Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen (OVG) hat in einem aktuellen Beschluss entschieden, dass kurzfristige Veranstaltungen auf Freiflächen nicht zwingend eine Baugenehmigung benötigen. Die Richter stellten klar, dass eine temporäre Nutzung, wie zum Beispiel ein Musikfestival, keine dauerhafte bauliche Anlage darstellt und daher nicht den strengen Anforderungen des Bauordnungsrechts unterliegt. Der Beschluss betrifft viele Veranstalter, die ähnliche Events in Niedersachsen durchführen.
Gericht entscheidet gegen Baugenehmigungspflicht
In seinem Beschluss vom 21. August 2024 (Az.: 1 ME 121/24) hat das OVG Niedersachsen die Frage behandelt, ob eine kurzzeitige Nutzung einer Grünlandfläche für ein Festival als bauliche Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) anzusehen ist. Die Antwort des Gerichts fiel eindeutig aus: Die Nutzung einer Fläche für eine nur wenige Tage dauernde Veranstaltung erfüllt diese Anforderung in der Regel nicht. Laut § 2 Abs. 1 Satz 1 NBauO sind bauliche Anlagen "mit dem Erdboden verbundene oder auf ihm ruhende, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen", und diese Definition trifft auf temporäre Veranstaltungen nicht zu.
Das Gericht wies darauf hin, dass auch die in § 2 Abs. 1 Satz 2 NBauO genannten weiteren Arten der Bodennutzung, wie etwa Lager-, Abstell- und Ausstellungsplätze (Nr. 2), Spiel- und Sportplätze (Nr. 3), sowie Camping- und Wochenendplätze (Nr. 4), erst dann baurechtliche Relevanz erlangen, wenn sie die Situation eines Grundstücks in zeitlicher und räumlicher Hinsicht prägen. Dies bedeutet, dass eine Nutzung, die das Grundstück nur vorübergehend beansprucht und nach dem Event wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehrt, nicht als bauliche Anlage gilt.
Temporäre Events sind keine baulichen Anlagen
Das OVG machte deutlich, dass eine Veranstaltung im Freien, die nur für kurze Zeit stattfindet und keine dauerhaften baulichen Strukturen hinterlässt, nicht als "bauliche Anlage" im Sinne der NBauO anzusehen ist. Diese Interpretation folgt der Gesetzesbegründung, die nach der Streichung der "sonstigen Anlagen, die einen Zu- und Abgangsverkehr mit Kraftfahrzeugen erwarten lassen" (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 NBauO a.F.), ausgeführt wurde (vgl. NdsGVBl. Nr. 43 v. 16.11.2021, S. 732). Der Gesetzgeber wollte mit dieser Änderung vermeiden, dass temporäre Veranstaltungen unzulässig restriktiven baurechtlichen Vorschriften unterliegen.
In seiner Begründung verwies das Gericht auch auf § 79 Abs. 1 NBauO, der der Bauaufsichtsbehörde die Möglichkeit gibt, Maßnahmen anzuordnen, um rechtmäßige Zustände herzustellen oder zu sichern. Diese Vorschrift sei jedoch nur anwendbar, wenn die genutzte Fläche unter die Definition einer baulichen Anlage fällt. Da dies im Fall von temporären Veranstaltungen nicht gegeben ist, kann eine Nutzung solcher Flächen nicht nach § 79 NBauO untersagt werden.
Folgen für Veranstalter und Behörden
Die Entscheidung des OVG hat weitreichende Folgen für Veranstalter von Festivals, Konzerten und anderen kurzfristigen Events im Freien. Künftig wird es schwieriger für Behörden, solche Veranstaltungen unter Berufung auf das Bauordnungsrecht zu untersagen oder einzuschränken, solange keine dauerhaften baulichen Veränderungen stattfinden. Die Richter betonten, dass es einer Abgrenzung bedarf zwischen "Veranstaltungen im Freien" und baurechtlich relevanten "Versammlungsstätten". Dies bedeutet, dass Sicherheitsvorschriften zwar weiterhin durch die Ordnungsbehörden durchgesetzt werden können, die baurechtlichen Anforderungen jedoch nicht automatisch zur Anwendung kommen.
Anwaltstipp:
Veranstalter sollten sich vor der Planung eines Events auf Freiflächen mit den örtlichen Vorschriften und der aktuellen Rechtsprechung vertraut machen. Da das Gericht klarstellt, dass kurzfristige Veranstaltungen ohne dauerhafte Veränderungen nicht unter das Bauordnungsrecht fallen, empfiehlt es sich, eine genaue Dokumentation der geplanten Nutzung vorzubereiten, um mögliche Konflikte mit den Behörden zu vermeiden. Bei Unsicherheiten sollte frühzeitig juristischer Rat eingeholt werden, insbesondere in Bezug auf die Anwendung von §§ 2 und 79 NBauO.
(se)