Frankfurt/Main. Wenn ein direkt nach der Geburt bei Pflegeeltern aufgenommenes Kind zurück zu den leiblichen Eltern soll, ist regelmäßig ein psychologisches Gutachten über mögliche Gefährdungen des Kindeswohls einzuholen. Das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) entschied mit einem am 3. Mai 2022 veröffentlichten Urteil, dass dies auch dann gilt, wenn vom Jugendamt die Rückführung zu den Herkunftseltern befürwortet wird (Az.: 6 UF 225/21).
Der streitige Fall betrifft ein 2020 geborenes Mädchen, das nur wenige Tage nach ihrer Geburt gegen den Willen ihrer unverheirateten Eltern, die das gemeinsame Sorgerecht haben, zu Pflegeeltern kam. Auch eine ältere Schwester wurde kurz nach ihrer Geburt zu Pflegeeltern gegeben. Ein weiteres drittes Kind hingegen lebt bei den leiblichen Eltern.
Der Antrag der Pflegeeltern, die jüngste Tochter dauerhaft in ihrem Haushalt verbleiben zu lassen, wurde vom Amtsgericht abgelehnt. Das Jugendamt, das am für den Aufenthaltsort der Eltern zuständig ist, hatte sich zuvor bereits für die Rückführung des Kindes zu den leiblichen Eltern eingesetzt. Vorbereitend mit „intensivierten Umgängen“ solle eine Rückführung ermöglicht werden.
Gegen eine Rückführung sprachen sich hingegen das Jugendamt am Aufenthaltsort des Kindes sowie der Verfahrensbeistand des Kindes aus.
Vom Amtsgericht konnten keine Anhaltspunkte dafür ausgemacht werden, die für eine Kindeswohlgefährdung sprechen, wenn das Kind zu seinen leiblichen Eltern zurückkehrt. Daher wurde der Antrag der Pflegeeltern auf Verbleib des Kindes in ihrem Haushalt abgelehnt.
Das Oberlandesgericht entschied am 3. März 2022, dass das Amtsgericht für eine solche Entscheidung regelmäßig ein psychologisches Gutachten zur Gefährdung des Kindeswohles einholen müsse. Insbesondere sei zu berücksichtigen, ob und ggf. inwieweit das Kind mit der Bezugsperson und seiner Umwelt Bindungen aufgebaut habe und ein Abbruch dieser Bindungen es in seinem Wohl gefährden könnte.
Das Amtsgericht dürfe sich nicht allein auf die Einschätzung des Jugendamtes am Wohnort der Eltern stützen. Bei dem Kind bestünden außerdem besondere Risikofaktoren. Es reagiere besonders empfindlich auf Stressreaktionen. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts müsse das Amtsgericht daher die Kindeswohlgefährdung erneut prüfen, wofür die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich sei.
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