Hamm (jur). Wenn Patienten über mögliche Nebenwirkungen eines Arzneimittels nicht aufgeklärt wurden, haben sie nicht immer Anspruch auf eine Entschädigung. Stattdessen ist in der Regel von einer „hypothetischen Einwilligung“ auszugehen, wenn eine Ablehnung der Behandlung medizinisch unvernünftig gewesen wäre, wie das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem am Montag, 28. Oktober 2013, bekanntgegebenen Urteil zu einer Behandlung mit dem Blutverdünner Heparin entschied (Az.: 3 U 54/12).
Es wies damit eine 57-jährige Frau aus dem Münsterland ab. Sie litt an einer Entzündung des peripheren Nervensystems. Im Krankenhaus wurde diese mit Cortisonspritzen behandelt. Weil dies das Risiko von Thrombosen und Embolien (Verstopfung der Blutgefäße) erhöht, erhielt sie begleitend Injektionen mit dem Blutverdünner Heparin.
Über die Risiken der Cortisonbehandlung wurde sie aufgeklärt, nicht aber über das Heparin. Es traten schmerzhafte innere Blutergüsse im Beckenbereich und im Bereich der Rektusschiede (eine Sehnenplatte, die den geraden Bauchmuskel überzieht) auf. Wegen fehlender Aufklärung verlangte sie ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro.
Mit Urteil vom 2. September 2013 wies das OLG Hamm die Klage ab. Die Patientin habe vor ihrer Behandlung starke Beschwerden gehabt und sei daher für ihre Cortisontherapie hoch motiviert gewesen. Wegen der drohenden Nebenwirkungen wäre eine Ablehnung des Heparins aber „medizinisch unvernünftig gewesen“. Die aufgetretenen Nebenwirkungen seien „extrem selten“ und heilten meist folgenlos aus. Hier sei die Frau zuvor auch schon einmal beschwerdefrei mit Heparin behandelt worden. Es spreche daher alles dafür, dass sie hier „die Behandlung auch im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung akzeptiert hätte“.
Eine solche hypothetische Einwilligung müssten zwar grundsätzlich die Ärzte beweisen, betonte das OLG. Wenn eine Ablehnung medizinisch unvernünftig gewesen wäre, müssten aber wiederum die Patienten erklären, warum sie die Behandlung dennoch möglicherweise abgelehnt hätten. Eine solche „Konfliktsituation“ habe hier die Patientin aber nicht darlegen können.
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