Leipzig (jur). Bei der Prüfung der Identität eines Asylsuchenden darf bei fehlenden Passpapieren das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht pauschal die Mobiltelefondaten auslesen. Gibt es andere Dokumente und Anhaltspunkte, die die Identität und Staatsangehörigkeit einer Person aufzeigen, sind zuerst diese und nicht die Handydaten zu berücksichtigen, urteilte am Donnerstag, 16. Februar 2023, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (Az.: 1 C 19.21).
Im konkreten Rechtsstreit ging es um eine Asylsuchende, die 2019 nach Deutschland kam und einen Asylantrag stellt. Sie gab an, aus Afghanistan zu stammen. Über einen gültigen Pass oder Passersatzpapiere verfügte sie nicht. Allerdings legte sie eine sogenannte Tazkira, ein afghanisches Ausweisdokument ohne biometrische Daten, sowie eine Heiratsurkunde vor.
Dies reichte dem BAMF zur Identitätsfeststellung nicht. Die Behörde verlangte das Mobiltelefon der Frau und dessen Zugangsdaten. Mit einer speziellen Software wurden die Daten des Smartphones ausgelesen. Erst danach wurden die ebenfalls überreichten Urkunden zur Identitätsfeststellung übersetzt.
Das Verwaltungsgericht Berlin hielt mit Urteil vom 1. Juni 2021 das pauschale Auslesen der Handys von Asylsuchenden zur Feststellung ihrer Identität für rechtswidrig (Az.: VG 9 K 135/20 A; JurAgentur-Meldung vom 21. Juni 2021). Gebe es mildere Mittel, wie etwa die Auswertung und Überprüfung von Dokumenten, könne das BAMF die Preisgabe der Handydaten nicht verlangen.
Dies bestätigte nun auch das Bundesverwaltungsgericht. Das Auslesen der Mobiltelefondaten sei zur Ermittlung der Identität und Staatsangehörigkeit erst zulässig, „wenn der Zweck der Maßnahme, bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Anordnung, nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann“. Hier habe die Klägerin jedoch die Tazkira und eine Heiratsurkunde vorgelegt. Auch beim Sprachermittler hätte nachgefragt werden können, ob bei der Asylsuchenden sprachliche Auffälligkeiten bestanden haben. Damit bestanden „mildere Mittel“, die Identität und Staatsangehörigkeit festzustellen.
Das Auslesen und die Auswertung der Smartphone-Daten sei daher unverhältnismäßig und deshalb rechtswidrig gewesen, so die Leipziger Richter.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock