Verkehrsrecht

Keine Fahrtenbuchauflage bei aussichtsreicher Ermittlungsmöglichkeit

Zuletzt bearbeitet am: 16.09.2023

Münster (jur). Wenn eine Auto-Halterin zu einem Blitzerfoto mit dem Konterfei eines nahen Angehörigen keine Angaben macht, ist eine Fahrtenbuchauflage oft nicht gerechtfertigt. Die Auflage ist unzulässig, wenn die Straßenverkehrsbehörde erfolgversprechende Ansätze hatte, die Person am Steuer selbst zu ermitteln, urteilte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen am 31. Mai 2023 in Münster (Az.: 8 A 2361/22). 

Es gab damit der Klage einer Pkw-Halterin aus dem Rhein-Erft-Kreis bei Köln statt. Am ersten Weihnachtstag 2021 war Auto innerorts mit 76 Stundenkilometern geblitzt worden. Auf dem Radarfoto war ein junger Mann als Fahrer gut zu erkennen. 

Bei einer solchen Geschwindigkeit innerorts wird ein Bußgeld in Höhe von 180 Euro und ein Punkt im Flensburger Fahreignungsregister fällig. Im Wiederholungsfall droht zudem ein Monat Fahrverbot. 

Daher fragte die Straßenverkehrsbehörde, wer der Mann auf dem Foto sei. Die Halterin antwortete, sie mache von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Daraufhin stellte die Behörde das Bußgeldverfahren ein und verpflichtete die Halterin, zwölf Monate lang ein Fahrtenbuch zu führen. Dies ist üblich, um insbesondere auch bei tatsächlichen oder vermeintlichen Erinnerungslücken überprüfen zu können, wer am Steuer saß. 

Doch die Frau wollte die Auflage nicht akzeptieren und klagte – mit Erfolg. Eine Fahrtenbuchauflage komme laut Gesetz nur dann in Betracht, „wenn die Täterfeststellung nach einem Verkehrsverstoß unmöglich gewesen ist“, urteilte das OVG Münster. 

Zeitraubende und kaum aussichtsreiche Ermittlungen müsse die Behörde zwar nicht anstellen. Hier habe ein erfolgversprechender Ansatz aber auf der Hand gelegen. Denn weil sich die Halterin auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen habe, habe es nahegelegen, dass ein Angehöriger am Steuer saß. Die Straßenverkehrsbehörde hätte daher beim Meldeamt nach den männlichen Mitbewohnern der Halterin fragen und die Personalausweisfotos mit dem Radarfoto abgleichen können. 

Dieses Vorgehen sei bei den Straßenverkehrsbehörden auch üblich, betonten die Münsteraner Richter. Im konkreten Fall hätte sich so schnell herausgestellt, dass der Sohn der Halterin ihr Auto gefahren hat. 

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

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