Karlsruhe (jur). Gefangene können bei menschenunwürdigen Haftbedingungen grundsätzlich nur bei einem schuldhaften Handeln der Behörden eine Entschädigung verlangen. Ein unmittelbarer Schadenersatzanspruch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) wegen miserabler Haftbedingungen gegenüber dem einzelnen Bundesland besteht nicht, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Montag, 5. August 2013, veröffentlichten Urteil (Az.: III ZR 342/12).
Geklagt hatte ein Gefangener, der vom 14. September 2009 bis zum 2. Februar 2010 in der Teilanstalt I der Berliner Justizvollzugsanstalt Tegel untergebracht war. Seine Einzelzelle war nur 5,3 Quadratmeter groß, die Toilette war räumlich nicht abgetrennt. Diese Haftbedingungen seien menschenunwürdig und verletzten den in der EMRK festgelegten Grundsatz, dass niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Es bestünde ein unmittelbarer Schadenersatzanspruch gegen die öffentliche Hand wegen rechtswidriger Freiheitsbeschränkungen.
Das Landgericht Berlin gab dem Gefangenen noch recht und sprach ihm 3.460 Euro Schadenersatz zu. Das Kammergericht Berlin wie auch der BGH in seinem jetzt veröffentlichten Urteil vom 4. Juli 2013 lehnten eine Geldentschädigung ab.
Nach der EMRK bestehe nur bei rechtswidriger Freiheitsentziehung ein unmittelbarer Entschädigungsanspruch. Hier habe der Kläger aber die Haftbedingungen gerügt. In solch einem Fall könne lediglich mit einer Individualbeschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg eine Entschädigung eingefordert werden. Diese wäre aber auch kaum erfolgversprechend. Denn nach der bisherigen Rechtsprechung gingen die Straßburger Richter bei vier Quadratmetern von einer menschenunwürdigen zu kleinen Zelle aus. In Deutschland sei der Maßstab mit 5,3 Quadratmeter etwas großzügiger.
Nach deutschem Recht könne der Kläger bei einer menschenunwürdigen Unterbringung nur eine Entschädigung verlangen, wenn die Behörden „schuldhaft“ gehandelt haben. Die damalige Rechtsprechung sei aber noch davon ausgegangen, dass die gerügten Haftbedingungen zulässig waren. Ein Verschulden der Behörden liege damit nicht vor. Erst am 3. November 2009 habe der Berliner Verfassungsgerichtshof die Haftbedingungen als menschenunwürdig und damit als unzulässig eingestuft (Az.: VerfGH 184/07).
Auch wenn der Kläger nach der Berliner Entscheidung noch kurze Zeit weiter in der zu kleinen Zelle untergebracht war, sei dies noch hinzunehmen, so der BGH. Denn den Behörden musste Zeit eingeräumt werden, auf die geänderte Rechtsprechung zu reagieren.
Eine Entschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen komme letztlich nur in Betracht, wenn die Behörden diese billigen und selbst eine Verlegung in ein anderes Bundesland ablehnen. Notfalls könne dann auch die Strafvollstreckung unterbrochen werden, so der BGH.
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