Sozialrecht

Krankengeld: Einstellung der Zahlung nach Aufforderung zur Stellung eines Reha-Antrages

28.08.2020

Die Krankenkasse darf den Versicherten, der Krankengeld bezieht, unter Fristsetzung auffordern, einen Antrag auf medizinische Reha oder auf Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen. Die Frist zur Antragstellung beträgt zehn Wochen. Stellen Versicherte innerhalb der Frist den Antrag nicht, entfällt der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der Frist. Wird der Antrag später gestellt, lebt der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tag der Antragstellung wieder auf (§ 51 Abs. 1 und 3 SGB V).

Auch hier steckt der Teufel im Detail: Die Krankenkassen sind berechtigt und unter Umständen sogar verpflichtet, den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einzuschalten, um überprüfen zu lassen, ob die Voraussetzung für eine Versicherungsleistung noch vorliegt. Das gilt auch für die Überprüfung des Krankengeldanspruchs. Wenn die Krankenkasse den Krankengeldbezieher zu einem Reha-Antrag auffordern will, muss sie zunächst feststellen lassen, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten erheblich gefährdet oder gemindert ist. Für diese Feststellung verlangt das Gesetz ein ärztliches Gutachten.

In der Praxis ist zu beobachten, dass die Begutachtung häufig unzureichend ist. Es gibt Fälle, in denen der MDK lediglich nach Aktenlage, manchmal sogar durch bloßes Ankreuzen eines Formblatts, eine Aussage über den Gesundheitszustand des Versicherten trifft, ohne diesen überhaupt gesehen, geschweige denn untersucht zu haben. In diesen Fällen kann man nicht von einem „Gutachten“ sprechen. Das Bundessozialgericht hat die Anforderungen an ein Gutachten im Sinne des Gesetzes schon vor vielen Jahren geklärt. Eine gutachtliche Stellungnahme im Sinne des Gesetzes verlangt danach zumindest, dass der begutachtende Arzt sich mit den ihm bekannten Befunden und Diagnosen der behandelnden Ärzte auseinandersetzt, einen Bezug zum Leistungsvermögen des Versicherten herstellt und eine eigenständige Beurteilung abgibt. Die Richtigkeit der ärztlichen Äußerung muss überprüfbar sein. Eine Stellungnahme per Formular ist kein ärztliches Gutachten (Bundessozialgericht U. v. 07.08.1991 – 1/3 RK 26/90).

Sollte die Krankenkasse zur Stellung eines Reha-Antrages auffordern und die Einstellung des Krankengeldes androhen, kann dagegen Widerspruch erhoben werden. Dies empfiehlt sich, wenn Zweifel an der Richtigkeit der behaupteten medizinischen Feststellungen bestehen. Ob tatsächlich ein „echtes“ Gutachten oder stattdessen nur eine kurze Notiz bzw. ein kurzer Vermerk vorliegt, lässt sich im Wege der Einsichtnahme in die Versicherungsakte klären.

Dieser Beitrag dient zur allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Eine individuelle Beratung wird dadurch nicht ersetzt. Jeder einzelne Fall erfordert fachbezogenen Rat unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände. Ohne detaillierte Beratung kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers.

Rechtsanwalt Peter Koch

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