Frankfurt/Main (jur). Wenn eine später festgestellte Verunreinigung eines Medikaments das Krebsrisiko minimal erhöht, rechtfertigt dies keine Schadenersatzansprüche gegen den Hersteller. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem am Dienstag, 16. Mai 2023, bekanntgegebenen Urteil entschieden (Az.: 13 U 69/22).
Hintergrund sind 2018 bei einem chinesischen Hersteller festgestellte Verunreinigungen des Wirkstoffs Valsartan. Er enthielt N-Nitrosodimethylamin, das als „wahrscheinlich krebserregend“ gilt. Mehrere Pharmaunternehmen, die den Blutdrucksenker von dort bezogen hatten, mussten ihre Medikamente zurückrufen. Die Klägerin aus Südhessen hatte seit vielen Jahren Blutdrucksenker mit dem Wirkstoff Valsartan eingenommen. Sie gibt an, dass sie seit Bekanntwerden der Verunreinigungen an erheblicher psychischer Angst vor Krebs leidet. Von dem Hersteller ihres Medikaments fordert sie deswegen ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 21.500 Euro.
Wie schon das Landgericht Darmstadt wies nun auch das OLG Frankfurt die Klage ab. Die zusätzliche Möglichkeit, an Krebs zu erkranken, liege „unterhalb der Erheblichkeitsschwelle“. Das Krebsrisiko liege für Frauen in Deutschland insgesamt bei 43,5 Prozent. Nach Einschätzung der Europäischen Arzneimittelagentur erhöhe sich dies bei einer Einnahme der Höchstdosis der verunreinigten Medikamente über sechs Jahre nur um 0,02 Prozent.
Dass die Klägerin bereits durch das Wort „krebserregend“ beunruhigt und deswegen nachts von Alpträumen geplagt sei, sei nicht glaubhaft. Ihre diesbezüglichen Schilderungen seien „ungenau, pauschal und belegen keine behandlungsbedürftige Gesundheitsverletzung“, befanden die Frankfurter Richter.
Zudem komme nach den formalen Regeln ein Schadenersatz nur in Betracht, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung „infolge“ der Arzneimitteleinnahme aufgetreten sei. Dies treffe, wie die Klägerin selbst einräume, hier nicht zu. Auslöser der behaupteten „Krebsangst“ sei nicht das Arzneimittel selbst, sondern die Kenntnis von dessen Verunreinigung gewesen.
Die dadurch ausgelösten Gefahren lägen aber „nicht in relevanter Weise über dem allgemeinen Lebensrisiko“. Sie seien daher „generell bei objektiver Betrachtung nicht geeignet, die behaupteten psychischen und physischen Folgen auszulösen“.
„Die nur ganz geringfügige Erhöhung des Krebsrisikos durch die Verunreinigung des Arzneimittels gegenüber dem allgemeinen Risiko, an Krebs zu erkranken, ist nicht per se als Schaden zu bewerten, ebenso wie eine Verunreinigung des Arzneimittels an sich, die auch folgenlos bleiben kann“, heißt es in dem Frankfurter Urteil vom 26. April 2023.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock