Berlin (jur). Fahrradkuriere müssen für die Teilnahme an einem „wilden Streik“ und einer damit einhergehenden Arbeitsverweigerung mit einer fristlosen Kündigung rechnen. Die Teilnahme an einem Streik ist nur dann rechtmäßig, wenn dieser von einer Gewerkschaft getragen wird, urteilte am Mittwoch, 6. April 2022, das Arbeitsgericht Berlin (Az.: 20 Ca 10257/21, 20 Ca 10258/21 und 20 Ca 10259/21).
Im konkreten Fall lagen die drei beim Berliner Fahrradkurierunternehmen Gorillas angestellten Klägerinnen und Kläger mit ihrem Arbeitgeber im Streit. Sie forderten eine pünktliche Lohnzahlung und die Ausstattung mit Regenkleidung. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, nahmen sie mit anderen Beschäftigten an einem viertägigen „wilden Streik“ teil, also einem nicht von einer Gewerkschaft organisierten Streik.
Nachdem der Arbeitgeber die drei Kurierfahrerinnen und -fahrer mehrfach erfolglos zur Arbeitsaufnahme aufgefordert hatte, kündigte er ihnen fristlos.
Diese meinten, dass der „wilde Streik“ von der Koalitionsfreiheit im Grundgesetz geschützt sei. Die Koalitionsfreiheit schütze auch Arbeitskampfmaßnahmen, die nicht den Abschluss eines Tarifvertrages zum Ziel hätten, und deshalb auch nicht gewerkschaftlich organisiert sein müssten.
Doch das Arbeitsgericht hielt die fristlosen Kündigungen zweier Kläger für wirksam. Die Teilnahme an einem Streik sei nur dann rechtmäßig, wenn dieser von einer Gewerkschaft getragen werde.
Die fristlose Kündigung des dritten Klägers sei aber unwirksam, da dessen Arbeitsverweigerung nicht klar genug festgestellt werden konnte. Denn der Kläger sei in der Zeit des Streiks zu Abendschichten eingeteilt gewesen, die er aufgrund der Schließung des Warehouses von Gorillas nicht habe wahrnehmen können. Da der Beschäftigte seit weniger als sechs Monaten bei dem Lieferdienst beschäftigt war, greife allerdings das Kündigungsschutzgesetz nicht. Das Arbeitsverhältnis sei daher mit einer Zwei-Wochen-Frist im Rahmen der Probezeit beendet.
Die Streitigkeiten bei Gorillas um den Schutz von Arbeitnehmerrechten hat in der Vergangenheit auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg beschäftigt. So sprachen die Berliner Richter mit Urteil vom 12. Januar 2022 einem Kurierfahrer und Mitglied eines Wahlvorstandes für eine Betriebsratswahl einstweiligen Rechtsschutz gegen eine fristlose Kündigung zu (Az.: 23 SaGa 1521/21; JurAgentur-Meldung vom 7. Februar 2022). Der Sonderkündigungsschutz für Wahlvorstände gelte auch dann, wenn dem Kurierfahrer die Teilnahme an einem „wilden Streik“ vorgeworfen und ihm deshalb fristlos, aber noch nicht rechtskräftig gekündigt wurde.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock