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Kündigungsschutzklage: Nachträgliche Klagezulassung bei Schwangerschaft

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 3. April 2025 ein richtungsweisendes Signal gesetzt: Eine Kündigungsschutzklage kann auch dann noch erfolgreich erhoben werden, wenn die betroffene Arbeitnehmerin erst nach Ablauf der regulären Klagefrist von ihrer Schwangerschaft erfährt. Dieses Urteil stärkt den Sonderkündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) und präzisiert die unionsrechtskonforme Auslegung der §§ 4 und 5 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG).

Sonderkündigungsschutz & Kündigungsschutzklage: Klagefrist und Ausnahmeregelungen bei Schwangerschaft

Nach § 4 Satz 1 KSchG müssen Arbeitnehmerinnen innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung eine Klage beim Arbeitsgericht einreichen. Wird diese Frist versäumt, wird die Kündigung in der Regel rechtswirksam, auch wenn sie gegen Schutzgesetze wie das MuSchG verstößt.

Allerdings greift eine bedeutende Ausnahme nach § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG: Wenn eine schwangere Arbeitnehmerin ohne eigenes Verschulden erst nach Ablauf der Klagefrist von ihrer Schwangerschaft erfährt, kann sie dennoch eine nachträgliche Klagezulassung beantragen. Damit soll verhindert werden, dass unverschuldete Unkenntnis zum Verlust grundlegender Schutzrechte führt.

Der zugrunde liegende Fall: Chronologie und Bewertung

Im verhandelten Fall erhielt die Klägerin am 14. Mai 2022 eine ordentliche Kündigung zum 30. Juni. Am 29. Mai zeigte ein Schwangerschaftstest ein positives Ergebnis. Einen Arzttermin zur Bestätigung erhielt sie jedoch erst am 17. Juni. Noch vor diesem Termin, am 13. Juni, reichte sie Klage beim Arbeitsgericht ein und beantragte die nachträgliche Zulassung.

Das BAG (Az. 2 AZR 156/24) stellte fest, dass der positive Test allein keine rechtlich sichere Kenntnis der Schwangerschaft vermittelt. Erst mit der ärztlichen Bestätigung am 17. Juni sei die Frist des § 5 Abs. 1 KSchG in Gang gesetzt worden. Da die Klägerin daraufhin unverzüglich handelte, wurde die Klage zu Recht nachträglich zugelassen.

Unterschiedliche Bewertungen in den Vorinstanzen

Besonders bemerkenswert ist, dass die Instanzgerichte zu unterschiedlichen Einschätzungen kamen. Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hingegen verneinte die Zulassungsvoraussetzungen. Erst durch das Urteil des BAG wurde eine klare Linie geschaffen, die nun bundesweit als Orientierung dient.

BGH-Urteil zu nachträglicher Klagezulassung bei Schwangerschaft und seine Konsequenzen für die betriebliche Praxis

Auswirkungen für Arbeitnehmerinnen:

  • Klarheit über die Frist: Die Klagefrist beginnt nicht mit dem Verdacht, sondern erst mit der ärztlichen Bestätigung der Schwangerschaft.
  • Unverzügliches Handeln erforderlich: Der Antrag auf Klagezulassung muss innerhalb von zwei Wochen nach Erlangung der gesicherten Kenntnis gestellt werden.
  • Rechtsschutz sichern: Eine frühe arbeitsrechtliche Beratung kann helfen, Rechte effektiv durchzusetzen.

Empfehlungen für Arbeitgeber:

  • Kündigungen prüfen: Kündigungen von Frauen im gebärfähigen Alter sollten besonders sorgfältig vorbereitet werden.
  • Rechtliche Risiken erkennen: Eine Kündigung kann auch dann unwirksam sein, wenn dem Arbeitgeber die Schwangerschaft nicht bekannt war.
  • Dokumentation verbessern: Personalentscheidungen sollten nachvollziehbar und dokumentiert sein, um im Streitfall standzuhalten.

Unionsrechtliche Implikationen: Harmonisierung mit europäischem Recht

Das BAG stellt mit seiner Entscheidung sicher, dass die deutsche Rechtsprechung im Einklang mit europäischen Vorgaben steht. Die Mutterschutzrichtlinie der EU verpflichtet die Mitgliedstaaten, werdende Mütter besonders zu schützen. Eine enge Auslegung von Klagefristen, die unverschuldete Unwissenheit sanktioniert, wäre europarechtswidrig.

Tipp für die unternehmerische Praxis: Führungskräfte sollten für die besondere Schutzbedürftigkeit schwangerer Arbeitnehmerinnen sensibilisiert werden. Interne Schulungen und Checklisten helfen, typische Fehler bei Kündigungen zu vermeiden. Zudem kann die frühzeitige Einbindung juristischer Expertise teure Rechtsstreitigkeiten verhindern.

Zusammenfassung

Mit dem Urteil vom 3. April 2025 schafft das Bundesarbeitsgericht mehr Rechtssicherheit für Arbeitnehmerinnen und eine praxisgerechte Auslegung der Klagefristen im KSchG. Arbeitgeber sind gut beraten, sich intensiv mit den Voraussetzungen des Sonderkündigungsschutzes auseinanderzusetzen und ihre Entscheidungsprozesse daran auszurichten. Das Urteil zeigt eindrucksvoll, wie nationales Arbeitsrecht und europarechtliche Anforderungen erfolgreich in Einklang gebracht werden können.

Symbolgrafik:© DOC RABE Media - stock.adobe.com

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