Arbeitsrecht

Keine Betriebsvereinbarung ohne Betriebsratsbeschluss

Zuletzt bearbeitet am: 05.02.2024

Erfurt (jur). Eine Betriebsvereinbarung ohne Betriebsratsbeschluss ist unwirksam. Es reicht nicht aus, wenn der Betriebsratsvorsitzende die Vereinbarung ausgehandelt und unterschrieben hat, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Dienstag, 21. Juni 2022, veröffentlichten Urteil (Az.: 1 AZR 233/21). Das gilt auch, wenn der Betriebsrat quasi zuschaute und den Vorsitzenden gewähren ließ. 

Damit hat ein Industriemechaniker aus dem Raum Wuppertal gute Aussicht auf wieder mehr Lohn. Der Betriebsratsvorsitzende in seinem Betrieb hatte 2017 eine Betriebsvereinbarung zu einem neuen Entlohnungssystem ausgehandelt und unterschrieben. Danach erhielt der Industriemechaniker noch 3.624 Euro brutto pro Monat, 200 Euro weniger als zuvor. 

Dagegen klagte er und machte geltend, die neue Betriebsvereinbarung sei unwirksam. Denn sie sei nicht vom gesamten Betriebsrat, sondern nur von dessen Vorsitzendem bestätigt worden. 

Anders als die Vorinstanzen ist das BAG dem nun gefolgt. Eine Betriebsvereinbarung sei nur dann wirksam, wenn sie – zumindest nachträglich – durch einen Beschluss des Betriebsrats bestätigt wurde. 

Denn laut Betriebsverfassungsgesetz sei der Betriebsrat ein „Kollegialorgan“, heißt es zur Begründung in dem Erfurter Urteil. „Er bildet seinen gemeinsamen Willen durch Beschluss.“ Eine Erklärung des Vorsitzenden, die nicht von einem solchen Beschluss gedeckt ist, „kann daher keine Rechtswirkungen entfalten“. 

In den Vorinstanzen hatten das Arbeitsgericht Wuppertal und das Landesarbeitsgericht Düsseldorf gemeint, die Unterschrift des Vorsitzenden sei dem gesamten Betriebsrat auf der Grundlage einer sogenannten Anscheinsvollmacht zugerechnet werden kann. Dem hat das BAG nun widersprochen. Diese Grundsätze seien für Betriebsvereinbarungen nicht anwendbar. 

Schon das Betriebsverfassungsgesetz schließe es aus, dass ein Betriebsratsvorsitzender alleine eine Betriebsvereinbarung abschließt. Zudem passe das Prinzip der Anscheinsvollmacht hier nicht. Denn es sei zum Schutz des Vertragspartners gedacht, der dem Anschein glauben schenkt, der Vertreter der Gegenseite sei durch eine Vollmacht legitimiert. Eine Betriebsvereinbarung gelte aber nicht nur für den Arbeitgeber als Vertragspartner, sondern auch für die gesamte Belegschaft, die an den Verhandlungen aber nicht beteiligt ist. 

Das jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 8. Februar 2022 sieht daher aber vor, dass sich Arbeitgeber Gewissheit über die Beschlusslage des Betriebsratsgremiums verschaffen können: Sie können eine Kopie desjenigen Teils des Sitzungsprotokolls verlangen, aus dem sich die Zustimmung des Betriebsrats zu einer Betriebsvereinbarung ergibt.

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Symbolgrafik:© Marco2811 - stock.adobe.com

Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Arbeitsrecht Ergonomischer Büroarbeitsplatz mit Merkblatt

Der Begriff "Büroarbeitsplatz" bezieht sich auf die Gesamtheit aller Elemente und Bedingungen, die in einem Büroumfeld zur Durchführung von Arbeitsaufgaben erforderlich sind. Hierzu zählen insbesondere Arbeitsmittel wie Schreibtisch und Bürostuhl, die gemäß den Anforderungen des Arbeitsschutzes ergonomisch gestaltet sein müssen, um gesundheitliche Schäden zu vermeiden und die Arbeitsleistung zu steigern. Rechtliche Grundlagen für Büroarbeitsplätze Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und die Bildschirmarbeitsverordnung bilden die rechtliche Basis für die Gestaltung von Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen in ... weiter lesen

Arbeitsrecht Arbeitsgericht Siegburg urteilt: Keine Diskriminierung bei Nichteinstellung aus gesundheitlichen Gründen

Das Arbeitsgericht Siegburg hat in einem Fall, in dem es um die Rücknahme einer Einstellungszusage für einen schwerbehinderten Bewerber ging, entschieden. Im Mittelpunkt der Verhandlung stand die Frage, ob die Nichteinstellung aufgrund eines ärztlichen Gutachtens eine Diskriminierung darstellt (Az.: 3 Ca 1654/23 ). Stadt zieht Jobzusage an diabetischen Bewerber zurück – Klage wegen Diskriminierung Ein schwerbehinderter Bewerber, der an Diabetes leidet, bewarb sich Anfang 2023 bei einer Stadtverwaltung für eine Ausbildung zum Straßenwärter. Seine Schwerbehinderung gab er dabei offen an. Er erhielt eine vorläufige Zusage, die jedoch von den Ergebnissen einer ... weiter lesen

Arbeitsrecht Nebenbeschäftigung durch Detektei aufgedeckt – was Arbeitgeber jetzt beachten müssen

Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und -geber ist wichtig, Vertrauen allein reicht aber oft nicht aus. Zu den häufigsten Zwischenfällen gehört die Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit durch den Arbeitnehmer. Grundsätzlich ist der Hauptarbeitgeber verpflichtet, einen Nebenjob zu gewähren, sofern die eigenen Interessen davon nicht betroffen sind. So muss der Arbeitnehmer weiterhin mit seiner vollen Arbeitskraft verfügbar sein und darf nicht in konkurrierenden Betrieben arbeiten. Heimlich ausgeführt ist eine Nebentätigkeit nicht erlaubt. Die Aufdeckung erfolgt regelmäßig durch erfahrene Wirtschaftsdetektive, aber was passiert dann?  ... weiter lesen

Arbeitsrecht Verwaltungsgericht Hannover bestätigt Entlassung von Polizeikommissar-Anwärterin

Ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover (Az. 2 B 512/24; 2 A 5953/23 ) bekräftigt die Entlassung einer Polizeikommissar-Anwärterin aufgrund ihrer polizeikritischen Äußerungen in sozialen Netzwerken. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Neutralität und des Mäßigungsgebots im Beamtenverhältnis. Polizeianwärterin wegen kritischer Äußerungen in sozialen Medien entlassen Im Zentrum des Rechtsstreits stand eine angehende Polizeikommissarin, gegen die die Niedersächsische Polizeiakademie eine Entlassungsverfügung erließ. Ausschlaggebend waren diverse Äußerungen in sozialen Medien, die als kritisch gegenüber der Polizei ... weiter lesen

Ihre Spezialisten