Sozialrecht

Keine „undifferenzierten Schätzung“ von Künstlersozialabgaben

Zuletzt bearbeitet am: 17.01.2023

Celle (jur). Die Rentenversicherung darf Abgaben zur Künstlersozialkasse „nicht auf Grundlage einer undifferenzierten Schätzung“ erheben. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle in einem am Montag, 16. Januar 2023, bekanntgegebenen Beschluss klargestellt (Az.: L 2 BA 49/22 B ER). Nur um den Verwaltungsaufwand zu verringern, habe sich die Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover jedenfalls im Streitfall „sehenden Auges über rechtsstaatliche Vorgaben hinweggesetzt“. 

Damit gab das LSG dem Eilantrag einer kleinen Schokoladenmanufaktur im Raum Lüneburg statt. Diese hatte der Künstlersozialkasse für 2016 Ausgaben für Werbedesigner in Höhe von 1.870 Euro gemeldet, danach lagen diese Ausgaben nur noch zwischen 50 und 225 Euro pro Jahr. 

Nach einer Betriebsprüfung im Jahr 2021 ging die Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover stattdessen von geschätzten beitragspflichtigen Werbeumsätzen in Höhe von 19.000 Euro pro Jahr aus. Für die Jahre 2016 bis 2020 sollte die Manufaktur 4.200 Euro Künstlersozialabgaben nachzahlen. 

Dagegen klagte die Schokoladenmanufaktur. Die Forderung der Rentenversicherung bedrohe ihre von der Coronapandemie ohnehin schon stark gebeutelte Existenz. 

Mit seinem auch bereits schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 22. Dezember 2022 gab das LSG Celle nun zunächst dem Eilantrag auf aufschiebende Wirkung der Klage statt. 

Die Rentenversicherung habe unabhängig von Größe und Ausrichtung des Unternehmens die Werbeumsätze pauschal geschätzt, rügte das LSG. Sie trage aber „im Rahmen der Betriebsprüfung uneingeschränkt die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihrer Bescheide“. 

Hier hätten die erheblich abweichenden Angaben der Manufaktur zu ihren Werbeumsätzen der Rentenversicherung zu denken geben müssen. Stattdessen räume sie selbst ein, bei ihrer Schätzung „nicht differenziert“ zu haben. „Ihr Hinweis auf dafür maßgebliche ‚Gründe der Vereinfachung‘ bringt inhaltlich letztlich nur zum Ausdruck, dass sich die Antragsgegnerin (Rentenversicherung) sehenden Auges über die erläuterten rechtsstaatlichen Vorgaben hinweggesetzt hat“, heißt es in dem Beschluss. 

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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

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