldung eingeleitet werden. Dieser trägt schließlich die Pflicht, den Beschäftigten Schutz vor sexuellen Übergriffen zu bieten.

Falls der Arbeitgeber nicht ausreichend oder überhaupt nicht seiner Pflicht im Rahmen des Arbeitsschutzes nachgekommen ist, haben die Betroffenen unter Umständen auch Anspruch auf Schadenersatz.

Bestimmte Fristen müssen Betroffene im Übrigen nicht einhalten, um die Beschwerde über die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu äußern. Generell ist es jedoch zu empfehlen, den Fall so früh wie möglich zu melden. Der Meldezeitpunkt kann zudem hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs eine Rolle spielen. Durch die Beschwerde dürfen die Betroffenen keine Nachteile erleiden, etwa in Form einer Abmahnung oder einer Kündigung.

Besonders problematisch gestaltet sich der Sachverhalt natürlich, wenn die sexuelle Belästigung durch den Vorgesetzten, den Ausbilder oder den Chef selbst ausgeübt wird und keine unabhängige Beschwerdestelle vorhanden ist. In diesem Fall stehen verschiedene öffentliche Hilfsangebote zur Verfügung. Zu empfehlen ist es für die Betroffenen dann außerdem, eine Beratung bei einem kompetenten Anwalt für Arbeitsrecht in Anspruch zu nehmen.

Welche Strafen drohen bei sexueller Belästigung?

Kommt es zu sexuellen Übergriffen auf der Arbeit, müssen die Täter im ersten Schritt mit einer Abmahnung durch ihren Arbeitgeber rechnen. Falls das eigene Verhalten zukünftig nicht verändert wird, kann auch eine fristlose Kündigung aufgrund der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz erfolgen. Darin bestehen allerdings nur die arbeitsrechtlichen Folgen.

Darüber hinaus sind auch strafrechtliche Konsequenzen denkbar. In schweren Fällen droht sogar eine Gefängnisstrafe. Allerdings besteht in der sexuellen Belästigung immer ein Antragsdelikt. Das heißt, dass eine strafrechtliche Verfolgung nur stattfindet, wenn eine entsprechende Anzeige für die Tat erstattet wurde.

Autor: Fachanwalt.de-Redaktion

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