München (jur). Die pandemiebedingte Verzögerung eines Gerichtsverfahrens führt bei den Betroffenen nicht zu einem Entschädigungsanspruch. Denn die Corona-Pandemie war einzigartig und ihr Beginn unvorhersehbar, betonte der Bundesfinanzhof (BFH) in München in einem am Donnerstag, 14. April 2022, veröffentlichten Urteil (Az.: X K 5/20). Ein „Organisationsverschulden“ sei der Justiz daher nicht anzulasten.
Damit wies der BFH einen Medienberater ab. Mit dem Finanzamt lag er im Streit, ob Beratungsleistungen für ein Unternehmen in er Schweiz der Umsatzsteuer unterliegen. Im Januar 2018 legte er beim Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg in Cottbus Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid ein. Weil zwei Jahre später ein Verhandlungstermin noch immer nicht in Sicht war, erhob er eine sogenannte Verzögerungsrüge. Im September 2020 stellte das FG dann das Urteil zu.
Zu spät, meint der Berater. Wegen „überlangen Verfahrensdauer“ verlangte er mit einer weiteren Klage eine Entschädigung von mindestens 600 Euro.
Eine solche Entschädigung kann Betroffenen zustehen, wenn Gerichte trotz einer zunächst erhobenen Rüge ein Verfahren nicht in angemessener Zeit abschließen. Für jeden Monat unnötiger Verzögerungen gibt es dann 100 Euro.
Mit seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 27. Oktober 2021 lehnte der BFH eine Entschädigungszahlung hier jedoch ab. Zwar komme es bei der Entschädigung nicht auf ein persönliches Verschulden des mit dem Streit befassten Richters an. Insbesondere könnten sich Gerichte nicht auf ihre Überlastung berufen. Die Verzögerung müsse aber „innerhalb des dem Staat zurechenbaren Einflussbereichs liegen“.
Hier liege ein solches „Organisationsverschulden“ der Justiz nicht vor. Wegen der aufkommenden Corona-Pandemie habe das FG Cottbus ab März 2020 keine mündlichen Verhandlungen durchführen können. Dabei sei die Pandemie ein „und in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beispielloses Ereignis“ gewesen. Dies sei nicht vorhersehbar gewesen und habe auch außerhalb der Justiz zu erheblichen Problemen geführt.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock