Sozialrecht

Keine Heimkostenkürzung wegen coronabedingter Besuchsbeschränkungen

Zuletzt bearbeitet am: 22.01.2024

Karlsruhe (jur). Alten- und Pflegeheimbewohner dürfen bei behördlich angeordneten coronabedingten Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen nicht die Heimkosten kürzen. Denn die vertraglich vereinbarten Pflege- und Betreuungsleistungen und damit die Kernleistung des Pflegevertrages werden weiterhin erbracht, stellte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Mittwoch, 1. Juni 2022, bekanntgegebenen Beschluss klar (Az.: III ZR 240/21). 

Damit muss eine pflegebedürftige Frau aus dem Raum Amberg in Bayern noch offene Heimkosten in Höher von 8.877 Euro zahlen. Die Frau mit einem Pflegegrad von 3 war seit 2017 vollstationär in einem Seniorenwohn- und Pflegeheim untergebracht. Mit Beginn der Corona-Pandemie holte ihr Sohn sie am 19. März 2020 nach Hause. Anlass waren die behördlich angeordneten Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen in Alten- und Pflegeheimen. 

Das Zimmer in dem Pflegeheim behielt die Frau allerdings. Für die Monate Mai bis August 2020 zahlte sie nur einen kleinen Teil des Heimentgelts. Statt monatlich die Vergütung von rund 3.300 Euro zu entrichten, überwies sie insgesamt nur 1.162 Euro. Nach erfolgloser Mahnung kündigte der Heimträger den Pflegevertrag „aus wichtigem Grund“ zum 31. August 2020. 

Das Landgericht Amberg verurteilte die Pflegebedürftige unter Anrechnung einer Pauschale für ersparte Aufwendungen zur Zahlung von 8.877 Euro sowie zur Räumung des Heimzimmers. 

Gegen das Urteil wollte die Frau Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH einlegen, fand jedoch keinen beim Gericht zugelassenen Anwalt, der den Fall übernehmen wollte. Sie beantragte daraufhin beim BGH die Beiordnung eines Notanwalts. 

Doch mit ihren Antrag hatte sie keinen Erfolg. Ein Grund für die Zulassung der Revision liege „offensichtlich“ nicht vor, so der BGH in seinem Beschluss vom 28. April 2022. Ein Kürzungsanspruch des Heimentgelts wegen behördlicher Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen bestehe „unzweifelhaft nicht“. 

Der Heimträger habe seine vertraglich vereinbarten Pflege- und Betreuungsleistungen weiterhin zur Verfügung gestellt und damit die Kernleistungen des Pflegevertrages „in vollem Umfang erbracht“. Eine Entgeltkürzung wegen Nicht- oder Schlechtleistung scheide daher von vornherein aus. 

Mit den coronabedingten Beschränkungen habe sich auch die Geschäftsgrundlage zwischen den Parteien nicht schwerwiegend geändert. Diese dienten vielmehr dem Gesundheitsschutz der Bewohner und Heimmitarbeiter, „ohne den Vertragszweck infrage zu stellen“. Das Festhalten am unveränderten Pflegevertrag sei daher zumutbar gewesen.

 

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

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